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„Ohne Amateurvereine auch keine Profifußballer“

Kreisfußballwart Jörn Metzler im flw24-Interview

Kreisfußballwart Jörn Metzler.

Woche für Woche schauen wir auf die zahlreichen Spiele in den einzelnen Ligen im Fußballkreis Limburg-Weilburg. Dass diese erst durch viele ehrenamtliche Helfer in den Vereinen und auf Funktionärsebene ermöglicht werden, kommt oftmals viel zu kurz. Wir haben uns daher mit unserem Kreisfußballwart Jörn Metzler ausführlich über das Thema „Amateur-Fußball“ unterhalten und spannende Einblicke bekommen.   

flw24: Hallo Herr Metzler, schön, dass Sie sich unseren Fragen stellen. Zunächst einmal würden wir gerne wissen, welche Aufgaben Sie als „erster Mann im Fußballkreis“ eigentlich haben. Wie können wir uns die Arbeit als Kreisfußballwart vorstellen?

Jörn Metzler: Der Kreisfußballwart ist rein von der Definition die spielleitende Stelle im Fußballkreis. Dies ist selbstverständlich als Einzelperson nicht darstellbar. Daher werden diese vielfältigen Aufgaben innerhalb des Kreisfußballausschusses aufgeteilt. Es macht ja keinen Sinn, wenn z.B. der Fußballwart als Klassenleiter für alle Spielklassen im Kreis fungiert. Nur wenn wir hier als Team funktionieren, können wir unsere Aufgaben zur Zufriedenheit der Vereine bewältigen. Die Festlegung des Spielsystems im Kreis, die Organisation der Kreispokalwettbewerbe gehört hier genauso dazu wie der Austausch mit den Kollegen der Fußballkreise in der Region Wiesbaden.

Der Kreisfußballwart ist außerdem gleichzeitig Mitglied des Verbandsvorstandes im HFV. Der Verbandsvorstand trifft sich mehrmals im Jahr mit dem Präsidium und den Ausschüssen und bespricht aktuelle Punkte sowie diverse Anträge wie z.B. Änderungen in der Spielordnung.

Hinzu kommen natürlich viele Veranstaltungen, Vereinsjubiläen etc. an denen man den Fußballkreis vertreten darf. Für mich ist es außerdem wichtig, am Wochenende auf den Sportplätzen im Kreis zu sein, um auch vor Ort mit den Vereinen ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es mir persönlich völlig egal, ob es sich um C-Ligisten oder um einen Verbandsligisten handelt. Nicht vergessen darf man natürlich auch nicht die Bearbeitung der vielen telefonischen und schriftlichen Anfragen seitens der Vereine oder des Verbandes. Das Email-Postfach wird da täglich reich gefüllt und erfordert oft eine schnelle Bearbeitung.

„Der DFB kommt in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht weg“ 

flw24: Muss Ihrer Meinung nach der DFB insgesamt mehr für die Amateurvereine tun? Ist die Diskrepanz zwischen Profis und Amateuren zu groß geworden?

Jörn Metzler: Aus meiner Sicht muss man hier eine klare Trennung zwischen dem DFB und der DFL ziehen. Der DFB kommt in der öffentlichen Wahrnehmung, was den Amateurfußball betrifft, zu schlecht weg. Man hat beim DFB vor Jahren schon durchaus erkannt, dass die Amateurvereine Unterstützung brauchen. Schlagworte wie demographischer Wandel, Ganztagesschulen, sinkende Mannschaftszahlen im Jugend- und Seniorenbereich, Zunahme von Spielgemeinschaften sind schon früh innerhalb der Gremien diskutiert worden. 

