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Visionen und Ziele

flw24-Kolumnist Michael von Kunhardt

In meiner mentalen Zusammenarbeit mit Spitzensportlern stelle ich immer wieder fest, dass Vision und klare Zielfokussierung eine enorme Bedeutung in Bezug auf die Dimension eines möglichen Erfolgs haben. Klären wir zunächst einmal die Begrifflichkeiten Vision und Ziel.  Eine Vision ist das innere Bild einer in die Zukunft projezierten Vorstellung. Sie ist in Bezug auf die Gegenwart auf den ersten Blick irreal und ent-rückt oder ver-rückt. Eine Vision ist in Bezug auf den heutigen Zustand etwas wirklich Großes und Mutiges. Der Erfolg ist mit den Mutigen! Ich appelliere dringend, mutig und groß zu denken und etwas aus seinen Möglichkeiten zu machen. Auf was gilt es zu warten? Die Chancen den anderen zu überlassen ist die Alternative. Ein Ziel hingegen ist klassisch definiert durch Zeit und Zahl und im Unterschied zur Vision auf den ersten Blick realistischer anmutend als eine Vision.

Letztlich sind die Grenzen zwischen Vision und Ziel fließend und ob es nun eine Vision oder ein Ziel ist, was uns antreibt und zu eigener Entwicklung motiviert, ist am Ende auch nicht so wichtig.

Von Hoffenheim und RB Leipzig lernen

Clubs wie Hoffenheim oder RB Leipzig liegt beispielsweise auch eine Vision zugrunde, die schon längst Realität geworden ist.  Ob man Sympathie für solche Fußball-Retortenmodelle hat oder nicht, spielt hier keine Rolle. Fakt ist, dass die Voraussetzung für deren heutigen Erfolg eines Tages eine Visionsarbeit war. Irgendjemand hat sich die Mühe gemacht und die kreative Geistesleistung gestartet, mutig und visionär zu denken. Im nächsten Schritt wurden dann Subvisionen oder eben Zwischenziele auf dem Weg zur Realisierung der Vision erstellt und sich dann beharrlich für deren Umsetzung engagiert.

Ich bin der absoluten Überzeugung, dass wir uns überwiegend viel zu sehr begrenzen. Oftmals erlauben wir uns schon gar nicht, mal größer zu denken - erstens, aus Mangel an Vertrauen in uns selbst bzw. in das eigene System und zweitens aus Mangel an Kreativität.

Anspruch – die dritte Säule

An dieser Stelle kommt somit nun der Faktor Anspruch noch dazu, wenn wir uns mit der Zukunft beschäftigen. Ich stelle immer wieder fest, dass vor allem in Teams weder Vision, noch Ziel und schon gar nicht das Thema Anspruch klar definiert ist. Dabei ist es doch so: wenn Du nicht weißt wo Du hin willst, woher weißt Du denn, dass Du überhaupt stimmig unterwegs bist? Etwas überspitzt und doch letztlich sehr realistisch könnte man auch sagen, dass es mit einem ungeklärten Zukunftsbild auch völlig unklar ist, ob das Team das nächste Spiel gewinnen soll oder ob ein Unentschieden auch in Ordnung wäre. Diese Unklarheit und Orientierungslosigkeit ist häufig auf dem Platz energetisch spürbar. Systemen mit diesen Ausprägungen fehlt oftmals die Elektrizität auf dem Platz.

Die Walt-Disney-Strategie

Also wie schaut`s nun aus mit der eigenen Vision? Gibt es da möglicherweise etwas ganz Großes und wie lässt sich das überhaupt herausfinden? Eine Möglichkeit das zu tun, wäre die Walt-Disney-Strategie, die ich hier kurz vorstellen möchte.

