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Waldbrunner Stammbäume und Saga einer Fußballgemeinschaft

Peter Steinhauer, Edwin Schick (v.l.) und Jörg Guckelsberger (nicht im Bild) kennen sich bestens aus in der Vereinsgeschichte. Foto: Claus Coester

2004: obere Reihe von links: Peter, Jörg, Frank, Paul 2, Paul 1 untere Reihe von links: Paul (Senior), Ralf Hering (Cousin, Mutter geb. Guckelsberger), Helmut liegend, Maurice und Marvin Mendel (Kinder von Paul Guckelsberger). Foto: privat

Saison 1991/1992: obere Reihe von links: Paul 1, Jörg, Frank untere Reihe von links: Peter, Paul 2. Foto: privat

Hausen/Fussingen/Lahr und der Westerwälder Fußball -  das war für die regionale Fußballkommunität über dreieinhalb Jahrzehnte ein Begriff, der in der Sprache der hiesigen Fußballfreunde unter der Marke „Hausen/Fussingen“ lief. Lahr kam um die Jahrtausendwende als Appendix hinzu, der rein sprachlich nicht geläufig wurde. Die Anhänger des runden Spielgeräts redeten nach wie vor von „Hausen/Fussingen“, ohne Lahr zu diskriminieren.  

Einen bedeutenden Wendepunkt in der jüngsten Historie markiert das Jahr 2016. Im Zuge der Zeit gesellte sich zu dem Dreibund „HFL“ das Duo „SV Hintermeilingen/SV Ellar“. Aus der Taufe gehoben war der FC Waldbrunn, keine Fünfer-SG, die die Statuten nicht zulassen, sondern ein neuer Verein. Es war quasi eine Fusion, aber nicht die klassische. Die alten Vereine waren jetzt Geschichte, verloren ihre fußballerische Selbständigkeit, ohne aber den Status als e.V. einzubüßen. 

Saat des Aufschwungs in den 1960ern

Wir schreiben das Jahr 1967, als sich SG Hausen und SG Fussingen, beide auf Augenhöhe in der damaligen Kreisliga B (heute A-Liga) verbanden und ihren Erfolgsweg antraten. Im Laufe der folgenden 50 Jahre waren es aus den „Gründerorten“ in verschiedenen Generationen Familiendynastien, die das Fundament der Spielgemeinschaft bildeten. Aus der Peripherie fielen auf den fruchtbaren Hausen/Fussinger Humus regelmäßig Spieler, Trainer oder Spielertrainer, die zu dem bis heute anhaltenden Erfolg deutlich beitrugen.

Georg Blums Wirken und die Schicks

Peter Blum war einer der Gründungsväter der SG Hausen/Fussingen. Spieler und dann weit über 40 Jahre als Vorsitzender des SV Fussingen nimmt er in der Geschichte seines Vereins und der Spielgemeinschaft einen besonderen Rang ein. 

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte jagten etliche Sprösslinge aus der Schick-Familie nach dem runden Spielgerät und tun es noch immer. Da ist Peter, der stark auf die 60 zugeht, und unvergessen dessen deutlich jüngerer Bruder Holger, der hochaufgeschossene Zerberus, der die Stürmer zwischen Wiesbaden und dem Westerwald oft genug zur Verzweiflung brachte. Da ist Edwin, Großcousin von Peter und Holger, der nach seiner aktiven Laufbahn heute als Abgesandter aus Fussingen im FCW-Vorstand mitwirkt. Als Jugendtrainer bei den E-Junioren zu fungieren, wo auch Sohn David mitspielt, versteht sich von selbst. Der Bestand muss weiter geführt werden. Mit Michael und Florian Schick, Söhne von Andreas, der ein Bruder von Peter und Holger ist, kicken aktuell noch zwei auf Seniorenebene. Allerdings hat das Brüderpaar risikolos einen Schlenker zum FC Dorndorf gemacht. Gekreuzigt wird man im Westerwald nicht, wenn sich mal jemand an der Peripherie umguckt.

