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Was macht eigentlich Nils Czekala?

Georg "Schorsch" Horz, Foto: privat

Was macht eigentlich Nils Czekala? (eine Kampfansage)

Nils wer? Die Corona-Pandemie hat Vieles, auch bei mir, in den Hintergrund gedrängt.      
Nils Czekala ist, nein war, Fußballschiedsrichter. Das mit dem war erkläre ich Euch später.    

Zu unserer Erinnerung in Stichworten: Sonntag, 27.10.2019, C-Klassenspiel FSV Münster gegen TV Semd im Fußballkreis Dieburg, 85. Minute, Spielstand 0 – 2, Schiedsrichter der Begegnung war Nils Czekala, 22 Jahre jung, aber schon 10 Jahre Schiedsrichter und Assistent, ein eingewechselter (zur Halbzeit) Spieler beim hinten liegenden Heimteam brachte Ruppigkeit ins Spiel, sah gelb und grätschte in der besagten 85. Minute so, dass die nächste gelbe Karte und somit gelb/rot fällig war. Ob er dem Brutalo die 2. gelbe und rote Karte gezeigt hatte, wusste Nils zunächst nicht mehr, er hatte einen Filmriss. Seine Erinnerung setzte erst wieder ein, als seine Eltern am Abend des gleichen Tages an seinem Krankenbett in der Uniklinik in Mainz standen.

Was geschehen war, konnte er sich auf einem Handyvideo ansehen. Der Brutalo hatte Nils, kein Leichtgewicht, mit einem wuchtigen Schlag gegen die linke Schläfe bewusstlos geschlagen. Das Handyvideo machte die Runde, Millionen von Menschen klicken es an. Medien inklusive des Fernsehens und insbesondere Social Media verhalfen dem Opfer zu einer Berühmtheit, auf das es gerne verzichtet hätte.

Nils Czekala ist ein besonderer Mensch. Als Kind kickt er, erkennt und akzeptiert aber schon früh, dass er niemals ein überragender Fußballer sein wird. Irgendeiner fragt ihn, er ist 12, ob er nicht Schiedsrichter werden wolle. 12 ist das früheste Alter zum Einsteigen in die Pfeiferei. Er findet seine Liebe und somit seinen Platz in unserer großen Fußballerfamilie. Er leitet 260 Spiele bis zur Kreisoberliga, als Assistent wird er bis zur Landesliga angesetzt, er wird Lehrwart, sein Vorbild war Knut Kircher. 2018 muss er eine Pause einlegen, Familie geht vor. Exakt solche Typen braucht das Schiedsrichterwesen und somit auch der Fußball.   

Das besagte Spiel in Münster sollte sein Schiedsrichter-Comeback werden. Viele andere Schiedsrichter hätten aus dem Ereignis Kapital geschlagen, hätten es zumindest versucht.  Journalisten verfolgten Nils bis ins letzte Essgefach, er lehnte jede Interviewanfrage ab. Er distanzierte sich von Vorwürfen gegen den Verein und die Familie des Täters. Die Nationalität des Täters spielte für ihn auch keine Rolle. In der Gerichtsverhandlung beim Amtsgericht Dieburg entschuldigte sich der Täter für seine Tat, Nils nahm an!!!! Das Gericht verhängte gegen den Schläger wegen der das Leben gefährdenden Handlung eine Strafe von 15 Monaten auf 3 Jahre Bewährung, 3500.- € Schmerzensgeld und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Als jemand, der in seinem Berufsleben als Polizist Tötungsdelikt bearbeitet hat, erlaube ich mir, daran erinnern zu dürfen, dass ein einziger Schlag einem Augsburger Feuerwehrmann das Leben gekostet hat. Das Gerichtsurteil ist dieser Tage ergangen. Ein getöteter Schiedsrichter wäre der Supergau für unseren Sport.                            
Das Sportgericht schützt künftige Opfer sowohl auf der Vereins- / Spieler- als auch auf der Schiedsrichterseite, der Schläger spielt 3 Jahre kein Fußball mehr. Ich würde begrüßen, wenn ihn danach kein Verein mehr bei sich aufnehmen würde.

