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Ex-Adler und 04er David Wagner: „Trotz des UEFA-Cup-Sieges bin ich immer realistisch geblieben“

"Back to the roots": David Wagner am Leistungszentrum Riederwald (Foto: Alex Reichwein)

Von Alex Reichwein


Man bringt ihn nicht sofort mit Frankfurt in Verbindung. Dabei ist er 1971 dort geboren, verbrachte seine Kindheit in der Schweizer Straße und bezeichnet die Metropole als seine Heimatstadt. Und spielte für die Eintracht. David Wagner ist ein Beispiel für das Auf und Ab im Profi-Fußballgeschäft. Der studierte Lehrer spricht über einen UEFA-Cup-Triumph, die Premiere League und Entlassungen.

David Wagner hat im Fußball alles erlebt. Vereins- und Trainerwechsel. Auf- und Abstiege. Titel, Erfolge und Entlassungen. Die Visitenkarte lässt sich sehen: Als Spieler war er für Eintracht Frankfurt, Mainz 05, Schalke 04, Waldhof Mannheim und Darmstadt 98 aktiv. Als Trainer saß er bisher in Hoffenheim und beim BVB, in Huddersfield sowie auf Schalke und bei den Young Boys Bern auf der Bank. 1997 gewann er mit den „Euro-Fightern“ den UEFA-Cup. Er ist Aufstiegs-Trainer in die Premier League und spielte 8mal für die USA. Heute sagt der Frankfurter Bub, der erst im Alter von 13 Jahren in der C-Jugend bei seinem Heimatverein SV Geinsheim 07 (bei Darmstadt) das Fußballspielen begann, im flw24-Interview: „Ich muss mir keine Sorgen machen - und bin offen für das, was kommt.“
 


flw24: David, welche erste Erinnerung an die Eintracht hast Du?

David Wagner: Ich habe als Kind, ich war so um die 10 Jahre alt, mein erstes Spiel im Waldstadion gesehen. Gegen den 1. FC Saarbrücken. Mit meinem Onkel, der glühender Adler ist. 

flw24: Man sagt, ihr hättet mit der A-Jugend der Eintracht Geschichte geschrieben.

David Wagner: Ja. Wir wurden in der Saison 1988/89 nicht Hessenmeister. Dieser Titel ging in dieser Zeit eigentlich immer an den Riederwald. Eine Saison später konnten wir das aber wieder gutmachen. 

flw24: Dass es mit der Profi-Karriere bei der Eintracht nicht geklappt hat, hat aber andere Gründe?

David Wagner: Ich habe zwei Jahre in der A-Jugend und dann bei den Amateuren gespielt. Jörg Berger hat mich dann in der Rückrunde der Saison 1990/91 in den Profikader geholt. Gegen den VfL Bochum am 16. März 1991 wurde ich eingewechselt. Für einen gewissen Anthony Yeboah.

flw24.de: Und dann?
 

„Gegen Stürmer wie Anthony Yeboah oder Axel Kruse hatte ich keine Chance“

 

David Wagner: Berger wurde vier Spieltage später, nach einem 0-6 gegen den HSV, entlassen. Dragoslav Stepanovic kam und sortierte mich wieder aus. Gegen Stürmer wie Tony, Lothar Sippel, Dieter Eckstein, Axel Kruse und Jörn Andersen hatte ich keine Chance, mich durchzusetzen. Aber allein das Jahr Training war toll. Der spätere „Fußball 2000“ wurde da geboren.   

flw24: Jörg Berger sollte später noch eine wichtige Rolle für Dich spielen.

David Wagner: Ja. Aber die vielleicht wichtigste Trainerfigur für mich war Hubert Neu. 

flw24: Die Person solltest Du unseren Leser*innen vorstellen.

 

„Die vielleicht wichtigste Trainerfigur für mich war Hubert Neu.“

 

David Wagner: Hubert war 1985 bis 1991 Amateur-Trainer und Jugendkoordinator von Eintracht Frankfurt. Er war auch die Verbindung zu den Profis als Co-Trainer von Dietrich Weise, Karl-Heinz Feldkamp, Pál Csernai und Jörg Berger. 1991 ging er nach Mainz und wurde Assistenztrainer beim Zweitligisten. Und nahm mich mit.

flw24: In Mainz warst Du vier Jahre, bis zum Sommer 1995, und erfolgreich als Stürmer - und als Mitspieler von Jürgen Klopp.

