Interview mit dem Präsidenten Peter Fischer.
Seit August 2000 ist „der Lange“ der eigentliche Kapitän des Eintracht-Schiffes. Kein Präsident des Traditionsvereins kann auf eine solch lange Amtszeit zurückblicken, wie Peter Fischer dies irgendwann einmal tun wird. Der im hessischen Lich geborene Frankfurter bezeichnet die Eintracht als „seine Familie“ und ist „stolz, Präsident dieses Vereins zu sein“. Und er erreicht und bewegt die Menschen mit seiner emotionalen und mitreißenden Art. Doch der Selfmademan polarisiert auch. Thomas Kilchenstein schrieb 2009 in der Frankfurter Rundschau: „Am Blonden scheiden sich die Geister“. Die einen sehen in Fischer den kühlen Strategen und Machtmenschen, der sich zunächst seine Hausmacht im Verein aufgebaut hat. Der mittlerweile die Strukturen der Fußball-AG und der Vereinssatzung nutzt. Und der als Präsident auch im Aufsichtsrat sitzt und bei allen Entscheidungen des höchsten Gremiums gefragt werden muss und mitbestimmt. Die anderen feiern den ehemaligen Eintracht-Basketballer als volksnahen Gefühlsmenschen. Einen, der im Schatten der mächtigen AG die Interessen des Vereins und der Basis vertritt. Und auch als sozialen Wohltäter für die Opfer der Tsunami-Katastrophe in Thailand 2004, die er überlebte. Die Fans lieben ihren schillernden Präsidenten. Seine triumphale 5. Wiederwahl im Januar 2015 für weitere drei Jahre war eine 99-Prozent-Angelegenheit. Denn Peter Fischer bezieht klare und auch kontroverse Positionen. Fakt ist: In die Ära Fischer fallen nicht nur drei Abstiege (2001, 2004 und 2011). Er ist maßgeblich mitverantwortlich für den Aufbau eines hochmodernen Leistungszentrums am Riederwald (wo einst ein marodes Gelände war), für den Aufbau der großen und einflussreichen Fan- und Förderabteilung sowie für den Anstieg der Mitglieder von knapp 5.000 auf mehr als 30.000 – und für allerhand sportliche Bewegung. Und über die könnte der mächtig(st)e Mann bei Eintracht Frankfurt in Zukunft noch mehr mitbestimmen.
flw24: Lieber Herr Fischer. Danke, dass Sie sich nach dieser nervenaufreibenden und anstrengenden Saison und trotz der vielen Baustellen rund um die sportliche Zukunft von Eintracht Frankfurt Zeit für uns nehmen. Ich habe mit Eintracht-Legende Manfred Binz und Ihrem Vorgänger, Rolf Heller, über die wilden Eintracht-Zeiten in den 1990er Jahren, über Abstiege und über „drohende Untergänge“ sowie „Wunder vom Main“ gesprochen.
Peter Fischer: Lassen Sie uns nicht zurückblicken und über die Vergangenheit sinnieren. Ich möchte auch nicht mehr über entlassene Trainer sprechen, dazu ist alles gesagt. Lassen Sie uns vielmehr nach vorne blicken und über die Zukunft der Eintracht sprechen.
flw24: Gerne. Beginnen wir mit dem Positiven: Die Eintracht hat für die kommende Saison 27.000 Dauerkarten verkauft. Ist der Eintracht-Fan beides: Leidensfähig und leidenschaftlich?
Peter Fischer: Es war eine riesige Nachfrage nach Dauerkarten! Unsere Vereinsmitglieder haben das exklusive Vorkaufsrecht genutzt und die 1.000 zusätzlichen Tickets in nicht einmal einer Stunde gekauft. Wir hätten theoretisch 35.000 Dauerkarten verkaufen können. Aber es gibt einen guten Grund für die Reglementierung. Auch Fans, die nur ab und zu das Erlebnis eines Stadionbesuchs genießen wollen oder können, müssen zum Zug kommen und Spiele sehen können. Mit Sicherheit gehört unsere Fanszene zu den leidenschaftlichsten in der Liga. Leider schafft die Eintracht manchmal auch Leiden, ja! Aber es ist toll zu sehen, wie groß die Eintracht-Gemeinde ist. Der Zuspruch ist ungebrochen. Und was mich sehr positiv stimmt: Immer mehr Fans verstehen die brutalen Regeln des Wettbewerbs in der Bundesliga: Ein Städtewettkampf, bei dem die Eintracht mitmischt, aber auch an ihre Grenzen stößt.
