Eintracht Frankfurt-Legende Manfred Binz im Interview.
Wenn Manfred Binz über Fußball redet, leuchten seine Augen: Egal, ob es um die Kinder in der Fußballschule, um Mitspieler wie Anthony Yeboah und Uwe Bein, oder um Duelle mit Raul, Zidane oder Marco van Basten geht. Und „Manni der Libero“ weiß, wovon er spricht: Mehr als 500 Spiele hat der 50-Jährige, der nie geraucht und nie Alkohol getrunken und immer noch die Statur eines Bundesligaprofis hat, zwischen 1984 und 2004 bestritten: in der 1., 2. und 3. deutschen Liga sowie im Uefa-Cup und in der Champions-League für Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund und Kickers Offenbach, in der italienischen Serie B und A für Brescia Calcio und für die U-21 und die A-Nationalmannschaft. Dabei gewann der Techniker mit seiner Eintracht den DFB-Pokal (1988), aber verlor die Deutsche Meisterschaft (1992) und das EM-Finale (1992). Aber eins wird klar, wenn man mit einer Säule der Eintracht auf eine Fußballzeitreise in die jüngere Vergangenheit geht: „Binzi“ liebt diesen Sport, begeistert sich für die Boatengs und Schweinsteigers – und ist mit sich und seiner Karriere im Reinen. Und er lüftet zwei Geheimnisse.
flw24-Redaktion: Manni, Fußball-Experten wissen, dass Du nach Deiner aktiven Spieler-Karriere zwischen 2004 und 2013 Co-Trainer bei den Kickers, dem FSV Frankfurt und dann wieder am Bieberer Berg warst. Mittlerweile ist es ruhiger um Dich geworden. Was machst Du?
„Ich bin ein Familienmensch – und habe ein Leben nach dem Fußball“
Manfred Binz: Ich arbeite in der Eintracht Frankfurt Fußballschule. Zusammen mit Charly Körbel bilden wir die Fußballstars von übermorgen aus. Das macht riesig Spaß mit den Kids. Zudem spiele ich in der Eintracht-Traditionsmannschaft und wir engagieren uns für soziale Projekte. Und dann habe ich vier Söhne, und besonders meine zwei Kleinen beanspruchen den Papa (der auch Jugend-Trainer bei seinem Heimatverein Blau-Gelb-Bockenheim ist). Außerdem bin ich ein Familienmensch.
flw24-Redaktion: Hast Du also mit dem Profi-Fußball abgeschlossen?
Manfred Binz: Als es in Offenbach vorbei war, weil wir im Team mit Trainer Arie van Lent keinen sportlichen Erfolg mehr und die Verantwortlichen bei den Kickers neue Pläne hatten, wusste ich: Es ist Zeit, zu gehen. Ich bin Niemandem böse und gehe heute noch nach Offenbach. So läuft halt das Profi-Geschäft. Es war schon immer, es ist und es bleibt ein schnelles Auf und Ab – allerdings mit immer mehr Erfolgsdruck und medialer Öffentlichkeit, und mit immer krasseren Summen, die gezahlt werden. Nach so vielen Jahrzehnten Profi-Fußball brauchst Du mal eine Pause. Und dann hatte ich mich auch noch beim Sport schwer verletzt. Ich habe also gezwungenermaßen Abstand nehmen können – und die Zeit für mich genutzt. Ich bin rausgegangen, habe alte Freunde getroffen und mich um meine Geschäfte in der Immobilienbranche gekümmert. Es gibt ein Leben nach dem Fußball. Und: Man kann ja trotzdem Sport treiben. Aber: Wenn ein Angebot kommt, bin ich natürlich verhandlungsbereit. Denn: Man kann natürlich nie aufhören, Fußballer zu sein.
„Ich bin froh, nicht in der Öffentlichkeit gestanden zu haben wie Mario Götze heute“
flw24-Redaktion: Wenn Du auf Deine Karriere zurückblickst: Bist Du froh, wie sie verlaufen ist? Oder denkst Du Dir manchmal: Mensch, ich würde gerne heute im Rampenlicht der dutzend Fernsehkameras stehen, in den immer ausverkauften modernen Fußball-Arenen auflaufen und mich auf Facebook vermarkten. Und vor allen Dingen: Hättest Du gerne so viel Millionen verdient wie die Müllers, Lahms, Lewandowskis und viele andere Bundesliga-Profis heute?
Manfred Binz: Ich bin glücklich darüber, wie meine Karriere als Spieler und Co-Trainer verlaufen ist. Denn ich habe tolle Typen kennengelernt. Besonders hervorheben möchte ich zwei Menschen meines Vertrauens: Meinen Berater Klaus Gerster und Ramon Berndroth, mit dem ich in Frankfurt und Offenbach lange Zeit zusammengearbeitet habe. Und ich habe, ohne Zahlen zu nennen, genug Geld verdient und kann mit meiner Familie ein sorgenfreies Leben führen.