David Wagner: Dort habe ich auch meine Frau kennengelernt. Aber dort musste ich auch eine neunmonatige Verletzungspause wegen eines Schien- und Wadenbeinbruchs aushalten.

flw24: Wie bist Du dann nach Schalke gekommen?

David Wagner: Hier ist wieder Hubert Neu die entscheidende Person. Schon 1993 war er nach Schalke gegangen und arbeitete dort als Co-Trainer - von Cheftrainer Jörg Berger! Der suchte wieder einen Spielertypen wie mich. So ging es 1995 auf Schalke.

flw24: Und auch dort wurde Berger entlassen, im Oktober 1996. Verrückt und dumm gelaufen, oder?

 

„Trotz des UEFA-Cup-Gewinns und einem Angebot bin ich realistisch geblieben“

 

David Wagner: So schnelllebig ist eben das Profigeschäft. Ich bin geblieben. Huub Stevens gab mir Einsatzzeiten. Und ich konnte so meinen Beitrag zum Gewinn des UEFA-Cups 1997 leisten – wenn auch in San Siro im Finale gegen Inter Mailand leider nur von der Bank aus. Trotzdem bin ich realistisch geblieben. Ich wusste um meine Rolle als Einwechselspieler. Deswegen habe ich das neue Vertragsangebot von Rudi Assauer nach dem großen Triumph, der keinen Eurohelden ziehen lassen wollte, nicht angenommen. 

flw24: Und bist zum FC Gütersloh. Nach Gütersloh! Sorry, liebe Gütersloher*innen.

David Wagner: Das war damals sportlich nachvollziehbar und richtig so. Der Verein war solvent und spielte zweimal um den Aufstieg in die Bundesliga. Und dort war ich im Sturm gesetzt und habe viel gespielt. Dass wir 1999 abgestiegen sind, hatte Niemand auf der Rechnung, auch nicht im Verein.

 

„Gütersloh war richtig, Waldhof mein einziger Fehler, 98 versöhnlich“

 

flw24: Im Grunde war es das mit der Profikarriere als Spieler?

David Wagner: Ich bin dann 1999 zum Waldhof, weil ich in der 2. Liga bleiben wollte. Das war mein einziger Fehler. Ich kam mit dem damaligen Cheftrainer Uwe Rapolder nicht hin und bin im Oktober schon wieder weg. Die abschließenden drei Jahre bei 98 in der 3. Liga waren dann versöhnlich. Und dann, mit 31, hatte ich neue Pläne. Deswegen habe ich im Sommer 2002 auch einen Anschlussvertrag als Co-Trainer bei den Lilien abgelehnt.

flw24: Du wolltest Lehrer werden – und bist es geworden!

David Wagner: Biologie und Sport, für Gymnasien. Ich habe 2002 ein Studium an der TU Darmstadt aufgenommen und 2007 abgeschlossen. Denn ich wusste, ich muss was Neues machen und Geld verdienen! Im Grunde genommen war ich raus aus dem Profi-Geschäft.

 

„Im Grunde war ich raus aus dem Profigeschäft. Auch Ralf Rangnick sah das so“

 

flw24: Bis was geschehen ist?

David Wagner: Ich habe meine Fußballlehrer-Lizenz an der Sporthochschule in Köln gemacht. Und dann kam der Anruf aus Hoffenheim, die gerade durchstarteten. Dort habe ich dann zwischen 2007 und 2009 die U17 und die U19 trainiert. Dann kamen Ralf Rangnick und der damalige Sportdirektor Bernhard Peters auf die Idee, dass ich nicht mehr ins Nachwuchs-Konzept passe. Und raus war ich, diesmal durch Fremdeinwirkung sozusagen.  

flw24: Aber Deinem Referendariat 2009 bis 2011 folgte der Wiedereinstieg ins Profigeschäft?

David Wagner: Ja. 2011. Michael Zorc, der damalige Sportdirektor, hatte mich nach Dortmund geholt, als Cheftrainer der 2. Mannschaft. Wir sind in die 3. Liga aufgestiegen, der „große“ BVB holte unter Chef-Trainer Jürgen Klopp 2011 die Schale und 2012 das Double.   

 

„Huddersfield war eine Leistung. Und wenn Schalke ruft, dann gehst Du dahin“

 

flw24: Und dann ging alles schnell: 4 Jahre BVB. Der Ruf nach England und 4 Jahre Premier League. Dann Schalke. Und dann das Aus.