Mit der Amateurfußball-Kampagne und dem Masterplan versuchen wir gerade im DFB und den Landesverbänden, die Amateurvereine zu unterstützen. Bessere Ausbildung für Jugendbetreuer, Trainer und Schiedsrichter sind nur einige Eckpunkte. Im organisatorischen Bereich wird außerdem ein Schwerpunkt auf die Gewinnung von Ehrenamtlichen innerhalb der Vereine Wert gelegt. Schulungen für Vorstandsmitglieder in den Bereichen Vereinsführung, Steuerrecht etc. sind Beispiele dafür. Generell bin ich schon der Meinung, dass beim DFB im Augenblick viel Positives angestoßen wird. Die Frage wird letztendlich sein, was davon wirklich bei den Vereinen ankommt.

„Ohne Amateurvereine gibt es keine Profis“


flw24: In der kommenden Saison wird es an manchen Sonntagen noch ein drittes Bundesliga-Spiel zeitgleich zum Amateur-Fußball geben. Die falsche Entwicklung?

Jörn Metzler: Für mich persönlich ist es natürlich keine schöne Entwicklung. Wenn Zuschauer sonntags lieber zu Ihrem Lieblingsverein in der Bundeliga fahren, anstatt ihren Heimatverein anzufeuern, ist das schon kritisch zu sehen. Den Amateurvereinen gehen hier auch Einnahmen verloren, die sie dringend benötigen. Noch schlimmer ist, wenn Spieler lieber im Stadion sitzen, als im Heimatverein zur gleichen Zeit dem runden Leder nachzujagen. Das gibt einem schon zu denken.

Die Interessen des DFB und der DFL sind in Punkten unterschiedlich. Die DFL als Sprachrohr der Profivereine hat hier auch einen kommerziellen Anspruch. Wie kann ich z. B. die Spiele der Profiligen noch besser vermarkten?

Der DFB als Dachverband muss und will auf der anderen Seite auch seine Amateurvereine schützen. Denn eines ist klar: Jeder Profifußballer hat irgendwann einmal in der Jugend eines Amateurvereins sein Handwerk gelernt. Ohne Amateurvereine auch keine Profifußballer!  Im neuen Grundlagenvertrag zwischen dem DFB und der DFL wurde angestrebt, die Belange aller Beteiligten zu regeln. Mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln für den DFB und damit für die Landesverbände wird versucht, durch sinnvolle Kampagnen und Maßnahmen dem Amateurfußball unter die Arme zu greifen.

flw24:Als Funktionär wissen Sie wie die Gelder im Fußball-Bereich fließen. Können Sie uns dazu einmal einen Einblick gewähren? Was bekommt der HFV vom DFB und wie viel bleibt da noch für das flw-Land übrig?

Jörn Metzler: Gemäß Grundlagenvertrag wird der DFB weiter 5 Millionen Euro jährlich an die 21 Landesverbände zur Stärkung ihrer finanziellen Grundlage und Entlastung der Vereine zahlen.

Daneben werden zusätzliche 3 Millionen Euro jährlich für bessere Rahmenbedingungen der Arbeit an der Basis fließen. Die DFL wird neben den bestehenden Leistungen 2,5 Millionen Euro jährlich zweckgebunden für konkrete Projekte im Rahmen des Masterplans Amateurfußball bereitstellen.

„Masterplan Amateurfußball“

Mit dem Masterplan für die Jahre 2017-2019 sollen jetzt neue Schwerpunkte wie die Flexibilisierung des Spielbetriebes, die Qualifizierung und Beratung von ehrenamtlichen Vereinsmitarbeitern, die Qualifizierung der Schiedsrichter und die noch stärkere Kommunikation mit der Kreisebene in den Vordergrund gerückt werden. Diese Maßnahmen kosten Geld und der DFB und die DFL stellen dies jetzt zusätzlich zur Verfügung. Somit partizipieren aus meiner Sicht auch die Vereine unseres Kreises von diesen Geldern. Nicht zu vergessen sind die Erleichterungen für die Vereine durch die ständige Weiterentwicklung des DFBNET. Module wie Pass Online tragen zu einem merkbaren Abbau der Bürokratie bei.

flw24: Unter dem Motto „Rettet die Amateurvereine“ wurde in Bayern ein Forderungskatalog zur Existenzsicherung von Amateurvereinen aufgestellt. Was beinhaltet dieser Forderungskatalog und inwiefern sind die Forderungen aus Ihrer Sicht sinnvoll bzw. durchführbar?

