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Er brennt und brennt und brennt

flw24-Kolumnist Claus Coester.

Was haben doch die Funktionäre den Fußballfreunden in Deutschland mit Beginn der jetzt laufenden Bundesligasaison Gutes getan! Alle Expertenrunden vom Stammtisch über die Sport 1-Schwatzbude am Sonntagmorgen unter der Leitung des einstigen Phantomtorschützen Thomas Helmer – lang ist’s her – bis zum ehemaligen Weltschiedsrichter und Zahndoktor, der heute ein Zusatzbrot beim Bezahlsender Sky verdient, dürfen ihren Senf dazugeben. Als Lieferant für Diskussionsstoff hat der Videobeweis jetzt schon seine Prüfung bestanden. Auf dem grünen Rasen noch nicht. Gut, er hat ja noch bis Mai 2018 genügend Zeit. Dann nämlich endet die Erprobungsphase und die Entscheidungsträger werden den Videobeweis entweder in die Rumpelkammer legen oder ihm die Salonfähigkeit attestieren.

Verbesserungen in Sicht

Von Mal zu Mal stellen die Fußballfreunde fest: Es wird besser. Das Ganze ist ja auch ein Lernprozess. Mittlerweile gehen die Schiedsrichter auch regelmäßig an die Box am Spielfeldrand und schauen sich näher an, worauf sie der in Köln sitzende Videoassistent aufmerksam macht. Es heißt allgemein: Das letzte Wort hat so oder so der Referee auf dem Rasen. Aber wer weiß, wie die Kommunikation zwischen dem Sportkameraden an den Monitoren in der Kölner Box und dem Mann im Stadion abläuft? Wenn Wolfgang Stark zum Beispiel aus dem Kämmerlein signalisiert: “Eindeutig Foul im Strafraum. Gib Strafstoß!“, wird wohl der Pfeifenmann, der kein elfmeterwürdiges Verhalten erkannt hat, dem kaum widersprechen. Aber auch Starks Interpretation kann hinterfragt werden. Oft genug gibt der Zahndoktor aus der Pfalz bei Sky ein gegenteiliges Urteil ab. Aber dieses ist nicht maßgebend. Es wäre einmal interessant, die Dialoge zwischen Köln und dem jeweiligen Stadion mitzubekommen. Vermutlich werden diese aus guten Gründen nicht protokolliert. 

Absurditäten

Dem Videobeweis liegt ein festes Regelwerk zu Grunde wie dem gesamten Fußball. Inwieweit die Entscheidungen, die während des Spiels schnell getroffen werden müssen, da konform mit den Bestimmungen sind, lässt sich nicht komplett feststellen. Sicher gib es da Fehler. Ein mehr als auffälliges Ereignis gab es beim Spiel Augsburg gegen Dortmund am vergangenen Wochenende. Die Heimmannschaft startete aus dem eigenen Strafraum einen Konterangriff, der schließlich zu einem Eckball führte. Zu dessen Ausführung kam es allerdings nicht, da unterdessen der Videoassistent aus Köln dazwischenfunkte und auf ein elfmeterwürdiges Festhalten lange Momente zuvor im Augsburger Strafraum entschieden hatte. Der Schiedsrichter schloss sich dieser Einschätzung an und verhängte nachträglich Strafstoß für Dortmund. Augsburg kam nicht zu Schaden, da Borussias Auba das Geschenk fahrlässig verschmähte. Aber Augsburg war um einen Eckball gebracht worden, auf den der Schiedsrichter bereits entschieden hatte. Aber die Entscheidenden hatten die Bestimmungen des Viedeobeweises auf ihrer Seite. Das Regelwerk hätte selbst bei einem erfolgreichen Augsburger Konter mit Tor den Film zurückgedreht und den Strafstoß für Dortmund legitimiert. Eine eigentlich untragbare Situation. Vor allem auch, weil in einer anderen Szene, als ein Augsburger Spieler im Dortmunder Strafraum deutlich am Trikot festgehalten wurde, Köln schwieg. Wenn schon, denn schon!

Hundertprozentige Lösung gibt es nicht

Geben wir also dem neuen Hilfsmittel in der Erprobungsphase noch eine Chance. Es hat durchaus schon positive Entscheidungen gegeben wie beispielsweise die kürzliche Zurücknahme des Stuttgart zugesprochenen Strafstoßes in Frankfurt. Das Auge der Kamera war da unbestechlich: Foul am Stuttgarter Stürmer knapp vor der Sechzehn-Meter-Linie. Aber es hat auch eben krasse Versäumnisse in Köln gegeben. Die Herren können sich die Szenen mehrfach in Superslowmotion anschauen. Und wer bei der sicherlich unbeabsichtigten Knieattacke von Wolfsburgs Keeper Casteels gegen den Stuttgarter Gentner selbst nach fünfmaligem Betrachten nicht auf Rot entscheidet, dem sollte man erstens einen Besuch beim Augendoktor ans Herz legen und zweitens die Kölner Box zur Tabuzone erklären.

Pro Videobeweis

Mit der Einführung des Videobeweises und dessen etwaigen dauerhaften Installierung werden natürlich nicht alle Unwägbarkeiten aus dem Fußball verschwinden. Das wissen wir jetzt bereits. Es wird aber etwas gerechter, obwohl es keine Gerechtigkeit im Fußball gibt. Der Videobeweis soll auch kein Allheilmittel sein. Das wäre schlimm. Dem Fußball würde nach und nach seine Seele genommen, er würde zu etwas Sterilem verkümmern. Hoffentlich setzt sich der Videobeweis durch! Zum Glück werden ihm seine Grenzen aufgezeigt. Die Unberechenbarkeit soll es immer geben. Die macht gerade den Fußball so interessant.