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Edeltechniker Ervin Skela: „Ich wollte schon 2005 wieder zurück zur Eintracht“

Von Alex Reichwein

 

Auf den ersten Blick sieht seine Karriere wie die eines „Wandervogels“ aus. Ervin Skela kam auf ungewöhnliche Weise nach Deutschland und hatte dort viele Stationen. Wenn man dem Edeltechniker aber zuhört, wird klar: Hier spricht Jemand, für den Fußball mehr als nur Tore, Punkte und Geld ist. Der trotz aller Widrigkeiten seinen Weg gegangen ist. Und der sein Glück im zweiten Anlauf bei seinem „Herzensverein“ Eintracht Frankfurt gefunden hat.

 

Er hat neben seinem Heimatverein KS Flamurtari Vlora für Union Berlin, Erzgebirge Aue, den Chemnitzer FC, Waldhof Mannheim, Eintracht Frankfurt, Arminia Bielefeld, den 1. FC Kaiserslautern, Ascoli Calcio und Energie Cottbus Profifußball sowie 75mal für sein Heimatland Albanien gespielt. Im flw24-Interview spricht der 1976 in Vlora geborene Ervin Skela über einen unbekannten Mann, der ihm den Weg in den Profifußball in einem fremden Land geebnet hat. Über die vielen Unwägbarkeiten im Geschäft. Und über Fußball als Herzensangelegenheit, die der heutige Trainer Kindern und Jugendlichen vermitteln möchte.

 

flw24: Ervin, welche Rolle spielte Fußball in Deiner Kindheit in Deiner Heimat?

Ervin Skela: Ich habe mit 8 Jahren angefangen, Fußball zu spielen. Der Fußball war neben der Schule alles für uns. Wir konnten wegen der politischen Situation nicht reisen. Es gab keine Visa. 

flw24: Aber der Fußball hat Dir später genau das ermöglicht.

Ervin Skela: Mit der albanischen U17-Nationalmannschaft bin ich zum ersten Mal raus aus Albanien gekommen. Nach Österreich. Das war 1994. Ich habe zwei Tore geschossen. Anschließend hat mich ein mir fremder Mann angesprochen, dass ich meinen Weg machen könne. Ein Jahr später, diesen Zufall muss man sich mal vorstellen, kam dieser Mann mit seiner Firma nach Albanien und hat sich nach mir erkundigt. Er hat dann einen Kontakt zu Union Berlin hergestellt.

 

„Ich habe einem mir fremden Mann die Reise nach Deutschland zu verdanken“

 

flw24: Berlin war Deine erste Station in Deutschland! Wie genau lief das ab?

Ervin Skela: Mit 18 bekam ich endlich meinen Pass, einen italienischen. Denn meine Mutter, eine Ärztin, ist Italienerin. Als EU-Spieler konnte ich reisen. Der Mann hatte mir die Tickets bezahlt. Denn obwohl mein Vater Ingenieur war, konnten wir uns so etwas nicht leisten. Nach der Kontaktaufnahme durch Union und einigen Gesprächen habe ich am Flughafen Tegel 1995 meinen ersten Vertrag in der damaligen Regionalliga Nord-Ost (Anm. d. Red.: die 3. Liga gab es noch nicht) unterzeichnet.

flw24: War der Mann dabei?

Ervin Skela: Nein. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich konnte mich nie bei ihm bedanken.

flw24: Wer hat Dir in Deutschland zu Beginn geholfen?

Ervin Skela: Ich war zunächst auf mich allein gestellt, ich kannte ja Niemanden. Der damalige Trainer bei Union war Hans Meyer. Er war während meines einwöchigen Probetrainings gleich begeistert von mir. Das war meine Chance. Ich hatte mich gut präsentiert und mich ganz auf Fußball konzentriert. Ich denke auch, die Verantwortlichen haben gleich gemerkt, dass ich mir einen Traum verwirklichen möchte und den Fußball liebte. Fußball war und ist mein Leben.   

 

 „Deutschland war meine Chance und mein Traum“

 

flw24: Warum waren es dann gleich drei Ostvereine, für die Du gespielt hast?

Ervin Skela: Union hatte schon am Ende der Saison 1994/95 vom DFB keine Lizenz für den Profifußball in der 1. oder 2. Bundesliga erhalten. 1997 war der Verein dann finanziell so angeschlagen, dass Gehaltszahlungen ausblieben. Meyer war längst entlassen worden, es gab keine gute sportliche Perspektive. Sergej Barbarez und Marco Rehmer, später ja auch mal bei der Eintracht, hatten den Verein verlassen. Ich hatte keinen Berater, meine Eltern waren noch in Albanien, ich sprach kaum Deutsch. Dann hat mich Aue, ebenfalls in der Regionalliga Nord-Ost, kontaktiert. Da habe ich nicht lange überlegt. Obwohl ich gar nicht wusste, wo genau Aue liegt.

flw24: Und dann ging es ab 1999 weiter, über Chemnitz (1999-2000) nach Mannheim (2001) auf den Waldhof.

