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„Ich habe einige Titel verpasst. Aber Weltmeister, das bleibt für immer“

Ein entspannter Frankfurter Weltmeister nach dem Benfica-Rückspiel: Uwe Bein (Foto: A. Reichwein)

Er ist einer der Weltmeister, die die Geschichte von Eintracht Frankfurt schmücken. Uwe Bein spricht über die verpassten Titel in seiner Karriere, seine neue Rolle im Verein – und gute Jahre, die unter der AG-Führung um Axel Hellmann folgen könnten.

Er war eine echte Nr. 10. Ein Edeltechniker mit dem „tödlichen Pass“. Er ist Weltmeister. Und eine Legende in Frankfurt, verewigt als eine Säule der Eintracht an der U-Bahn-Station Willy-Brandt-Platz. Uwe Bein begann seine Profi-Karriere 1978 bei Kickers Offenbach. 1984 zog es ihn zum FC nach Köln, 1987 zum HSV. 1989 wechselte der gebürtige Osthesse schließlich zur Eintracht, die er 1994 verließ. In Japan bei den Urawa Red Diamonds beendete er seine Laufbahn 1996. Danach wurde es ruhig um das einstige Mittelfeld-Genie, der in Frankfurt seine fußballerische Glanzzeit hatte, immer um die Meisterschaft spielte, aber diese nie gewann. Über seine neue Tätigkeit bei der Eintracht, die unglücklichen Umstände und verpassten Titel in seiner aktiven Zeit und erfolgreiche Jahre, die unter der neuen AG-Führung folgen könnten, spricht Uwe Bein im flw24-Interview. 

flw24: Uwe, Sie sind Mitglied der Eintracht-Delegation, die in den letzten tollen und aufregenden Monaten quer durch Europa gereist ist. Haben Sie eine Position in der Fußball-AG?

Uwe Bein: Ich bin einer der Markenbotschafter der Eintracht. Meine Aufgabe ist es, den Verein zu repräsentieren.

flw24: Was hat es mit der Markenbotschafter-Initiative auf sich: Sollen verdiente Ex-Stars den Glanz der neuen Eintracht mehren?

„Axel Hellmann legt großen Wert auf den Austausch mit uns Ex-Spielern“

Uwe Bein: Die Idee, die dahintersteckt, ist einfach: Tradition trifft auf Zukunft. Spieler mit einer Eintracht-Geschichte und mit Bezug zum Verein und zur Region sollen der Eintracht ein Gesicht auch abseits des Platzes und des Tagesgeschäfts geben.

flw24: Das heißt, der Vorwurf einiger ehemaliger Spieler, die AG-Führung lege keinen Wert auf den Rat altverdienter Spieler und bemühe sich nicht um einen guten Kontakt, greift ins Leere? Rudi Bommer ging im Interview mit flw24 im August 2016 sogar noch weiter: Unter dem Eindruck der Schaaf- und der Veh-Entlassungen sowie des Fast-Abstieges setzte er Fragezeichen hinter die Vereinspolitik der AG. Insbesondere das Modell mit den ausländischen Leihspielern ohne Bezug zur Region stellte er in Frage. Und er war skeptisch, ob Fredi Bobic als neues Gesicht der Eintracht (so hat ihn Heribert Bruchhagen im flw-Interview im Herbst 2016 bezeichnet) eingefahrene Strukturen verändern könne. Haben die Zeit, der Pokalsieg und Millionenangebote für Rebic und Co., die in Frankfurt verehrt werden, Rudi eingeholt und eines Besseren belehrt? 

Uwe Bein: Dazu, warum und wie Rudi das gemeint haben könnte, kann ich nichts sagen. Jedenfalls legt die neue AG-Führung um Axel Hellmann großen Wert auf den Kontakt mit uns ehemaligen Spielern und unsere Präsenz. Aber was mir wichtig ist: Es geht nicht um (m)eine sportliche Einmischung in die Vereins- oder Transferpolitik. Es geht nur um (m)eine Rolle als Repräsentant, die ich mir mit vielen Weggefährten von früher teile.

flw24: Vielleicht eignen Sie sich mit Ihrem Gemüt und Charakter besonders gut für so eine Rolle als Botschafter, und andere eher nicht. Mir fällt da Thomas Berthold ein: Der ist ja gerne mehr öffentlicher Kritiker der Eintracht.