„Geschädigt“ war auch der FSV Münster, der mit diesem Ereignis in wenigen Wochen seinen 2. verschuldeten Spielabbruch hatte, und die Seniorenmannschaft von dem Spielbetrieb abmeldete. Von den Vereinsverantwortlichen an der Linie hätte Nils Czekala – jetzt im Nachhinein – erwartet, dass der eingewechselte Spieler nach der 1. gelben Karte auch schon wieder ausgewechselt worden wäre. Nils, dem Verein und auch dem Täter wäre wahrscheinlich Vieles erspart geblieben.

Ich muss Euch noch das mit dem „war Schiedsrichter“ erklären. Nils Czekala hat jetzt sein Schweigen gebrochen und der Schiedsrichterzeitung, Ausgabe September / Oktober 2020, ein Interview gegeben. Er hat seit dem 27.10.2019 kein Spiel mehr geleitet und keinem Kollegen an der Seitenlinie assistiert. Er hat simuliert, am nächsten Tag ein Spiel pfeifen zu müssen. Die Simulation war mit übergroßer Nervosität und Schweißausbrüchen begleitet. Er zog für sich den Schluss, dass seine Schiedsrichterlaufbahn am 27.10.2019 endete.  

Jetzt ein paar Worte zu Dir persönlich, Nils Czekala. Du bist Mitglied unserer Fußballer- und Schiedsrichterfamilie. Du allein entscheidest, wie Du mit der Sache umgegangen bist. Ich hätte mir von Dir einen etwas anderen Umgang gewünscht, weil Du nicht das einzige Opfer warst und Gewalt gegen Schiedsrichter zu einem großen Problem geworden ist, dem wir unbedingt im Interesse unseres geliebten Fußballsports begegnen müssen. Jede Woche – wenn alles wieder normal läuft – setzen sich zehntausende von Schiedsrichtern dieser Gefahr aus. Ich akzeptiere und respektiere aber Deine Entscheidung.

Was ich nicht akzeptieren kann und will: würdest Du die Pfeife an den Nägeln hängen, hätten Dein und jeder andere Schläger einen Erfolg zu verzeichnen. Du hast in Deinem Interview mit der Schiedsrichterzeitung von Deinem Vorbild Knut Kircher berichtet. Knut hält Vorträge unter der Überschrift „Für mich trifft auf dieser Welt nur einer Entscheidungen. Und das bin ich!"

An diesem Satz Deines Vorbildes Knut Kircher solltest Du Dich orientieren. Du bist ein Mitglied unserer Fußballerfamilie. Familienmitglieder lässt man nicht fallen, man hilft Ihnen. Lass‘ Dir bitte helfen. Eine psychologische Betreuung, unproblematische Spielansetzungen bei Deinem Re-Start / Deinem Comeback, vielleicht ein Treffen mit Deinem Vorbild und die Solidarität der fast kompletten Fußballer- und Schiedsrichterfamilie sollten Dir helfen, dass zu überwinden, was Deinen Neuanfang blockiert. Gemeinsam kriegen wir das geregelt und sagen damit auch jedem, der sich mit dem Gedanken trägt, die Hand gegen einen Spielleiter zu erheben, den Kampf an.

Nils, ich bin mir sicher, wir sehen Dich irgendwann mit Freude und ohne Angst auf einem Fußballplatz ein Spiel leiten.

Schorsch Horz, aktiver Schiedsrichter und Beisitzer im Sportgericht im Fußballkreis Limburg-Weilburg     

PS: Das Interview von Nils Czekala findet Ihr in der Schiedsrichterzeitung 5/2020 auf den Seiten 30 – 32.