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„Der große Traum ist von heute auf morgen geplatzt“

André Arbes aus Gaudernbach war ganz kurz davor Fußball-Profi zu werden, bis ihn ein folgenschwerer Zweikampf vehement aus seinem Traum riss.

André Arbes (re.) mit flw24 Redakteur Timm Henecker. Foto: Dominik Groß

Der aus Gaudernbach stammende André Arbes hat in seinem Fußballerleben einige Höhen und Tiefen erlebt. Viele kennen ihn noch von den Sportplätzen der Region, wo er für einige Vereine im flw-Land die Fußballschuhe schnürte, ehe er mit gerade einmal 26 Jahren seine einst verheißungsvolle fußballerische Karriere beendete. Heute ist der 38-jährige Junior-Chef des von seinen Eltern gegründeten und in unserem Landkreis sehr bekannten Fahrschul-Unternehmens Heart-Drive – wer kennt die Fahrschule mit dem markanten Herz-Logo nicht. Die fußballerische Geschichte von André kennen aber indes nur die Wenigsten, denn allzu oft erzählt er diese nicht. Kurz vor der Unterschrift eines gut dotierten Profivertrags mit einem Bundeligisten platzte der Traum des damals 17-Jährigen wie eine Seifenblase. Wir haben uns mit André zu einem - wie wir finden - außergewöhnlichen Gespräch getroffen und er hat uns seine höchst interessante, mitunter äußerst tragische Geschichte erzählt, deren Ausgang er heute aber nicht mehr nachtrauert.

Von Charlie Körbel entdeckt …

Angefangen hat alles in der F-Jugend seines Heimatortes Gaudernbach, wo André mit dem Fußballspielen begann. Bei einem Hallenturnier in Weilburg wurde der damals Zehnjährige aufgrund seiner starken Technik und Ballbeherrschung von Eintracht Frankfurt entdeckt, genauer gesagt von Eintracht-Legende Charlie Körbel, der als Scout für die Hessen tätig war. Für André folgte im Alter von 11 Jahren der Wechsel in die D-Jugend von Eintracht Frankfurt. Glücklicherweise, so André, war sein Opa Rentner und nahm sich die Zeit, André vier bis fünfmal die Woche nach der Schule nach Frankfurt zum Training zu fahren. Ein irres Pensum für einen 11-Jährigen.

„Die Tage damals waren wirklich lange: Aufstehen um 7 Uhr, dann zur Schule nach Weilburg, danach zum Training nach Frankfurt und abends wieder zurück. Gegessen und Hausaufgaben habe ich damals meist im Auto gemacht“, erinnert sich André. Seine Familie hat ihn dabei aber stets unterstützt. Die Fußballer-Gene hat er im Übrigen von seinem Vater Hartmut Arbes in die Wiege gelegt bekommen, der seinerzeit in der Landesliga erfolgreich für den TuS Löhnberg auflief.

A-Jugend-Bundesliga und Jugend-Nationalmannschaft

Im offensiven Mittelfeld der Eintracht wusste André sich zu behaupten und erhielt schnell Einladungen zu Spielen und Lehrgängen der Hessenauswahl sowie der Jugendnationalmannschaft (U15) des DFB. In der B-Jugend wechselte André schließlich in die Talentschmiede des damals noch erfolgreicheren Traditionsvereins Waldhof Mannheim und spielte dort obwohl er noch zum jüngeren B-Jugend-Jahrgang gehörte, bereits in der A-Jugend-Fußball-Bundesliga. Der Spielmacher wusste schließlich in Mannheim zu überzeugen und bekam Angebote vom FC Bayern München, von Ajax Amsterdam und vom Karlsruher SC. Der KSC war damals für seine Jugendarbeit bekannt, dort wurden Stars wie Oliver Kahn oder Mehmet Scholl entwickelt, daher entschied sich André für einen Wechsel nach Baden. „Beim FC Bayern schien mir der Sprung vom Nachwuchsbereich zu den Profis in die erste Mannschaft doch ein wenig zu groß und bzgl. Ajax Amsterdam wollten meine Eltern nicht unbedingt, dass ich ins Ausland gehe“, so André im Gespräch mit flw24.

Wechsel zum Karlsruher SC

Die ständige Fahrerei und täglichen Strapazen hatten mit dem Wechsel nach Karlsruhe für den mittlerweile 16-Jährigen nun ein Ende, denn André zog ins Fußballinternat des KSC. In der A-Jugend des KSC spielend, trainierte André häufig mit der Profimannschaft zusammen, deren Trainer damals kein geringerer als Winnie Schäfer war. „Im gemeinsamen Training mit Spielern wie Icke Häßler, Kiriakov oder Euro-Eddy Edgar Schmitt konnte man sich schon so einiges abschauen“. Der KSC war zu dieser Zeit ein etabliertes Team in der Bundesliga – unvergessen waren seinerzeit die UEFA-Pokal-Auftritte der Badener, etwa beim 7:0-Heimsieg über den FC Valencia. 