Uwe Bein: Ich kann nur für mich sprechen. Ich war nie jemand, der sich in den Vordergrund gedrängt hat. Außerdem hatte ich zwischen meinem Abschied als Spieler in Frankfurt und dem Beginn meines jetzigen Engagements viel Abstand zur Eintracht. Ich hegte niemals Ambitionen, Trainer, Manager oder Berater werden und Einfluss haben zu wollen. Ich mag meine neue Rolle. 

„Ich war in meiner Karriere fast überall immer etwas zu spät“

flw24: Kommen wir zu Ihrer Spielerkarriere. Warum ging der Weg über die Kickers, den FC und den HSV so spät zur Eintracht? Sie waren damals schon 29 Jahre alt.

Uwe Bein: Ich hatte als A-Jugendlicher aus einem kleinen Verein (Anm. d. Red.: VfB Heringen) größere Chancen für mich in Offenbach gesehen, Profi-Fußballer zu werden. Mein Plan ging auch auf. Sechs Jahre lang spielte ich in der 1. und 2. Liga und konnte mich in Ruhe entwickeln.

flw24: Warum dann die Umwege über Köln und Hamburg zur SGE?

Uwe Bein: Der FC war damals eine attraktive Adresse, spielte in den 1980er Jahren immer im Europapokal. Wir verloren 1986 das Uefa-Cup-Finale gegen Real Madrid. Mit Hannes Löhr, der gleich zu Saisonbeginn 1984/85 den großen Rinus Michels, der krank wurde, beerbte, war dort ein Trainer, der auch beste Kontakte zum DFB hatte. Als dann Christoph Daum in der Saison 1986/87 übernahm und mich wissen ließ, nicht mit mir zu planen, ging ich zur neuen Saison zum HSV. Felix Magath war dort nach seinem Karriereende 1986 Manager geworden und wollte mich unbedingt haben.

flw24: Und was lief in Hamburg schief? Der Abschied folgte 1989, nach nur zwei Jahren.   

Uwe Bein: Der neue Manager, Erich Ribbeck, legte nicht viel sportlichen Wert auf mich. Er zog die Vertragsverhandlungen in der Rückrunde der Saison 1988/89 ewig hin. Das war mir aber damals auch recht, denn ich war schon auf dem Sprung zur Eintracht.

flw24: War die Zeit rückblickend trotzdem wertvoll?

Uwe Bein: Definitiv. Schade nur, dass ich fast überall immer etwas zu spät war.

flw24: Wie meinen Sie das?

Uwe Bein: Der FC gewann 1983 den Pokal, ich kam dort 1984 hin. Der HSV gewann den Pokal im Mai 1987, ich wechselte zur Saison 1987/88 im Juli nach Hamburg. Und die Eintracht holte den Pott 1981 gegen Kaiserslautern, als ich in Offenbach war. Und 1988 gegen den VfL Bochum - und ich kam im Sommer 1989 an den Main.

flw24: Das ist ja fast schon tragisch. Und mit der Eintracht sollten Sie 1992 in Rostock die Meisterschaft verpassen, diesmal auf dem Platz!

„Wir hätten als Deutscher Meister nach Rostock fahren müssen“

Uwe Bein: Vergeigt haben wir die Schale; und das nicht in Rostock! Wir hätten nur in Wattenscheid (1-1) und zuhause gegen Bremen (2-2), die noch siegestrunken vom Europapokalsieg gegen die AS Monaco in Lissabon waren, gewinnen müssen - und als Meister nach Rostock zum Schaulaufen fahren können. 

flw24: War Frankfurt trotzdem Ihre schönste Zeit?  