Großkaliber Guckelsberger

Das benachbarte Hausen stellt mit den Guckelsbergern einen ebenso unübersehbaren Anteil. Zeitweise spielten sage und schreibe fünf aus dieser Familie zusammen in der ersten Mannschaft. Man braucht keine große Phantasie: Die Stadionsprecher im Rheingau oder in der Landeshauptstadt haben sicher Blut geschwitzt, wenn sie die Mannschaftsaufstellung verlasen: ein Guckelsberger-Quintett in der gegnerischen Mannschaft. 

Aber fangen wir von vorne an. Der diesbezügliche Urahn sozusagen ist Helmut Guckelsberger, der in der Mitte seines achten Lebensjahrzehnts steht. Er ist als erster Torschütze der neugegründeten SG bezeugt und gab sein fußballerisches Talent an seine Söhne Paul, der wegen Namensgleichheit der Erste genannt wird, und Frank weiter. Paul I. startete nach dem Fußball eine Karriere als wahrer Marathonspezialist, hat aber die Fußball-Gene an seine Söhne Maurice (zurzeit verletzter Spieler der 1. Mannschaft) und Marvin Mendel (A-Junioren) vererbt. Treiben wir das Verwirrspiel weiter. Helmut Guckelsbergers verstorbener Bruder Paul lebt weiter in den Zwillingssöhnen Peter und Paul, die ebenfalls feste Größen der ersten Mannschaft waren. Den Guckelberger-Kreis schließt Jörg, ein Großcousin aus einer weiteren Linie. Er war Mitglied der legendären Aufstiegsmannschaft in die Bezirksliga Wiesbaden (nachmals BOL, heute Gruppenliga), lange Zeit Kapitän und Libero und über Jahre im Spielausschuss. Auf den Urknall für die Hausen/Fussinger Erfolgsstory kommen wir später noch einmal zurück.  

Quereinsteiger Thomas Scholl und die Scholls

Urgestein ist er nicht, aber schon lange in den Waldbrunner Zirkel eingedrungen. Aus Obertiefenbach stammend, als A-Junior aus Steinbach nach Fussingen gewechselt, wurde er dort wie auch andere zu einem Tausendsassa. Als Kicker in der Ersten lange gesetzt, bis Ende 30 noch für die Reserve unterwegs, beackert Thomas Scholl nach der aktiven Laufbahn ein breit gestreutes Feld: Platzwart in Fussingen, Kassierer des noch jungen FCW. Einen besonderen Stellenwert hat natürlich die Talentschmiede, die Thomas Scholl schon lange leitet. Aus der „Goldenen Generation“ haben neben seinen Söhnen Robin und Lukas andere Youngster wie Moritz Steinhauer, Julian Form, Claudius Fürstenau, Arne Breuer oder Max Neuhof in den Verbandsliga-Kader gefunden. Dass die Scholl-Brüder Robin und Lukas sich von ihrem Cousin Steffen Moritz taktische Anweisungen geben lassen, liegt an der Biologie: Der eine der beiden Spielertrainer müsste zu Thomas Scholl eigentlich Onkel sagen.

Die Eisenkopfs (Hausen) und Reuters (Fussingen)

Nicht zu verstecken brauchen sich die Eisenkopfs. Fußballerischer Ahnherr ist Alfons Eisenkopf. Dessen Söhne Dieter und Rainer erfüllten ihre Jobs in der ersten Mannschaft. Das ist schon eine Weile her. In der nächsten Generation war Dieters Sohn Marc eine Stütze des Reserveteams mit gelegentlichen Ergänzungsauftritten in der Ersten. Rainers Sohn Jonas läuft aktuell in der Verbandsligamannschaft dem Ball nach. Und da hören wir noch von Jürgen Eisenkopf, einem Cousin von Dieter und Rainer E. Dessen Sohn Celin belebte bis vor ein paar Jahren das Offensivspiel in der Gruppenligamannschaft mit Torgefahr. Celin musste sich beruflich geografisch verändern und wurde den Waldbrunnern leider verlustig. 