Ervin Skela: Chemnitz war damals in die 2. Liga aufgestiegen. Der damalige Trainer Christoph Franke suchte einen Spielmacher. Den gleichen Fall hatte ich dann bei meinem Wechsel nach Mannheim. Chefcoach Uwe Rapolder wollte mich. Wir haben den Aufstieg in die 1. Bundesliga nur ganz knapp am letzten Spieltag verpasst.

flw24: Das klingt nach einem Weg, der nach oben ins Fußball-Oberhaus führen sollte. Warum bist Du dann nach Frankfurt gegangen? Die waren im Sommer 2001 gerade nach einer katastrophalen Saison mit den Trainern Felix Magath, Rolf Dohmen und Friedel Rausch abgestiegen.

 

„Ich hatte 2001 Angebote aus der 1. Liga. Frankfurt aber war mein Ziel“

 

Ervin Skela: Ich hatte Angebote aus Bochum und Köln. Das Bemühen durch den damaligen Scout Charly Körbel, die Tradition der Eintracht und die sportlichen Aussichten, die mir der damalige neue Trainer Martin Andermatt offeriert hatte, haben mich überzeugt.

flw24: Es war eine bewegte Zeit damals bei der Eintracht. Nach dem undurchsichtigen Abgang des Hauptsponsors Octagon drohten gar der Lizenzentzug und der Amateurfußball. Die Eintracht blieb zwei Jahre (2001/02 und 2002/03) zweitklassig und war nur mit Hilfe eines Sponsorenpools aus RMV, Fraport, Mainova und der Messe Frankfurt finanziell handlungsfähig geblieben. Aus heutiger Sicht, die Eintracht spielt in der Champions League, ist das unvorstellbar.

Ervin Skela: Als Spieler bist Du auf den Fußball fokussiert. Wir hatten abseits des Platzes Dr. Thomas Pröckl oder den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Volker Sparmann oder den neuen Präsidenten Peter Fischer. Die haben die Dinge wieder geregelt.

 

„Wir haben auf Gehalt verzichtet, um in schweren Zeiten der Eintracht zu helfen“

 

flw24: Was konntet ihr Spieler neben Toren beitragen?

Ervin Skela: Wir Spieler, unter anderem Albert Streit oder Rolf-Christel Guié-Mien, haben Gehaltskürzungen akzeptiert oder Angebote anderer Vereine abgelehnt und sind geblieben. Es galt, in schweren Zeiten zu helfen. Am Ende stand dann ja auch der Aufstieg unter Willi Reimann 2003 und der Beginn des Wiederaufbaus unter Heribert Bruchhagen.

flw24: Am Ende der Saison 2003/04 stand dann aber gleich wieder der Abstieg der Eintracht, der dritte nach 1996 und 2001. Reimann wurde entlassen. Es waren wilde Jahre damals.

Ervin Skela: Ioannis Amanatidis, der in der Winterpause kam, kam zu spät. Ich wollte unbedingt in der 1. Liga bleiben und haben dann ein Angebot aus Leverkusen angenommen.

flw24: Um dann in Bielefeld zu spielen?

Erwin Skela: Ich weiß nicht, warum der Vertrag nicht zustande kam in Leverkusen. Ich bin jedenfalls wieder dem Ruf von Uwe Rapolder auf die Alm gefolgt. Dort hatte ich einen Einjahresvertrag. 2005 wollte ich dann zurück zur SGE. Das hat aber leider nicht geklappt.

 

„Ich wollte 2005 zurück zur SGE – eine zweite Chance erhalten und nutzen“

 

flw24: Weil?

Ervin Skela: Das weiß ich nicht. Am Geld lag es nicht.

flw24: Warst Du enttäuscht?

Ervin Skela: Ja. Ich wollte eine zweite Chance und mich wieder beweisen. Ich war topfit, fühlte mich fußballerisch besser als in meiner ersten Zeit in Frankfurt und überzeugt davon, dass ich mit der Mannschaft die erste Liga, in die Friedhelm Funkel wieder aufgestiegen war, halten kann. Amanatidis, Christoph Preuß, Jermaine Jones oder Marco Russ sind auch mal weg und dann wiedergekehrt. Jedenfalls hat mir der 1. FCK dann einen Dreijahresvertrag angeboten. Nach dem Abstieg, ausgerechnet im WM-Jahr 2006, waren die finanziellen Mittel dann weg und ich musste gehen. Ich hatte keinen Vertrag für die 2. Liga. Das war ein Fehler. Hier machte sich bemerkbar, dass mir ein Berater fehlte, der solche Dinge vorab regelt.

flw24: War die Station Ascoli mit nur 7 Spielen ein weiterer Fehler?