„Wir sind alle Teil der Kommerzialisierung“

Jörn Metzler: Das Motto dieser Initiative ist ja im Grundsatz richtig. Die Frage, die sich mir stellt, ist die Herangehensweise.  Fakt ist doch: Die Kommerzialisierung der Profivereine halten wir nicht auf. Wir sind doch ein Teil davon. Fragen Sie einmal nach, wer mittlerweile ein Abo eines Bezahlsenders abgeschlossen hat, um die Spiele der Bundesliga verfolgen zu können. Aus meiner Sicht können alle nur gemeinsam die Probleme lösen. Amateure und Profis.

flw24: Immer mehr Vereine müssen aus Spielermangel Spielgemeinschaften eingehen. Im neuen Jahr werden bspw. die Traditionsvereine aus Eisenbach und Haintchen zusammengehen. Ist das nicht schade? Was muss sich im System ändern, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken oder ist es gar nicht aufzuhalten?

Jörn Metzler: Natürlich ist diese Entwicklung nicht schön. Oft ist es auch so, dass Vereine, die im Jugendbereich bereits eine JSG gegründet haben, über kurz oder lang auch im Seniorenbereich zusammenarbeiten wollen / müssen. Kurzfristig wird es schwierig sein, diese Entwicklung aufzuhalten. Umso wichtiger ist es, den Vereinen Werkzeuge und Möglichkeiten an die Hand zu geben, damit sich das wieder ändert.

Fragestellungen hierzu sind für mich:

  • Wie kann ich meinen Verein für Kinder & Jugendliche wieder attraktiv machen?
  • Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um Kinder wieder für den Fußball im Verein zu gewinnen?
  • Wie kann und muss die Zusammenarbeit mit den Schulen funktionieren?
  • Wie kann ich mein Spielsystem noch flexibler gestalten?

flw24: Haben Sie sich auch als Folge dieser Entwicklung für eine zweigleisige B-Liga ab der kommenden Saison entschieden? 

Jörn Metzler: Das Thema zweite B-Liga ist ja schon seit mehreren Jahren in der Diskussion. Nachdem es vor Jahren versäumt wurde, eine D-Liga für in Konkurrenz spielende Reservemannschaften zu bilden, haben wir in unserem Kreis durch die 3 C-Ligen die Situation, dass über 50% der Vereine in der untersten Klasse spielen. Dies ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel.

„Mehr Derbys“

Durch die zweite B-Liga wollen wir diesem Umstand Rechnung tragen, zumal aus meiner Sicht das Leistungsgefälle eine solche Einteilung zulässt. Ich erhoffe mir hiervon mehr Derbys und dadurch auch mehr Interesse und Zuschauer auf den Sportplätzen. Die Richtigkeit dieser Maßnahme muss man dann in ein bis zwei Jahren neu bewerten. 

flw24: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Jugendarbeit in den heimischen Fußballvereinen?

„Integration funktioniert nirgendwo besser als im Verein“

Jörn Metzler: Hier möchte ich einmal eine Lanze für unsere Fußballvereine im Kreis brechen. Was in den einzelnen Jugendabteilungen geleistet wird, kann man nicht hoch genug bewerten. Themen wie Integration und Teamgeist werden nicht nur plakativ proklamiert sondern täglich gelebt. Ohne die ehrenamtlichen Trainer und Betreuer, die täglich auf den Sportplätzen unseres Kreises die Kinder und Jugendlichen ausbilden, hätten wir neben den Nachwuchsproblemen in den Seniorenmannschaften auch ein gesellschaftliches Problem. Noch einmal: Integration funktioniert nirgendwo besser als im Verein.