„Der sofortige Wiederaufstieg wäre nicht garantiert gewesen“
flw24: Sie meinen, dass immer mehr Fans akzeptieren müssen, dass eine Eintracht-Mannschaft immer mal wieder um die sportliche Existenz kämpft? Was hätte ein Abstieg 2016 bedeutet?
Peter Fischer: Wir werden alles tun, um Eintracht Frankfurt in der höchsten Spielklasse zu etablieren. Sportlich wäre der Abstieg eine Katastrophe gewesen, da der sofortige Wiederaufstieg wie nach den vergangenen Abstiegen nicht garantiert gewesen wäre. Zwar wären sicherlich viele unserer Fans treu geblieben und auch zu Zweitligaspielen ins Stadion geströmt. Aber ich bin froh, dass ihnen dies erspart bleibt.
fflw24: Und die finanziellen Folgen? Oliver Frankenbach, Vorstandsmitglied für das Ressort Finanzen, hat im Vorfeld des möglichen sportlichen Supergaus die Einbußen mit 70 Millionen Euro beziffert.
Peter Fischer: Unsere finanzielle Situation hätte keine Investitionen wie in der Zweitligasaison 2011/2012 zugelassen. Ein Verharren in der 2. Liga wäre also ein durchaus realistisches Szenario gewesen. Und denken Sie an die Folgen für den Gesamtverein. Wir haben 17 Abteilungen, betreiben über 50 Sportarten und haben insgesamt mehr als 300 Angestellte. Wir hätten Budgetkürzungen vornehmen und Mitarbeiter entlassen müssen. Mal ganz zu schweigen von dem Imageschaden für unsere Stadt, deren Selbstverständnis als europäische und weltoffene Metropole kaum mit Zweitligafußball in Verbindung zu bringen ist. Tatsache ist, dass wir die abgelaufene Saison genau analysieren und einige Dinge hinterfragen, um die richtigen Schlüsse aus der brenzligen Situation zu ziehen.
„Ich wäre nicht zurückgetreten“
flw24: Wären Sie zurückgetreten?
Peter Fischer: Nein! Denn das wäre das falsche Signal gewesen. Gemeinsam mit meinen Kollegen im Verein und im Vorstand der Fußball AG, habe ich eine Verantwortung gegenüber dem Verein. Und wir stehen seit Jahren für Stabilität und Seriosität im Management und in der Vereinsführung. Das wirft man nicht so einfach weg.
flw24: Es war im März und April der abgelaufenen Saison, als die Eintracht im freien Fall und ein Trainerwechsel die logische, für viele Beobachter allerdings viel zu späte Konsequenz war, sehr ruhig um Sie geworden. Medien berichteten, Peter Fischer verließe das Haus nicht mehr. Wie groß war der Druck auf Sie? Gab es Rücktrittsforderungen an Ihre Adresse?
Peter Fischer: Heutzutage ist es nicht schwer, anonym im Internet Kritik zu üben: „Die da oben sind schuld, die haben alle keine Ahnung, die müssen alle weg“. Das lasse ich nach all den Jahren im Geschäft nicht mehr an mich rankommen. Meine Kollegen und ich, wir sind selbstkritisch und machen uns jeden Tag Gedanken um die Zukunft des Vereins. Wir sind nicht fehlerfrei, geben aber alles für Eintracht Frankfurt. Und wir haben auch Ahnung von der Sache.