Wenn der Name Reuter im Seniorenbereich aktuell auf der Landkarte nicht zu finden ist, will das nichts heißen. Christian und Benedikt, Söhne von Norbert Reuter, waren Stammspieler in der BOL/Gruppenliga-Ära. Dass die fußballerische Nahrungskette nicht unterbrochen wird, dafür hat Christian mit Sohn Nils gesorgt. Der ist noch frischer Azubi in der D-Jugend und hat für die Vorbereitung noch viel Zeit.

Trias Steinhauer (Fussingen) – Schäfer (Hausen) – Wagner (Hausen)

Wer über 70 Jahre als Mitglied dem Verein die Treue gehalten hat, dem gebührt erstens Ehre und der hat zweitens viel erlebt. Herbert Steinhauer, in seinem neunten Lebensjahrzehnt dem Verein treu, hat den Wandel in der Geschichte dieser Westerwälder Fußballcommunity verfolgt. Sohn Peter, der verletzungsbedingt als Jugendfußballer die Schuhe an den Nagel hängen musste, ist seither in vielen Bereichen aktiv gewesen. Mit 24 Jahren 2. Vorsitzender und seit sieben Jahren 1. Vorsitzender lenkt er die Geschicke des SV Fussingen. In der Neugründung FC Waldbrunn bekleidet er zusammen mit seinem Sportkollegen Michael Stähler (Hintermeilingen) das Amt des 2. Vorsitzenden. Von Peters Sohn Moritz war im Zusammenhang mit der „Goldenen Generation“ oben bereits die Rede.

In die Frühgeschichte der SG Hausen/Fussingen gehören die Namen Peter und Josef Schäfer. Josefs Söhne Olaf und Frank waren lange Stützen der ersten Mannschaft. Je ein Sohn (Yanik/David) steht als A-Junior an der Schwelle zur Seniorenabteilung, um die Familientradition fortzusetzen. 

Hausen kann neben den Guckelsberger-Zwillingen mit Peter und Paul Wagner ein weiteres Zwillingspaar präsentieren. Paul stand in der Meistermannschaft 1982, die den Aufstieg in die Bezirksliga (BOL/Gruppenliga) schaffte. Peters Söhne Christian und Tobias zeigten über Jahre ihre Leistung in der Reserve und beherrschen auch die Kunst mit dem Zelluloidball im eigenständigen Hausener Tischtennisverein.

Unverzichtbare Kräfte 

Zu den Namen, die in der Historie der SG Hausen/Fussingen bis heute einen guten Klang haben, gehören Wilfried Hömberger und Josef Pötsch. Der Erstgenannte spielte als Leistungsträger in der Aufstiegsmannschaft von 1982 eine wichtige Rolle. Nach dem aktiven Fußball war er lange ein starker Motor außerhalb des Platzes, ob das in der Organisation von Veranstaltungen (z.B. Bläck Fööss Konzert, Benefizspiel für Stefan Born) oder in anderen Bereichen der Fall war. Josef Pötsch ist seit Jahrzehnten hinter den Kulissen am Ball. Am operativen Geschäft war er früher im Spielausschuss verantwortlich. 

Impulse von außen

Jeder noch so gut funktionierende Mechanismus braucht positive Einflüsse von außen. Das ist kein spezifisch Hausen/Fussinger-Phänomen, aber auch hier bemerkenswert. Untrennbar mit der SG Hausen/Fussingen und dem heutigen FC Waldbrunn ist der Name Wilfried, besser Mike Mehr verbunden. Der langjährige Vorsitzende der SG Hausen/Fussingen/Lahr, 1974 als „Fußballemigrant“ aus dem nicht fernen Neukirchen gekommen, wird als erster Vorsitzender in die Annalen des neugegründeten FC Waldbrunn eingehen. Bei Mike Mehr setzt sich in dessen Sohn Christian, dem einen der beiden jetzigen Spielertrainer, eine weitere Tradition fort.