David Wagner: Als „Kloppo“ 2015 ging und Thomas Tuchel kam, war ich wieder mit einem Umbruch konfrontiert. Die Jugend- und Nachwuchsabteilung beim BVB legte mehr Gewicht auf die U19 anstatt auf die U23, was bei mir den Wunsch nach Veränderung hervorrief. Als dann über einen Kontakt aus Hoffenheim-Zeiten das Angebot von Huddersfield Town kam, die einen jungen, deutschen Trainer suchten, habe ich nicht lange gezögert.

flw24: Ziel war der Nicht-Abstieg aus der zweiten englischen Liga, der sogenannten EFL Championship, in der Saison 2015/16.

David Wagner: Ja. Und aufgestiegen in die Premier League sind wird dann ein Jahr später. Noch größer war meines Erachtens dann die Leistung, 2017/18 die Klasse gehalten zu haben. Die Saison 2018/19 war dann wie erwartet schwer. Ich wurde im Januar 2019 entlassen, aber auch mein Nachfolger war erfolglos und konnte den Abstieg nicht verhindern.

flw24: Wie kam es dann zum Comeback in der Bundesliga auf Schalke?

David Wagner: Es gab damals auch andere Angebote aus der Liga. Aber Schalke ist eben Schalke, und wenn Schalke ruft, dann gehst Du dahin.

flw24: Gab es auch eine Offerte aus Frankfurt?

David Wagner: Das weiß ich nicht mehr so genau (lacht). Das Timing passte vermutlich nie.

flw24: Wie sehr hat die anschließende Zeit als Trainer auf Schalke an Dir gezehrt? 

David Wagner: Zu Schalke 04 und meiner Zeit dort möchte ich mich nicht mehr groß äußern. Ich stehe zu meiner Verantwortung in meiner 14-monatigen Amtszeit, die sehr interessant und emotional sehr aufreibend war. Genau so, wie Schalke eben ist. Wann die Negativspirale wirklich begann, an deren Ende der Abstieg stand, und wie groß mein Anteil daran war, wird im Nachhinein für Jeden immer deutlicher erkennbar, denke ich. Ich bin glücklich, dass Schalke wieder aufgestiegen ist. Und ich hoffe, sie können sich in der 1. Liga wieder etablieren.

 

„Ich weiß, dass ich in einer privilegierten Position bin – und auf das richtige Angebot warten kann“

 

flw24: Auch in Bern bei den Young Boys hat es nicht geklappt.

David Wagner: Das ist zu einfach und so auch nicht ganz richtig. Wir haben die sportlich und finanziell erfolgreichste europäische Saison der Vereinsgeschichte gespielt. Wir haben uns für die Champions-League qualifiziert, in der Gruppenphase ManU geschlagen (Atalanta Bergamo und der spätere Halbfinalist FC Villareal waren die anderen Gegner) und die Finalrunde nur um einen Punkt verpasst. Ziel war die Meisterschaft, das wurde mir zum Verhängnis. Dass der Verein in der Winterpause 2021/22 drei Stammspieler verkauft hat und die schlechte Rückrunde mit zwölf Punkten Rückstand auf FC Zürich auch eine Folge dieser Transferpolitik war, ist dann leider zweitrangig.    

flw24: Was bleibt, was steht an?

David Wagner: Ich weiß, dass ich in einer privilegierten Position bin und auf das richtige Jobprofil und Angebot warten kann. Ich muss mir um mich und meine Familie keine Sorgen machen. Und wir sind gesund, was in der heutigen Zeit vielleicht das Wichtigste im Leben ist. Meine Frau und ich planen derzeit, Spanisch zu lernen. Wir sind offen und warten ab, was passiert. Es wird spannend bleiben.

 

„Die Eintracht sollte dauerhaft oben und europäisch mitspielen“

 

flw24: Wie siehst Du die Entwicklung der Eintracht in den letzten Jahren?

David Wagner: Sensationell. Da passen eben handelnde Personen, Strukturen und das Umfeld zusammen. Und man hat natürlich auch das nötige Quäntchen Glück, 2016 in der Relegation gegen den Club aus Nürnberg nicht abgestiegen zu sein. Und am Ende auch Pokale gewonnen zu haben. Denn die bleiben. Wenn die Eintracht jetzt in der Champions League spielt, und die Einnahmen gut einsetzt, muss das Ziel eigentlich sein, dauerhaft europäisch und oben mitzuspielen.

 

Das Interview für flw24.de führte Alex Reichwein.

 

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