Wir legen zusätzlich viel Wert auf die Aus- und Weiterbildung unserer Jugendtrainer. Unser verantwortlicher Koordinator für Qualifizierung, Marcus Kasteleiner, trägt mit seinem Engagement dazu bei, das wir hessenweit jedes Jahr einen Spitzenplatz im Bereich der Weiterbildung einnehmen.

flw24: Ein erneuter Zwischenfall mit dem Verein WGB Weilburg erhitzte zuletzt die Gemüter im Fußballkreis Limburg-Weilburg. Wie stehen Sie zu der Thematik? Welche Maßnahme werden diesbezüglich nun ergriffen?

Jörn Metzler: Bei aller Emotionalität müssen wir auch hier die Vorgehensweise einhalten.

Auf der Kreisebene gibt es eine klare Zuständigkeit. Für die Behandlung von Platzverweisen, Vorfällen auf und neben dem Sportplatz ist zunächst das Sportgericht zuständig. Hier werden die einzelnen Verfehlungen der Spieler, Funktionäre und Vereine abgeurteilt. Allerdings ist es uns als Kreisfußballausschuss ein großes Anliegen, Aggressionen und Gewalt von unseren Sportplätzen fernzuhalten. Dies kann man auch nicht nur auf einen Verein reduzieren. Wenn ich mir die verschiedenen Vorfälle des letzten halben Jahres ansehe, dann betraf das nicht nur die WGB Weilburg.

„WGB wird an einem Coaching teilnehmen“

Mit den Verantwortlichen der WGB haben Klassenleiter Matthias Bausch und ich uns im Übrigen letzte Woche zusammengesetzt, um Lösungen für die allgemeine Problematik anzubieten. Auch mögliche Konsequenzen für den Verein wurden angesprochen. Der Verein hat sich bereit erklärt, an einem Coaching, welches der HFV anbietet, teilzunehmen. Hierbei gehen Mitarbeiter des HFV in den Verein und betreuen diesen über einen längeren Zeitraum im Trainings- und Spielbetrieb. Diese Art des Coachings hat auch in anderen Kreisen in Hessen schon große Erfolge erzielt und wir erhoffen uns einen ähnlichen Effekt.

flw24: Was sind Ihre persönlichen Ziele für den Fußballkreis Limburg-Weilburg? 

„Wir müssen den Vereinen ermöglichen, dass sie Fußballspielen können“

Jörn Metzler: Ganz einfach: Wir als KFA müssen den Vereinen auch zukünftig ermöglichen, dass sie Fußballspielen können. Die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger. Umso wichtiger ist es, Konzepte zu entwickeln, die das sicherstellen. Ein homogener Spielbetrieb ist hierfür essentiell. Diesen haben wir aktuell und wir müssen alles dafür tun, dass es auch so bleibt.

flw24: Als Funktionär muss man ja immer unparteiisch sein, aber sicherlich haben auch Sie Ihren Lieblingsverein in der Bundesliga und auch im Kreis, dem Sie besonders die Daumen drücken?

Jörn Metzler: In der Bundesliga gibt es für mich seit über 40 Jahren nur die Borussia aus Mönchengladbach.  Die Elf vom Niederrhein hat mich schon immer fasziniert. Hier bin ich Mitglied und Besitzer von zwei Dauerkarten. Allerdings freue ich mich auch über die aktuellen Erfolge der Eintracht. Als Hesse bin ich ja dann doch ein wenig patriotisch.

Hier bei uns im Kreis bin ich absolut unparteiisch. Ich freue mich außerordentlich über die tolle Saisonleistung von RW Hadamar in der Hessenliga und im Hessenpokal und die nicht erwartete gute Platzierung des TuS Dietkirchen in der Verbandsliga Mitte, aber ich bin auch immer wieder begeistert von den vielen kleinen Vereinen, in den C-und B-Ligen die es mit großem ehrenamtlichen Aufwand und toller Kameradschaft immer wieder schaffen, einen gut funktionierenden Spielbetrieb auf die Beine zu stellen.

flw24: Herr Metzler, besten Dank für das Gespräch und die Einblicke auf der Funktionärsebene.

Das Interview führte Timm Henecker.