„Heribert Bruchhagen ist für den Verein nicht zu ersetzen“
flw24: Viele im Umfeld der Eintracht haben die Arbeit des zum 31. Mai 2016 geschiedenen Vorstands-Vorsitzenden Heribert Bruchhagen immer wieder kritisiert. Er hat das sinkende Schiff Eintracht Frankfurt 2003 übernommen und zusammen mit Thomas Pröckl auf finanziell gesunde Füße gestellt. Anschließend war er das Gesicht der Eintracht in der Öffentlichkeit. Und trotzdem wurde bis zuletzt immer wieder der Vorwurf laut, Heribert Bruchhagen sei „zu konservativ“ gewesen und habe „zu wenig Geld für Spieler ausgegeben“ und „zu wenig Mut bewiesen“. Welche Bedeutung hat der Fußball-Experte Bruchhagen für die Eintracht?
Peter Fischer: Heribert Bruchhagen ist für uns nicht zu ersetzen. Er ist ein Kind der Bundesliga. Er war Profi, Trainer und Manager bei drei Traditionsclubs – HSV, Schalke 04 und der Eintracht. Als ehemaliger Stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga und Mitglied im Vorstand der DFL hat er ein großes Netzwerk, das der Eintracht sehr gut getan und Türen geöffnet hat. Mit seiner Erfahrung und seinem Sachverstand im Fußball-Geschäft war er ein großer Teil des Erfolges von Eintracht Frankfurt in den letzten 13 Jahren. Er steht für Dinge, die es vor seiner Zeit im Verein nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben hatte: Seriosität, Kontinuität und die Bereitschaft zur konstruktiven Auseinandersetzung. Und: Heribert hatte jene ruhige Hand, die den Verein auch durch manche stürmische Gewässer sicher navigierte - trotz des Abstiegs im Jahr 2011, der ihn sehr mitgenommen hatte. Auch die Struktur der Fußball-AG hat er maßgeblich mitgestaltet. Ich persönlich kann sagen, ich habe einen Freund fürs Leben gewonnen.
flw24: Das klingt nach großem Lob, mit dem Bruchhagen aus allen Ecken der Fußballrepublik oftmals bedacht wird. Aber auch so, als schwinge ein Aber mit?
„Heribert war am Ende froh, den Staffelstab an eine neue Generation abzugeben“
Peter Fischer: Die Veränderungen in der Liga und im Wettbewerb sind seit Jahren enorm. Es geht um immer mehr Geld, es wird vieles immer mehr medial ausgeschlachtet. Diese Entwicklung hat Heribert nur schweren Herzens akzeptiert. Nach fast 13 intensiven Jahren und dem geglückten Klassenerhalt unserer Profis wird er auch ein Stück weit erleichtert sein, den Staffelstab nun abzugeben an eine neue Generation, die nun Verantwortung übernehmen muss. Die Ära Bruchhagen ist glücklicherweise gut ausgegangen, und das hat Heribert verdient! Der Montagabend in Nürnberg, als er nach dem Schlusspfiff des Relegationsrückspiels jeden einzelnen Spieler und Verantwortlichen umarmte, war genau der richtige Moment, aufzuhören. Dieser Moment wird immer ein Stück Eintracht Frankfurt bleiben.
flw24: Und was ist mit der Kritik an einer „zu konservativen“ Einkaufspolitik?
Peter Fischer: Der Vorwurf ist falsch und unsinnig. Auch Heribert Bruchhagen unterlag in der Fußball AG einem Aufsichtsrat, der die finanziellen Grenzen absteckt. Er hat diese Grenzen voll ausgeschöpft und stets richtig gehandelt im Sinne des Vereins und zum Wohle der Eintracht.
flw24: Muss man sich Sorgen machen um die offenbar sehr engen finanziellen Spielräume bei Eintracht Frankfurt?
„Sebastian Rode kostet 35 Millionen im Paket“
Peter Fischer: Nein! Die Eintracht steht wirtschaftlich auf gesunden Beinen und schöpft den Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten voll aus. Wir haben keine Schulden, müssen keine Darlehen bedienen und sind liquide. Es geht uns gut – aber auf niedrigem Niveau. Oft höre ich in den letzten Tagen, wir hätten Sebastian Rode zurückkaufen müssen. Das zeugt von Träumerei, die bei Fans legitim ist, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass Sebastian Rode bei einem Vier-Jahres-Vertrag mittlerweile 35 Millionen Euro kosten würde. Das Geld haben wir nicht.