Ervin Skela: Nein, es war eine schöne Erfahrung. Aber auch hier sind Dinge geschehen, die ich nicht beeinflussen konnte. Der Trainer, der mich wollte, wurde nach elf Spieltagen entlassen.

flw24: Cottbus war dann versöhnlich für Dich?

Ervin Skela: Ja. Ich bin im Winter 2006/07 hin und habe fast immer gespielt. Den Abstieg 2009 konnten wir dann nicht verhindern.  

 

„In Hanau habe ich gelernt, wie glücklich man Menschen mit Fußball machen kann“

 

flw24: Du hast dann nach Koblenz, wohin Dich zum dritten Mal Uwe Rapolder geholt hat, fünf Jahre Amateurfußball in Hanau gespielt.

Ervin Skela: In Hanau habe ich gelernt, wie glücklich die Menschen waren, dass ich da war. Ich konnte helfen, Sponsoren zu gewinnen und meine Erfahrung jungen Spielern mitgeben. Es war ein sehr familiäres Klima dort und hat Spaß gemacht.  

flw24: 2015 begann dann ein neuer Abschnitt für Dich – als Trainer.

 

„Charly Körbel hat es mir ermöglicht, zurückzukommen – und Trainer zu werden“

 

Ervin Skela: Ich habe 2015 in der Fußballschule von Charly Körbel angefangen. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht mir große Freude. Hier kann ich meine Liebe zum Fußball ausleben und zum Beruf machen. Und das in meinem Verein.

flw24: Und seit 2020 bist Du im Leistungszentrum am Riederwald für U-Teams mitverantwortlich. Und hast Deinen Vertrag so eben bis 2025 verlängert.

Ervin Skela: Genau. Zunächst war ich 2020/21 Co-Trainer und dann 2021/22 Chef-Trainer der U17. Seit der laufenden Saison bin ich Co-Trainer von Damir Agovic bei der U19.

flw24: Du bist als Individual- und Techniktrainer gefragt. Was sind Deine anderen Stärken? Was macht Dich zu einem guten Jugend- und Nachwuchstrainer? Was wünschst Du Dir als Trainer?

Ervin Skela: Ich möchte den jungen Menschen neben fußballerischen Fähigkeiten auch Tipps für das Leben mitgeben. Wie man sich verhält auf und neben dem Platz, wie man arbeitet, welche Einstellung man braucht als Profi. Ich möchte ihnen meine Erfahrungen, mit Nichts zu beginnen, Rückschläge wegzustecken und den Traum Fußballprofi zu verwirklichen und zu leben, mitgeben. Außerdem habe ich ein Gespür für Mentalitäten. Bei der Eintracht sind wir wie die Stadt Frankfurt: international und offen. Bei uns spielen viele verschiedene Kulturen zusammen. Da möchte ich als Ausländer helfen, zu integrieren. Mir ist das gelungen. Heute bin ich auch Repräsentant der Eintracht. Das macht mich stolz.     

flw24: Was macht Dich zufrieden und glücklich in Deinem Beruf?

 

„Eine SMS eines weggegangenen Spielers macht mich glücklich“

 

Ervin Skela: Eine SMS eines Spielers, der bei uns ausgebildet wurde, dann weg ist und mir schreibt: „Trainer, ich bin jetzt hier, aber das, was Du mir mitgegeben hast, hilft mir hier“.

flw24: Du sprichst Spieler, die bei der Eintracht ausgebildet werden und dann weggehen, anstatt den Sprung in den Profikader zu schaffen an. Die Eintracht hat Welt- und Europameister wie Andy Möller und Thomas Berthold ausgebildet - und dann verloren. Marco Marin, Emre Can und Niklas Süle sind durch die Jugendmannschaften am Riederwald gegangen. Der Kicker titelte jüngst, die Eintracht habe keine Talente. Übersieht man manchmal Talente, die anderswo entdeckt werden? 

Erwin Skela: Wir haben hier im Leistungszentrum ein super Team mit Alexander Richter als Leiter des gesamten Zentrums und Patrick Ochs als Sportlichem Leiter für die U16 bis U21 sowie ein langfristig angelegtes Konzept. Wir wollen Jungs bestenfalls auf dem Weg nach oben ausbilden, begleiten und an den Profikader heranführen. Manchmal ist auch eine Ausleihe, das zeigt der Fall Luca Waldschmidt, sinnvoll. Luca hatte in Frankfurt die „Büffelherde“ vor sich und es eben erst in Freiburg geschafft. Im Kicker stand mal „Eintracht: Talente – 0“. Das müssen wir ändern. Daran arbeiten wir. Da muss stehen: „Eintracht: Talente – 3 oder 4“.

 

Das Interview für flw24.de führte Alex Reichwein.

 

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