Schübe durch Spielertrainer

Die Liste der Spielertrainer der Spielgemeinschaft lassen wir mit dem Limburger Bernie Fischer beginnen, der auch nach Ende seiner Tätigkeit Treue gezeigt hat. Mit Helmut Rexroth kam der Nachfolger ebenfalls aus Limburg. Bernard Krämer, der vielgereiste Übungsleiter, schaffte als Spielertrainer gleich im ersten Jahr den Aufstieg in die Bezirksliga (BOL/Gruppenliga). In die Fußstapfen Krämers trat Helmut Meuer, während dessen vier Jahren sich der erfolgreichste Torschütze in der Geschichte der SG etablierte. Aus Pottum war Markus Schmiedl gekommen und lehrte 17 Jahre die gegnerischen Torhüter das Fürchten. Schmiedl übernahm in der Endphase seiner Hausen/Fussinger Ära ebenfalls die Aufgabe als Spielertrainer. Doch zunächst musste er in dieser Funktion für zehn Jahre dem später so tragisch geendeten Stefan Born, einem Meister des Auflegens, und Peter Henkes den Vortritt lassen. Unter Henkes ereilte die SG um die Zeit des Milleniumwechsels der Abstieg. Diesen Betriebsunfall machte die Mannschaft in der folgenden Saison mit exakt 100 Punkten auf dem Konto schnell vergessen. Mit Michael Sauer kam ein weitanreisender Spielertrainer aus Wiesbaden. Mit dem Ex-Profi von SV Wehen und Mainz 05 werden die Fußballfreunde etliche Highlights in Erinnerung behalten. Die Schussgewalt des ruhigen Michael ist im Westerwald unvergessen. 

Michael Sauer wurde von Herbert „Hubi“ Leus beerbt, der vorher schon etliche Jahre als Spieler aufgelaufen war. Mit ihm als Übungsleiter gelang der  erste Aufstieg in die Verbandsliga. „Hubis“ Fortüne währte nicht lange. Peter Henkes sprang im Kurzauftritt in der Verbandliga ein. „Heimkehrer“ Christian Mehr verlegte sich nach seinem Abschied in Hadamar erstmals aufs Spielertrainerfach. Mit der Geburt des FC Waldbrunn erfolgte mit dem Engagement von Steffen Moritz dann die Doppelspitze, für die Waldbrunner ein Novum, das nun schon zwei Jahre funktioniert. Viele Faktoren bescherten dem Verein in der Saison 2017/18 dann durch den Verbleib in der Verbandsliga den bisher größten Erfolg. 

Unvergessliches Erlebnis

Es gibt Ereignisse, die Großväter noch ihren Enkeln erzählen werden. In der Geschichte des Klubs nimmt das Entscheidungsspiel um die Meisterschaft zwischen der SG Hausen/Fussingen und dem SV Wilsenroth in der Saison 1981/82 einen herausragenden Rang ein. Der Spielplan wollte es, dass die im letzten Spiel nach Punkten führende SG auf dem gefürchteten Naturrasen, eine nicht zu unterschätzende Waffe, die Wilsenrother empfing. Die Gäste spielten den Gastgebern prompt einen Streich und zogen durch einen Sieg gleich. Das Torverhältnis spielte damals noch keine Rolle. Zwei Tage später trafen sich die Kontrahenten auf neutralem Gelände in der Limburger Lahnkampfbahn. 3000 Zeugen umsäumten das Spielfeld. Auf dem Platz jubelten in der Siegermannschaft u.a. Jörg Guckelsberger, der 18jährige Paul I. Guckelsberger, Wilfried Hömberger und Paul Wagner. Mit einem Sieg schaffte die SG Hausen/Fussingen den Aufstieg und hatte die Kreisgrenze gesprengt. Es begann der lange Marsch in damals noch unbekanntes Terrain. Bis auf das einjährige Zwischentief währt er nun schon 35 Jahre.