Die Spieler heute verdienen zwar das Zigfache und sind Werbe- und Popikonen wie Ronaldo oder David Beckham. Und mir ist auch klar, dass ich heute bei der Leistung, die ich über Jahre geboten habe, ein paar Millionen Euro mehr verdienen würde als damals D-Mark. Und die Gehälter scheinen ja unaufhörlich weiter zu steigen – ob das gut ist, muss sich erst zeigen. Aber, wenn ich daran denke, was sich ein Weltmeister Mario Götze oder ein Mats Hummels alles anhören oder über sich lesen muss, wenn die mal ein schwächeres Spiel abliefern, dann bin ich froh, dass es zu unseren Zeiten eher ruhig war. Und dass keine 20 Fernseh-Teams und 50 Zeitungsredakteure beim Training waren und auf den nächsten Skandal gewartet haben. Und dass keine 10 Handykameras gezückt werden konnten und Bilder im Internet auftauchten, wenn wir uns im Training mal in die Haare bekommen oder abends mal gefeiert haben.
„Ich wollte nie Held sondern immer nur Vollprofi sein“
Aber: Ich habe auch selten gelesen, was über mich geschrieben wurde. Ich habe mich immer nur auf den Fußball konzentriert. Tunnelblick. Ich wollte immer nur ein Vollprofi sein – so wie die Effenbergs und Kahns. Es gibt auch im heutigen schnelllebigen Profi-Zirkus immer noch ehrgeizige und authentische Typen, die zu ihrem Verein stehen, das Profisein vorleben und als Vorbilder für die Jugend wirken so wie früher ein Bernd Hölzenbein, ein Jürgen Grabowski oder ein Charly Körbel.
flw24.de: Wer fällt Dir da spontan ein?
Manfred Binz: Bastian Schweinsteiger ist so einer. Oder Philip Lahm. Oder Jerome Boateng. Wenn man dessen Entwicklung verfolgt und sieht, dann merkt man: Da ist einer, der will alles gewinnen und tut alles dafür. Und der ist nie satt, obwohl er bereits fast alles erreicht hat als Fußballer. Und ausgesorgt hat. Das sind Fußballer auf höchstem Niveau. Alex Meier ist auch so ein Typ Vorzeigeprofi. Ich hoffe, er bleibt der Eintracht auch nach seiner Karriere als Integrationsfigur erhalten.
Zusammengefasst: Ich war letztlich nie der Typ Star oder Lautsprecher, der das Rampenlicht gesucht und in jedes Mikrofon gesprochen hat. Und ich hätte mir vermutlich auch keine Facebook-Fanpage eingerichtet. Das war nie mein Ding, das konnten andere immer besser. Trotzdem ist es beruhigend, heute zu wissen, dass man mit seiner ehrlichen Art ankam bei den Menschen – und noch heute bekannt ist. Dass ich für manche ein Vorbild und Held der Kindheit und Jugend war, darauf habe ich nie abgezielt. Aber es ist schön, das zu hören.
„Ich habe der Eintracht alles zu verdanken – auch die bitteren Momente“
flw24-Redaktion: Deine wichtigste Profi-Station: Eintracht Frankfurt?
Manfred Binz: Ja, ich habe der SGE alles zu verdanken. Aber mit ihr habe ich auch die bittersten Momente als Profi erlebt.
flw24-Redaktion: Rostock 1992? Das Scheitern des „Fußball 2000“ unter Klaus Toppmöller 1994? Und der erste Abstieg 1996?
Manfred Binz: Ja, das alles hat mich geprägt und reifer gemacht. Weil ich lernen musste, andere Charaktere und Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind.
flw24-Redaktion: Tausende Fans nicht nur meiner Generation fragen sich: Warum seid ihr 1992 kein Deutscher Meister geworden?
Manfred Binz (überlegt länger): Da spielten eine Reihe an Faktoren eine Rolle. Ich nenne bis heute keine Namen, aber: Es gab zum einen natürlich Differenzen in der Mannschaft, die voller Charakterköpfe, Alpha-Tiere und Häuptlinge war. Da wollten zu viele ansagen, wo und wie es langgeht, und das führte automatisch zu Streit. Das hat sich durch die ganze Saison gezogen.
Zum anderen konnte unser Trainer, Dragoslav Stepanovic, die beiden Lager im Team nicht mehr einen. Und letztlich war eine enorme Unruhe im Verein, da es einige wechselwillige Spieler gab und viel Geld im Spiel war, auch für die Eintracht und einzelne Personen. Das alles ergab kontraproduktive Reibungen und Grabenkämpfe und hat uns den Titel gekostet. Einen Titel, mit dem wir in der neu eingeführten Gruppenphase in der Champions League gespielt und viel Geld verdient hätten. Ein Titel, mit dem Andy Möller sicher geblieben und nicht zu Juventus Turin gegangen wäre – und wir vermutlich später nie abgestiegen wären.
Dass wir trotzdem so guten Fußball gespielt und die Meisterschaft erst am letzten Spieltag in Rostock vergeigt haben, lag an der fußballerischen Extraklasse des Teams um Ralf Weber, Uwe Bein und Andy Möller.