Walt Disney hatte zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine für die damalige Zeit komplett unwirkliche Vision, ein Zeichentrickimperium aufzubauen. Damit dies gelingen konnte und da er über keine entsprechenden finanziellen Mittel verfügte, brauchte er unbedingt monetäre Starthilfe, also einen Kredit. So sprach er bei einer Bank vor, die jedoch der Ansicht war, dass das Vorhaben mehr als überflüssig sei und ihm somit keine Unterstützung gab. Bei der nächsten Bank lief es genauso. Walt Disney gab aber nicht auf und das Ganze wiederholte sich noch über 300 Mal! Mehr als 300 Banken klapperte Walt Disney ab, bis endlich ein Finanzinstitut ihm das so sehr ersehnte Startkapital anvertraute. Der Rest der Erfolgsstory ist Geschichte. Doch wie konnte Walt Disney nur so lange derart beharrlich bleiben und wie schaffte er es, sich nicht selbst zu entmutigen? Die Antwort liegt in der nach ihm benannten Strategie, die er auch fortan in seinen Büros entsprechend immer wieder einsetzte: Er hatte 4 Räume in seinem Haus, die jeweils eine Bedeutung hinsichtlich seiner Visionsarbeit einnahmen und die er in einem bestimmten Ablauf durchschritt.

Zunächst ging er in den Raum des Träumers (Visionärs). Der Raum war sehr inspirierend ausgestattet. Hier war Disney visionär und radikal kreativ. Er erlaubte sich bedingungslos das zu erträumen, wofür er wirklich in seinem Leben angetreten war. In diesem Zimmer gab es keine Zweifel, es gab keine Negativität, keine Begrenzung – kurzum: er macht sich seinen Traum nicht selbst direkt kaputt.

Danach begab er sich in das Neutralitätszimmer, um gedanklich zur Ruhe zu kommen.

Im nächsten Schritt ging er in den Raum des Realisten, der sehr handlungseinladend ausgestattet war. Hier überlegte er welche Ressourcen er benötigte, um die Ideen und Visionen umzusetzen und entwarf einen ersten Aktionsplan.

Nachdem er sich im Neutralitätszimmer wieder auf Null `gestellt` hatte, begab er sich schließlich in den Raum des Kritikers, der sehr kahl gehalten war, um die Gedanken des Träumers und Realisten zu beurteilen, konstruktiv zu kritisieren und bestmöglich zusammen zu bringen.

Nach einem weiteren Aufenthalt im Neutralitätszimmer durchlief er die Zimmer erneut, um seine Gedanken mit den gewonnenen Informationen anzupassen  - so oft, bis er in allen Räumen Stimmigkeit verspürte. Nun hatte er eine tiefe Überzeugung hinsichtlich seiner Vision und machte sich auf den Weg, diese zur Realität werden zu lassen.

Ich habe dieses Verfahren selbst schon sehr oft durchgeführt, meine Klienten ebenfalls und die Ergebnisse sind absolut verblüffend. 

Falls die entsprechenden Räume nicht adäquat vorhanden sein sollten, bieten sich zur Anwendung der Stratgeie auch folgende Varianten an:

  • a) Für jeden Raum setzt man sich stellvertretend jeweils auf einen anderen Stuhl und denkt sich in die entsprechenden Situationen hinein.
  • b) Man schreibt die Namen der Räume auf Blätter / Karten und auf legt diese auf dem Boden aus. Dann stellt man sich zunächst auf die Karte des Visionärs, dann auf die Neutralität usw.. 
  • c) Man führt die Übung komplett mental durch und denkt sich einfach in die Räume hinein.

Ob mit Unterstützung der Walt-Disney-Strategie oder auf andere Art und Weise – am Ende zählt das Erreichen des avisierten Ergebnisses. Zahlreiche Studien bestätigen mittlerweile: die Ergebnisse werden vor allem dann besser, wenn man sich das Eintreten eines positiven Resultats in der Zukunft immer wieder vorstellt, also klar und deutlich visualisiert, unterwegs mit Schwierigkeiten rechnet und sich dann lösungsorientiert mit diesen auseinander setzt.

Dafür wünsche ich zunächst für die restliche Saison allen ambitionierten Aktiven ganz viel Erfolg. Außerdem wünsche ich uns allen, selbst auferlegte Begrenzungen zu überwinden und mutig und optimistisch dem hinter her zu gehen, was wir wirklich erreichen wollen – ob im Team oder individuell.

Bis zu nächsten Kolumne, wir lesen uns.

Herzlichst und sportlichst

Michael von Kunhardt