Er ist groß, wuchtig – und gleichzeitig zurückhaltend. Er spricht über den Fußball wie über den Ernst des Lebens – in seinen Worten stets bedacht. Er kennt Abstiege und Pokalsiege – und niederschmetternde Arztdiagnosen. Marco Russ (38) ist ein besonderer Teil von Eintracht Frankfurt – geworden: erst leise und eher unauffällig, dann im Spielstil brachial und schließlich irgendwie heldenhaft.
Marco Russ steht für zwei sehr unterschiedliche Eintracht-Jahrzehnte: Zweitliga-Fußball, die Etablierung in der Belle Etage und die Rückkehr auf die europäische Bühne in der Funkel-Ära. Und für große Europapokalnächte in San Siro und an der Stamford Bridge, drei Pokalfinals und den Triumph über die Bayern in Berlin. Der spätere Kapitän und heutige Analyst im Eintracht-Profi-Camp spricht im flw24-Interview über (s)eine Kindheit bei der Eintracht, seinen Abschied und die Wiederkehr nach Frankfurt – und über das „Schlüsselerlebnis Nürnberg“.
flw24: Marco, was tausende Kinder, die den Traum Fußballprofi haben, interessieren dürfte: Wie kamst Du aus dem Hanauer Umland zur Eintracht?
Marco Russ: Meine Wurzeln liegen in Großauheim beim VfB 06; dort habe ich mit dem Sohn von Jan Furtok, der ja Anfang der 1990er Jahre an der Seite von Anthony Yeboah stürmte, gespielt. Bei Turnieren haben wir immer auch gegen Eintracht-Jugendteams gespielt. Irgendwann hat mich ein Scout entdeckt. Das war schon in der F-Jugend.
„Die Schule und den Fußball konnte ich gut verbinden“
Meine Eltern hatten natürlich die Schule im Kopf, Fußball sollte ein Hobby und Ausgleich sein. In der D-Jugend fragte die Eintracht dann wieder an. Und weil es von zuhause zum Riederwald nicht zu weit war, und ich Schule und Training verbinden konnte, hat es dann geklappt. Das war 1996, da war ich elf Jahre alt. Ich musste also in kein Internat, sondern konnte im gewohnten Umfeld bleiben.
flw24: Wer war Dein erster Trainer und Förderer? Und welche Position hast Du gespielt?
Marco Russ: Rainer Ochs, der Vater von Patrick Ochs. Er und Zimbo (Anm. d. Red.: Jan Zimmermann, Torwarttrainer der Eintracht) und Daniyel Cimen waren meine Mitspieler. Meine Position war im Mittelfeld, durch meine Größe wurde ich dann Manndecker, ein typischer 4er, später mit der Rückennummer 23.
flw24: 1996 – das war der erste Abstieg der Eintracht aus der Bundesliga.
Marco Russ: Das hatte für mich persönlich damals keine Auswirkung.
„Vom Azubi zum Stammspieler unter Funkel“
flw24: Wie gelang dann der Schritt zum Profifußball? Das schaffen ja nicht viele Jugendspieler, auch nicht bei der Eintracht.
Marco Russ: Ich hatte natürlich eine sehr gute Förderung in der Jugend und zwischen 1996 und 2004 alle Altersstufen durchlaufen. Mit 18 durfte ich schon bei den damaligen Eintracht Amateuren ran, 2003 war das. Und 2004 berief mich der damalige Trainer Friedhelm Funkel dann in den Profikader.
flw24: Dann war gleich das erste Jahr durch einen Erfolg gekrönt.
Marco Russ: Ja, der Wiederaufstieg in der Saison 2004/05 in die Bundesliga. Mit den jungen Alex Meier sowie Alex Huber und Christian Reinhard an meiner Seite. Wir waren quasi die Auszubildenden neben gestandenen Spielern wie Iannis Amanatidis, unserem damaligen Brasilianer Chris oder Markus Weissenberger.
flw24: Glück gehabt: Friedhelm Funkel setzte sowohl auf defensiven Fußball als auch auf Leute aus den eigenen Reihen?
Marco Russ: Ja, der Fußball Marke Eintracht war damals defensiver als heute. Er war aber auch dazu gezwungen. Die finanziellen Möglichkeiten der Eintracht waren eng gesteckt.
flw24: Wann hattest Du Deinen Durchbruch zur Stammkraft?
Marco Russ: In der Saison 2005/06, insbesondere in der Rückrunde. Am Ende der Saison standen wir im DFB-Pokalfinale gegen die Bayern.
flw24: Das war ein knappes und auch unglückliches 0-1 damals.
Marco Russ: Die waren schon damals eine Übermacht mit Spielern wie Ballack, Schweinsteiger und Kahn. Sie gewannen zwei Doubles hintereinander unter Felix Magath. Aber wir haben das gut gemacht.