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„Ein Wort gilt heute nicht mehr so viel“

Interview mit Bernd Schröder, Trainer der SG Weinbachtal

Bernd Schröder Trainer der SG Weinbachtal.

War früher wirklich alles besser? „Nicht besser, nur anders“, sagt Bernd Schröder. Und er muss es wissen: Schon seit mehr als 25 Jahren ist der aktuelle Übungsleiter der SG Weinbachtal im Trainergeschäft. Wir haben ihn zum Interview getroffen und darüber gesprochen, was sich im Laufe der Jahre verändert hat, vor welchen Herausforderungen ein Kreisliga-Coach steht und warum er Verständnis hat für Spieler, die mit dem Fußball ein paar Euro verdienen wollen.

Nach dem Training und dem Spiel gehen alle gleich nach Hause, die jungen Spieler tragen keine Tore mehr, eine gegebene Zusage ist nichts mehr wert, wenn ein anderer Verein mit ein paar Scheinen wedelt und jeder fährt während der Saison in Urlaub, wie er gerade Lust und Laune hat. Früher war das ganz anders… Ist das wirklich so, Bernd? Hat sich so viel zum Schlechten verändert in den letzten 25 Jahren? Bei dieser Frage muss Bernd erstmal schmunzeln. „Verändert hat sich sicher Vieles, aber dass es schlechter ist, würde ich nicht unbedingt unterschreiben.“

„Die Jungen haben heute eher ein Problem damit, im Training ein Tor zu tragen“
Was hat sich denn deiner Meinung nach verändert? „Es stimmt schon, dass die Jungen heute eher ein Problem damit haben, im Training ein Tor zu tragen – das lässt sich allerdings generell beobachten, dass es eine weniger klare Hierarchie gibt als früher. Früher waren die Jungen dafür zuständig, die Materialien zu holen, heute lassen die Jungen das nicht mehr mit sich machen. Hätten sie sich früher beschwert, hätte es anschließend im Training ein paar blaue Flecken gegeben. Aber ob das wirklich besser war? Das muss jeder für sich beurteilen.“ Dass es weniger Hierarchie gibt bzw. eine andere, sieht man bekanntlich auch im Profifußball – Michael Ballack als klarer Anführer wurde von Philipp Lahm abgelöst, der eher das Gespräch (und manchmal auch den Artikel in der Bild-Zeitung) suchte.

„Auch wir haben früher gearbeitet oder studiert - und haben trotzdem trainiert“
An den oft zu hörenden Klagen, die dritte Halbzeit würde aussterben, will sich Bernd nicht beteiligen: „Bei uns bei der SG Weinbachtal bleiben die Jungs nach dem Spiel zusammen. Auch von anderen Vereinen kenne ich es nur so. Es bleibt vielleicht nicht die ganze Mannschaft sitzen, aber ich denke, es gibt in fast jedem Verein einen Kern, der nach wie vor gerne zusammensitzt.“ Den Grund dafür, dass Einige nach dem Spiel ihrer Wege gehen, sieht er in den wandelnden Prioritäten: „Heute steht der Fußball eben nicht mehr unbedingt an erster Stelle. Da ist der Job, das Studium, die Freundin… Heutzutage sagen die Jungs schnell ab, wenn die Arbeit stressig ist oder im Studium eine Klausur ansteht – dafür hält sich mein Verständnis ehrlich gesagt in Grenzen, denn auch wir haben früher gearbeitet oder studiert - und haben trotzdem trainiert.“ Diesen Wandel in den Prioritäten merke man auch an den vielen Ausfällen wegen Urlaubsreisen während der Saison. „Das gab es früher sicher nicht in diesem Ausmaß“, sieht der A-Lizenz-Inhaber einen großen Unterschied zu früheren Zeiten.

„Geld wurde auch früher schon bezahlt“
Dieses Thema „Zuverlässigkeit“ spielt auch eine große Rolle während der Wechselperioden im Sommer und im Winter. Nicht selten sagen Spieler bei dem einen Verein zu und wechseln im nächsten Moment ihre Meinung. Es soll sogar Fälle gegeben haben, in denen Spieler während einer Wechselperiode gleich mehrmals den Verein gewechselt haben. Zu den Vereinswechseln hat Bernd eine differenzierte Meinung: „Man sollte nicht das Schwert über Spielern brechen, die sich bei einem anderen Verein ein paar Euro dazuverdienen können – wenn man ein besseres Jobangebot bekommt, kommt man ja auch ins Grübeln.“ Und Geld sei auch früher schon bezahlt worden, sei es von den Vereinen direkt, von Sponsoren oder von Privatpersonen. „Das ist keine neue Entwicklung.“ Spieler, die sich sportlich verbessern wollen, um ihr Potential auszuschöpfen, ermutigt das Mitglied im Bund deutscher Fußballlehrer ausdrücklich: „Wenn junge Spieler sich sportlich verbessern können, dann sollten sie es probieren.“ Deswegen verstand er auch die ganze Aufregung rund um die Wechsel von Leon Burggraf und Raphael Schmidt nicht.