Uwe Bein: Am Anfang schwierig und dann schön, ja. Die Eintracht hatte nach dem Uefa-Cup-Sieg 1980 und dem Pokalsieg 1981 einen enormen Bruch zu verkraften. Wichtige Weltklasse-Spieler wie Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Bruno Pezzey oder Bum Kun Cha hörten auf oder gingen nochmal woanders hin. Auch junge Spieler wie Thomas Berthold wechselten. Die Eintracht musste in der Saison 1983/84 gegen den MSV Duisburg und 1988/89 gegen Saarbrücken gleich zweimal die Relegation spielen. Bernd Hölzenbein, der nach seinem Amerika-Abenteuer 1988 zurückkam und als Vize-Präsident Manageraufgaben übernahm, hatte dann die Idee, Spieler aus der Region zurück zu holen. Ich gehörte dazu.

flw24: Es passte doch eigentlich alles. Die Eintracht spielte mit Ihnen und einem Dream-Team von 1989 bis 1995 den sogenannten „Fußball 2000“ - und immer um die Meisterschaft und im Europapokal. Wenn auch Titel ausblieben. Woran lag das Ihrer Meinung nach?

„Es gab zu meiner Zeit immer Theater bei der Eintracht“

Uwe Bein: Es ist im Grunde kaum erklärbar. Es war damals trotz der Erfolge immer Theater und Unruhe im Verein. Davon zeugen ja drei Trainer in nur 5 Jahren: Jörg Berger († 2010), Dragoslav Stepanovic und Klaus Toppmöller.

flw24: Manni Binz spricht in unserem flw24-Interview rückblickend auch von Streit im Team.  Und von Grüppchenbildung, die den Erfolg gekostet hätten. Worum ging es damals?

Uwe Bein: Darum, dass mehrere Spieler das Sagen haben wollten. Es gab verschiedene Gruppen und Spannungen, ja.

flw24: Und wer hatte das Sagen?

Uwe Bein: Das ist alles lang her und man muss das heute nicht mehr aufwärmen. Aber wer die Geschichte der Eintracht kennt, hat das alles sicher noch in Erinnerung. Und was wichtig war damals: Wir spielten ja trotzdem guten Fußball als Team auf dem Platz!

flw24: Es wurde damals in der Presse oft von einem Konkurrenzverhältnis zu Andi Möller geschrieben.

Uwe Bein: Ich hatte mit keinem Mitspieler Probleme, und mit Andi habe ich mich immer gut verstanden, damals wie heute. Manche Journalisten lagen einfach daneben.

flw24: Und in der Saison 1993/94, unter „Toppi“: Wo war nach dem Startrekord mit 20:2 Punkten der Bruch?

Uwe Bein: Ich denke, es war Tony Yeboahs Verletzung im Februar 1994. Wir waren zu abhängig von seinen Toren. Alles, was danach kam, mit den Entlassungen von Toppi und Uli Stein nach dem Spiel in München gegen die Bayern im April, folgte dem bekannten Muster: Unruhe, Misserfolg, Schuldige suchen.

„Der Umgang mit Bernd Hölzenbein nach dem Abstieg war ungerecht“

flw24: Die Reputation der Eintracht damals litt sehr. Vom zwielichtigen Skandalverein war die Rede.

Uwe Bein: Ja, und nach dem Abstieg 1996 wurden dann Schuldige gesucht. Und mit „Holz“ (Anm. d. Redaktion: Bernd Hölzenbein) glaubten einige Mitverantwortliche dann den Alleinschuldigen gefunden zu haben. Ich habe den Umgang mit Bernd damals aus der Entfernung als sehr ungerecht empfunden. Was man ihm da rund um den Yeboah-Transfer alles unterstellt und vorgeworfen hat. Schulterklopfer von einst haben ihn fallen lassen.

flw24: Sie spielen darauf an, dass sich damalige Präsidiumsmitglieder aus der Verantwortung stehlen wollten?

Uwe Bein: Auch hier: Jeder, der die Geschichte der Eintracht kennt, weiß, was ich meine.

flw24: Warum sind Sie 1994 gegangen? Die Eintracht war ja immer noch oben dabei.