Auch in der Jugendnational-Mannschaft ging es für André weiter, unter anderem unter bekannten Trainern wie Bernd Stöger oder Horst Hrubesch. „Mit der Nationalmannschaft spielten wir damals auch schon mal vor 20.000 bis 30.000 Zuschauer, das waren schon außergewöhnliche Erlebnisse“. Der junge Gaudernbacher war also auf dem besten Weg zum Fußballprofi. „Im Prinzip habe ich ja ab 14 als Vollprofi gelebt, stets auf meine Ernährung geachtet, viel trainiert und nicht wie andere Jugendlichen Alkohol oder Zigaretten ausprobiert. Ich hatte sogar meinen eigenen Berater“. Er lebte wie ein Profi, er arbeitete wie ein Profi, er fühlte sich wie ein Profi und er genoss auch die Vorteile des Profi-Daseins, denn in Karlsruhe waren auch die Nachwuchstalente sehr bekannt und wurde schon früh medial begleitet. Es war eigentlich alles vorprogrammiert und angerichtet, selbst der gut dotierte Profivertrag wurde André vom KSC unterschriftsreif unterbreitet, doch dann …

„Von heute auf morgen war ich nicht mehr interessant“

… kam der Moment, der alles änderte. Ausgerechnet in der Woche, in der André seinen ersten Profivertrag beim damaligen Fußball-Bundeligisten Karlsruher SC unterschreiben sollte, kam es an einem Montagabend zu einem folgenschweren Zweikampf im Training der KSC-A-Jugend, bei dem sich André das rechte Knie schwer verletzte, inklusive Kreuzband- und Meniskusriss. Von dieser Verletzung sollte er sich nie wieder so richtig erholen und der Traum der Profikarriere platzte. „Von heute auf morgen war ich nicht mehr interessant. So ist das Geschäft nun mal“, sagt André zurückblickend.

Selbstverständlich kümmerte er sich in der anschließenden Reha wieder darum, Anschluss zu finden: „Ich schuftete acht Stunden täglich über viele Monate für mein Comeback, der KSC unterstützte mich auch sehr, aber ich merkte nach der Reha schnell, das etwas anders ist und ich nicht mehr so wendig und agil war wie vorher.“ Auch der KSC rückte schließlich von André ab und vermittelte ihn zu Borussia Fulda in die Regionalliga, doch dort fühlte sich André nicht wohl, was sicherlich auch an seiner tief enttäuschten Grundeinstellung lag, denn schließlich war sein zum Greifen naher Traum, auf den er jahrelang mit viel Eifer und großem Verzicht  hingearbeitet hatte, geplatzt!

Zurück in die Heimat

André ging wieder zurück nach Gaudernbach, nach Hause zu seinen Eltern. „Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen, fand alles Scheiße, habe auch eine Zeitlang kein Fußball mehr geschaut und war sicher auch für meine Mitmenschen schwierig in dieser Phase. Meine Eltern haben mich in dieser sehr schwierigen Zeit aber wieder aufgepäppelt und mich immer unterstützt, deswegen bin ich ihnen sehr dankbar.“.

Es folgte ein komplett anderes Leben, als André es sich vorgestellt hatte. Seine Eltern gründete im Jahr 2001 die Fahrschule Heart-Drive und André fing zwei Jahre später im heimischen Betrieb an zu arbeiten. Fußballerisch zog es ihn in die Oberliga zum FSV Braunfels, wo er mehrere Jahre spielte, danach folgten noch kurze Stippvisiten beim SG Kubach/Edelsberg, beim RSV Weyer, bei der SG Niedershausen/ Obershausen und beim VfR Limburg 07. Das Engagement bei der SG Niedershausen/Obershausen bezeichnet er im Nachhinein übrigens als die schönste Zeit in seiner Amateurzeit: „Dort hatten wir eine unglaublich schöne Gemeinschaft. Das hat richtig Spaß gemacht“.

Karriereende und Happy-End 

Mit nur 26 Jahren beendete André seine Fußball-Karriere, die einst so verheißungsvoll begonnen hatte, allerdings schon wieder, weil er den Fokus auf den Ausbau des Fahrschul-Familienbetriebs legte. „Die beruflichen Anforderungen wurden immer zeitintensiver, so dass ich mich dann entschlossen habe mit dem Fußball aufzuhören und mich auf meine berufliche Laufbahn zu konzentrieren. Außerdem wollte ich auch irgendwie meinen Eltern, zu denen ich ein tolles Verhältnis habe, etwas zurückgeben, weil sie mich immer so unterstützt haben und mich damals in der schweren Zeit aufgefangen haben“, so André. Die Fahrschule Heart-Drive hat mittlerweile 28 Mitarbeiter, ist an sechs Standorten zwischen Limburg und Idstein vertreten und mittlerweile schon mehr ein Ausbildungszentrum für den Straßenverkehr als eine reine Fahrschule. 

Heute ist der 38-jährige glücklich verheiratet und Vater eines 2 Jahre alten Steppke. Mit seiner kleinen Familie lebt André in Limburg und ist rundum glücklich: „Wer weiß, wie alles verlaufen wäre, wenn ich mich damals nicht verletzt hätte. Wenn ich heute gefragt werde, ob ich im Nachhinein mit dem Leben als Fußball-Profi tauschen würde, wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich definitiv ´Nein´ sagen, denn mein Leben ist toll so wie es ist“, sinniert er. „Die Erfahrungen, die ich gemacht habe kann mir keiner mehr nehmen. Ich habe ein bisschen am Profi-Dasein geschnuppert, aber ich bin dankbar für das Hier und Jetzt und für das, was ich mir mit meiner Familie aufgebaut habe.“ Bei der Frage, ob er seinem Sohn einen solchen fußballerischen Werdegang wie den seinen wünschen würde, gerät André ins Stocken. „Natürlich schaue ich, ob er mit dem Ball umgehen kann und sowas. Das ist ja ganz normal, aber, ob ich ihm raten würde Fußballer zu werden, weiß ich nicht, denn ich verbinde natürlich vor allem mein negatives Erlebnis mit dem Fußball. Vielleicht macht er sich ja später nichts aus Fußball, dann komme ich auch nicht in die Bredouille“, so André schmunzelnd.