„Ein Wort gilt heute nicht mehr so viel“
Was den Wankelmut mancher Spieler angeht, die bei mehreren Vereinen zusagen, so hat der in Groß-Gerau Aufgewachsene, der in der A-Jugend der Offenbacher Kickers mit dem späteren Eintrachtler Ralf Weber zusammenspielte und später selbst als Trainer der Offenbacher A-Jugend mit seinen Jungs in die Bundesliga aufstieg, eine klare Meinung: „Wen man bei einem Verein im Wort steht, dann sollte man anderen Angeboten widerstehen, denn die Vereine planen mit den Spielern und haben dann meist keine Zeit mehr, adäquaten Ersatz zu verpflichten. Leider gilt ein Wort heute nicht mehr so viel wie früher“, sieht Bernd die heute fehlende Verbindlichkeit kritisch.

Für Bernd war immer wichtig, dass die Vereine, bei denen er als Trainer tätig war, sich auf ihn verlassen konnten. „Bei allen meinen Stationen war ich viele Jahre, sei es in Kubach/Edelsberg, Dauborn/Neesbach oder der SG Weinbachtal – ich denke, das spricht für das gute Verhältnis, das wir immer hatten bzw. haben.“  Seine eigene Rolle beschränkt er in den Vereinen nicht nur auf die Trainingsarbeit. „Als Amateurtrainer bin ich nicht nur auf Erfolg aus und wechsle nach zwei Jahren wieder den Verein, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt. Man ist vielmehr auch dafür da, sich am Vereinsleben zu beteiligen und es aufrechtzuerhalten. Im Grund begleitet man den Verein ja nur auf einem Stück seines Wegs. Der viel größere Respekt gebührt sowieso den Personen im Hintergrund, den Spielausschüssen, den Betreuern und all den anderen, die ehrenamtliche Arbeit leisten.“

„Ich will, dass die Spieler ehrlich zu mir sind“
Und wie hält es Bernd mit Absagen per WhatsApp? Für die Spieler ist eine Absage per Textnachricht natürlich bequemer als dem Trainer persönlich sagen zu müssen, dass man und warum man nicht zum Training erscheint. „Zu Beginn meiner Trainerlaufbahn habe ich Absagen natürlich nur telefonisch und persönlich entgegengenommen. Mittlerweile akzeptiere ich auch Absagen per WhatsApp.“ Aus pragmatischen Gründen, wie der in Weyer lebende 48-Jährige betont. „Heutzutage will und kann ich einfach nicht mehr ständig auf der Arbeit angerufen werden.“ Ein „Aber“ gibt es allerdings bei den Absagen per WhatsApp: „Aber ich will zumindest  einen Grund wissen, warum jemand nicht kann. Ich habe es lieber, dass man ehrlich zu mir ist und sagt, dass man platt von der Arbeit ist oder sich mal um die Freundin kümmern muss, als dass man mir irgendwelche Geschichten auftischt.“ Generell ist er der Meinung, dass die Spieler sicher auch die bequeme Lösung per Nachricht gewählt hätten. „Als ich angefangen habe, gab es ja noch nicht mal Handys. In diesem Bereich hat sich eben viel verändert. Wie auch sonst im Amateurfußball. Das heißt keinesfalls, dass es schlechter ist. Nur eben anders…“

P.S.: Bernds sportliche Biographie haben wir übrigens bereits in einem <link stories interviews details archiv dezember artikel interview-mit-bernd-schroeder>früheren Interview auf flw24.de aufgeführt. Diese hat sich seit dem Interview im Jahr 2008 lediglich um die FSG Dauborn/Neesbach und die SG Weinbachtal erweitert.

P.P.S.: Bei all den Dingen, die sich geändert haben, hat sich eine Sache nicht geändert, für die Bernd sehr dankbar ist: „Als Fußballtrainer bist du viel unterwegs. Dazu spielt unser Sohn selbst Fußball und ist als Schiedsrichter aktiv und unsere Tochter tanzt drei- bis viermal die Woche in Limburg. Viel Zeit also für all die Hobbies und viel Fahrerei – da brauchst du eine fußball- bzw. sportverrückte Frau, die dich unterstützt.