Uwe Bein: Mein Vertrag war ausgelaufen. Die Eintracht wollte mir damals nur noch einen Ein-Jahres-Vertrag anbieten. Und das vorliegende Angebot aus Japan war zu lukrativ. Damals boomte der Fußball dort, denn die WM 2002 war gerade nach Japan und Südkorea vergeben worden. Mir war klar, dass ich dort noch zwei, drei Jahre Fußball spielen konnte. 

„Der Weltmeistertitel bleibt für immer“

flw24: Sie sagen, Sie haben einige Titel verpasst. Aber den größten, den es gibt, haben Sie gewonnen: Weltmeister in Italien 1990. Damit sind Sie nach „Don Alfredo“ Pfaff, „Grabi“, „Holz“ und Andi Möller der fünfte im Bunde der Eintracht-Weltmeister. Und Thomas Berthold sollte man auch dazu zählen.

Uwe Bein: Stimmt! Aber auch in Italien hatte ich etwas Pech. Ich war als Stammspieler gesetzt und bestritt alle drei Vorrundenspiele im Guiseppe-Meazza-Stadion über die kompletten 90 Minuten. Im Achtelfinale gegen Holland saß ich dann auf der Tribüne.

flw24: Warum das?

Uwe Bein: Aus taktischen Gründen. Der Teamchef (Anm. d. Red.: Franz Beckenbauer) wollte einen kopfballstarken Mittelfeldspieler gegen die kopfballstarken Holländer um Ruud Gullit aufbieten. Ich war nur sauer, dass der Franz mir das vor dem Spiel nicht persönlich gesagt hat. Aber wir haben dann später in einem guten Gespräch die Irritationen ausgeräumt - Wir verstehen uns bis heute prima und ich bin Franz immer dankbar, dass er mich ins Team geholt hat damals. Gegen die damalige Tschechoslowakai im Viertelfinale spielte ich dann wieder von Beginn an. Ich hatte das 2-0 auf dem Fuß und vergab. Wenig später ging ich in einen Zweikampf, in den ich in einem weniger engen Spiel nie gegangen wäre. Dabei verletzte ich mich und musste Mitte der 2. Halbzeit raus. Gegen England in Turin saß ich noch etwas angeschlagen, gegen Argentinien im Finale von Rom dann wieder fit auf der Bank. Aber egal, wie die Umstände waren: Dieser Titel bleibt für immer.

flw24: Schließen wir mit der Eintracht 2019. Die Mannschaft scheint müde nach dem phantastischen Trip von Donezk über Mailand und Lissabon bis nach Chelsea. Geht die Reise kommende Saison trotzdem wieder heim nach und durch Europa?

Uwe Bein: Keiner weiß, was am Samstag zum Saisonfinale in München passiert! Da ist ja noch alles möglich. Aber, unabhängig davon, auf welchem Rang das Team am Ende landet: Der Weg, den Eintracht Frankfurt eingeschlagen hat, ist richtig und erfolgreich, weil Sachverstand, Weitsicht und das nötige Glück zusammenkommen, die man im Profigeschäft Fußball braucht. Ich hoffe, sie verpflichten Rode, Trapp und Hinteregger nach der Saison und bauen eine Mannschaft auf, die bald wieder und dann dauerhaft europäisch spielt - wie wir damals.

flw24: Axel Hellmann ist Frankfurter und Eintrachtler durch und durch. Aber was passiert, wenn Fredi Bobic eines Tages nach Dortmund, München oder Leipzig geht?

Uwe Bein: Das ist Spekulation. Aber selbst wenn das passiert, gehen die Verantwortlichen den Weg weiter. Es könnten gute Jahre vor der Eintracht liegen.

flw24: Uwe, vielen Dank für diesen Streifzug durch die Eintracht-Geschichte und Ihre Karriere. Unsere Leser*innen werden sicher Spaß haben. Ihnen alles Gute – und uns Europa.

Das Interview für flw24 führte Alex Reichwein.

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