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Anspannung, Entspannung – Wohlspannung

flw24-Kolumnist Michael von Kunhardt

Wohlspannung

Für den bestmöglichen Erfolg im Sport (wie auch im Business) benötigen wir unbedingt einen klugen Umgang mit Anspannung und Entspannung. Wenn uns das gelingt, dann haben wir die Möglichkeit, die - wie wir es in unserer Akademie nennen – „Wohlspannung“ zu erreichen. Die Wohlspannung ist der Zustand, in dem man in der Lage ist, hochkonzentriert, handlungsschnell und positiv ergebnisorientiert zu handeln. In diesem Zustand ist die Möglichkeit deutlich erhöht, in den sogenannten Flow zu gelangen, wenn die Handlungen wie von alleine fließen.

Wie für alle Sportler so gilt es genauso auch für Fußballer, dass sie in der Lage sein und stets anstreben sollten, sich dann in eine wirkungsvolle Spannung zu versetzen, wenn sie hellwach zu sein haben, wenn es im „moment of need“ drauf ankommt und sie ihre Top-Leistung abrufen wollen.

Anspannung

Das Initiieren dieser Spannungsaktivierung ist vor allem zunächst eine mentale Leistung, denn der Sportler hat erst einmal zu realisieren, also mitzubekommen, dass er mehr Spannung benötigt. Es hört sich trivial an – ist es aber überhaupt nicht. Denn: wenn auch nur wenige Prozente an Spannung fehlen, wenn sie benötigt werden, ist es meist schon zu spät. Es ist bis hoch in die Bundesliga an jedem Spieltag auffällig, dass eine minimal zu spät eingeleitete Spannungsaktivierung dazu führt, dass der Verteidiger einen Tick zu weit vom Stürmer weg steht oder der Torwart den entscheidenden Impuls-Step, um im geeigneten Moment abzuspringen, ebenfalls einen Tick zu spät einleitet und schon ist der Ball im Netz. Es beginnt im Kopf!

Wenn ein Sportler realisiert, dass er mehr Spannung benötigt als er aktuell hat, dann kann er sich beispielsweise durch kurze schnelle Bewegungen oder einen inneren Appell sofort in diesen erforderlichen höheren Spannungs-Zustand versetzen.

Ins Negative kehrt sich der Spannungsanstieg erst dann um, wenn man den Bereich der Überspannung erreichen. Das ist der Moment, wenn der Sportler zu „tight“ wird und nicht nur der Geist, sondern auch die Muskulatur verkrampft. Das geeignete „Spannungs-Einstellen“ ist wirklich eine Kunst.

Entspannung

Ebenso wichtig ist die Entspannung - eine klug gewählte, bewusste Pause ist wichtig, damit der Körper und auch der Geist sich erholen, eine geeignete Spannungsrelation besteht und z.B. die  Muskulatur auch den Erholungs- bzw. im nächsten Schritt auch Anpassungseffekt erzielen kann, der den Handelnden schließlich im  Anschluss an die Pause auf ein höheres Leistungsniveau hebt (u.a. auch Prinzip aus der Trainingslehre: Superkompensation, lohnende Pause).

Um nicht schon verbraucht zu sein, wenn wir unsere volle Leistungsfähigkeit benötigen, gilt es also, immer wieder mal klug komplett loszulassen, wenn sich Ruhephasen anbieten. Somit ist beispielsweise die Halbzeitpause eines Fußballspiels eine ganz bedeutsame Entspannungsinsel für Körper und eben auch Geist.

Die Halbzeitansprache des Trainers sollte im übrigen auch nie mehr als 3 bedeutende Fokusthemen beinhalten – da sonst die Konzentrationsschärfe schon wieder leidet und die einzelnen Elemente zu wenig Aufmerksamkeit nach sich ziehen, was wiederum in fehlender Spannungsschärfe bei der Umsetzung mündet.

Übrigens: Natürlich ist es absolut wichtig in der Halbzeitpause ggf. die erforderliche Spannung wieder aufzubauen – wie immer, die Dosis muss eben stimmen! Und vor dem Anpfiff gilt es immer: sich in den „ready-state“ einzustellen.

An dieser Stelle 2 Beispiele für „Ent - ---- spannen „  ... also die Spannung rausnehmen... :

1. Bewegungen, die nach unten gehen, z.B. durch Ausschütteln, nehmen die Spannung aus dem System. Einsetzbar: z.B. bei zu hohem Muskeltonus beim Elfmeterschießen.

2. Ein weiteres Beispiel für eine Entspannung - eine kluge Atemtechnik:

Der Normalwert der Atemfrequenz ist altersabhängig, beim Erwachsenen beträgt er bei im normalen Ruhezustand 10-12 Atemzüge pro Minute. Bei Kindern sind es ca. 14-20 Atemzüge pro Minute und bei Neugeborenen sogar ca. 25-45.

Anwendung:

  • Entspannen durch Reduzieren der Atmungsfrequenz
  • Tief durch die Nase (bis in den Bauch) ein- und durch den Mund tief ausatmen (Mund leicht öffnen und Luft langsam rausfließen lassen)
  • Reduzieren der Atemfrequenz auf diese Weise auf ca. 5 Atemzüge pro Minute
  • Nur 2 Minuten für diese Übung
  • Entspannung tritt sofort ein

Einsetzbar: 15 – 30 Minuten vor Spielbeginn für 2 Minuten oder in der Mitte der Halbzeitpause für eine Minute. 

Zu beachten ist generell unbedingt die geeignete Dosierung und der Zeitpunkt einer möglichen Entspannung und Anspannung. Und das wiederum ist immer individuell unterschiedlich. Die Aufgabe des verantwortlich agierenden Fußballers ist, sich selbst so gut kennen zu lernen und sich zu darin zu entwickeln, dass er genau weiß wie er sich im geeigneten bestmöglich und ggf. sofort anspannen und entspannen kann – und zwar auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichsten (Stress-) Situationen. Die Aufgabe des verantwortlichen Trainers ist, jeden einzelnen Spieler so gut kennen zu lernen, dass er weiß was dieser aus Spannungssicht benötigt und ihn auf dem Weg dahin wiederum zu unterstützen.

Dass letztes Jahr im DFB-Pokal-Halbfinale Bayern gegen Dortmund sowohl Philipp Lahm als auch Xabi Alonso ausgerechnet beim Elfmeterschießen ausrutschen, ist sicherlich auch bzw. wahrscheinlich vor allem der zu hohen eigenen Spannung zusätzlich zu dem glatten Rasen zuzuschreiben, auf dem die beiden Spieler im Spiel zuvor ja im übrigen auch nicht ausgerutscht sind.

Durch mentales Coaching entwickeln und befähigen wir Sportler und Trainer den geeigneten und wirkungsvollen Umgang mit Anspannung, Entspannung zu erlernen, um im „moment of need“ die Wohlspannung zu haben, die eine wirksame Voraussetzung für Erfolg ist.

Bis zur nächsten Kolumne, uns allen eine herausragend gute Zeit und packende Fußball-Spiele in „Wohlspannung“.

Herzlichst und sportlichst

Michael von Kunhardt