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"Ohne uns geht es nicht"

flw24 im Gespräch mit Hessenliga-Schiedsrichter Frederik Angermaier (SV Oberselters)

Frederik Angermaier pfeift seit diesem Jahr in der Hessenliga.

Fußball ist denkbar einfach. Man braucht zwei Mannschaften, ein Spielfeld, Tore und einen Ball – schon kann es losgehen. Spätestens wenn der Wettkampfgedanke hinzukommt und beide Mannschaften um Punkte und Titel kämpfen, ist allerdings ein weiterer Faktor notwendig: der Schiedsrichter. Oftmals müssen sich diese während dem Spiel Beschimpfungen anhören und stehen nach einer Partie bei mindestens einer der aufeinandertreffenden Mannschaften und den jeweiligen Fans in der Kritik, aber ohne die „Männer in Schwarz“ würde es den Fußball, den wir heute kennen und lieben, nicht geben.

Schiedsrichter gehören zum Fußball wie Bratwurst und Bier zur Kreisliga. Daher wollen wir uns heute einmal den Unparteiischen widmen, die in der Fußball-Berichterstattung doch häufig vernachlässigt werden. Dazu haben wir den ranghöchsten flw-Referee, Frederik Angermaier aus Schwickershausen, zum Interview getroffen und ihn zu seinem Schiedsrichter-Leben befragt. 

Auch Schiedsrichter können absteigen

Oft sieht man Frederik nicht mehr auf den Sportplätzen im Landkreis, denn seit diesem Jahr pfeift der 26jährige in der Hessenliga – und dort natürlich keine Spiele des SV Rot-Weiß Hadamar. „Meistens bin ich nur noch für Freundschaftsspiele oder im Kreispokal hier im Kreis im Einsatz“, sagt der Referee, der für den SV Oberselters aktiv an der Pfeife ist. Innerhalb von elf Jahren – 2007 absolvierte er erfolgreich seinen Schiri-Lehrgang – konnte er sich in die höchste Liga Hessens vorarbeiten und assistierte sogar schon in der Jugendbundesliga. Aber wie steigt man eigentlich als Schiedsrichter, ohne Punktewertung und Tabelle, auf? „Durch Beobachtungen, bei denen man nach einem Schema benotet wird.“, antwortet der junge Schiedsrichter. Falsche Verwarnungen und gravierende Fehlentscheidungen, können einen Abstieg zur Folge haben, anhaltende tadellose Leistungen werden mit Aufstiegen belohnt. Ihre Eignung müssen Schiedsrichter auf Verbandsebene zudem bei einem einmal im Jahr stattfindenden Lehrgang mit einem Regeltest sowie den monatlichen Hausregeltests und bei sportlichen Prüfungen nachweisen. Um für die Prüfungen und die Spiele fit zu sein, trainiert Frederik, der durch seinen Vater zur „Schiedsrichterei“ kam, zwei bis dreimal die Woche.

 

„Kartenrekord“ mit vier Platzverweisen

In den elf Jahren als Unparteiischer hat der Schwickershäuser schon so einiges erlebt und in verschiedenen Klassen gepfiffen. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob man denn auch als Schiedsrichter den Unterschied zwischen höherklassigen und unterklassigen Ligen merkt? „Der Fußball ist gerade in den höheren Ligen schneller, insgesamt dynamischer. Das führt dazu, dass man meistens mehr Spielfluss hat und weniger Vergehen pfeifen muss. Es gibt insgesamt weniger Spielunterbrechungen.“ Ausnahmen bestätigen allerdings auch hier die Regel. Seinen persönlichen „Kartenrekord“ erlebte Frederik in einem Relegationsspiel zur Gruppenliga in Frankfurt. Dort musste er insgesamt zwei Gelb-Rote, zwei Rote und acht weitere Verwarnungen aussprechen. „Das sind meistens die Spiele, die ich gerne schnell vergesse. Ich bin eigentlich immer froh, wenn ich mit 22 Leuten vom Platz gehen kann - und ja, ich konnte ohne Polizeischutz o.ä. das Feld und den Sportplatz verlassen.“, sagt der 26jährige mit einem Lachen. Gerade in solchen Partien ist es wichtig, dass der Schiedsrichter Persönlichkeit und Charakter vorweisen kann und eine klare Linie hat. Zudem sollte ein Referee kommunikativ sein und sich zu verkaufen wissen, so Frederik zu den wichtigsten Eigenschaften eines Unparteiischen.

 

„Ohne uns geht es nicht“

Als persönliches Highlight seiner bisherigen Schiri-Karriere nennt unser Interviewgast das Traumspiel der Bayern Kings gegen den FC Bayern München im Jahr 2012 bei seinem Heimatverein in Selters. „Wenn man als Schiri zum Warmlaufen rausgeht und die Zuschauer winken und jubeln einem zu – das ist was Einmaliges.“, beschreibt der 26jährige sein Erlebnis vor sechs Jahren. Genau diese Anerkennung vermisst der Unparteiischen in letzter Zeit immer mehr. „Der Wettskandal, ausgelöst von Herrn Hoyzer oder die Geschichte mit Herrn Amerell hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass die Wahrnehmung positiver geworden ist. Es ist schade, dass durch diese Einzelfälle generell das Schiedsrichter-Wesen schlecht dargestellt wird und auch die Kameraden sonntags auf dem Sportplatz damit in Verbindung gebracht werden.“, beklagt er sich und führt dies auch als Gründe für die Probleme bei der Nachwuchsgewinnung von Schiedsrichtern an. „Ich würde mir wünschen, wenn Spieler, Funktionäre und Zuschauer uns Schiedsrichter (wieder) mehr als einen Teil des Fußballsportes sehen und der Umgang(-ston) respektvoller wird. Insbesondere in den unteren Spielklassen ist es teilweise nicht mehr hinnehmbar, wie Schiedsrichter beleidigt und auch körperlich angegangen werden. Wir sind ein Teil des Sports und ohne uns geht es nicht! Ich muss aber auch sagen, wir Schiedsrichter dürfen uns nicht zu wichtig nehmen – wir sind genauso nur ein Teil wie es auch Fußballer, Trainer/Offizielle und Zuschauer sind.“

Die wohl meist diskutierteste Frage in der Fußballwelt ist momentan wohl die Debatte um den Videobeweis. Zum Abschluss wollten wir natürlich auch von Frederik wissen, wie er als Schiedsrichter zu der Frage steht – und auf ein klares Statement kann auch er sich nicht festlegen. „Aus Schiedsrichtersicht kann ich verstehen, dass die Kameraden in der Bundesliga sich für den Videobeweis aussprechen. Als Fußballfan bin ich allerdings kein Freund davon.“, antwortet er diplomatisch.

Wir bedanken uns bei Frederik für das nette Gespräch und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg an der Pfeife.