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„Das Bierchen nach dem Spiel hat seine Berechtigung, aber … “

Interview mit flw-Kolumnist und Sportwissenschaftler Joachim Keilholz

Timm Henecker, Joachim Keilholz und Dominik Groß (von links nach rechts).

Joachim Keilholz neuer flw24-Kolumnist.

In der vergangenen Woche konnten wir Euch bereits unseren Transfer-Coup für die neue Saison vorstellen. Joachim Keilholz, Geschäftsführer der FITNESS-pur GmbH am Limburger ICE- Bahnhof, wird in der laufenden Saison regelmäßig spannende Kolumnen aus trainings- und sportwissenschaftlicher Sicht für das flw-Land liefern. Der frühere Landesliga-Kicker und Verbandsliga-Trainer ist im Besitz der A-Lizenz und hat schon zahlreiche heimische Kicker zu Reha-Maßnahmen in seinem Gesundheitsstudio betreut. Wir haben uns kurz vor seinem Kolumnen-Start noch einmal mit Joachim getroffen und mit ihm über die schönste Nebensache der Welt gesprochen.

flw24: Hallo Joachim, wir freuen uns sehr, Dich in unserem Kolumnisten-Team begrüßen zu dürfen. Welche Themen wirst Du bei Deinen monatlichen flw-Kolumnen ansprechen?

Joachim Keilholz: Vielen Dank, ich freue mich auch sehr, dabei sein zu dürfen. Aufgrund der klar definierten Zielgruppe bei flw24 ist mein Ziel, in den Kolumnen immer den fußballspezifischen Aspekt zu berücksichtigen und nicht immer nur allgemeine Dinge zu behandeln.

Das Thema Beweglichkeit (bzw. eher das Thema fehlende Beweglichkeit) steht bei mir persönlich in den letzten Jahren definitiv im Mittelpunkt und ist bei uns zum zentralen Bestandteil im Gesundheitstraining geworden. Das wird sich sicherlich auch in den geplanten Kolumnen auswirken. In diesem Bereich können gerade auch Amateurkicker mit wenig Aufwand viel erreichen. 

flw24: Du hast uns damals schon gesagt, dass Beweglichkeit enorm wichtig sei und gerade bei Fußballern oftmals unterschätzt werde. Wie können die Spieler an ihrer eigenen Beweglichkeit arbeiten? Welche Übungen sind dabei besonders geeignet? 

Joachim Keilholz: Nachdem viele Kicker mit dem herkömmlichen Stretching gute Erfahrungen gemacht haben, ist das im Moment sicherlich der Haupttrainingsinhalt beim Beweglichkeitstraining. Das Problem ist, dass diese subjektiven Erfahrungen bisher kaum durch wissenschaftliche Studien untermauert werden konnten. Der Nutzen des Stretching wird sehr kontrovers diskutiert. Auf der anderen Seite ist die wissenschaftliche Seite nicht alleine maßgebend. Wenn sich Sportler mit ihrem Stretching-Programm wohl fühlen, dann ist das für mich zunächst einmal positiv und zeigt, dass man sich zumindest schon ein paar Gedanken zu den Themen Beweglichkeit und Verletzungsprophylaxe gemacht hat.

Muskellängen-Training

Einen weit größeren Nutzen bietet nach unserer Erfahrung das sogenannte Muskellängen-Training. Hier wird der Muskel in eine maximale Vordehnung gebracht und dann kommt eine hohe Spannung auf diesen Muskel. Das ist der notwendige Reiz, um wieder „länger“ zu werden. Dieses Konzept geht auf den Freiburger Arzt Dr. Packi zurück, der mit seiner Arbeit auch in der Schmerztherapie tiefe Spuren hinterlassen hat. Konkrete Übungen möchte ich hier noch nicht empfehlen, weil das Thema sehr komplex ist und eine intensive Betreuung und Einführung notwendig ist. Hierzu werde ich in den folgenden Kolumnen aber noch mehr sagen. Auch das Faszien-Training ist ein interessanter Ansatz, die Beweglichkeit zu verbessern. Beide Systeme lassen sich übrigens ganz hervorragend kombinieren. 

„Montagmorgens besser fühlen“

Immer mehr Menschen verstehen, worin der Nutzen einer verbesserten Beweglichkeit liegt. Weniger Schmerzen, bessere Verletzungsprophylaxe, größere Bewegungsqualität. Für Fußballer kann das konkret bedeuten, dass man sich demnächst montagmorgens einfach etwas besser fühlt.

flw24: Ernährung bleibt im Sport immer ein Thema. Kannst Du uns Amateur-Fußballer dahingehend beruhigen, dass man getrost das ein oder andere Bierchen nach einem Spiel trinken darf oder bist Du dem eher skeptisch gegenüber eingestellt? Hier interessiert uns sowohl Deine Meinung als Fußballer als auch als Sportwissenschaftler ;)

„Alles eine Frage der Balance“

Joachim Keilholz: Darüber könnte man stundenlang diskutieren. Meiner Meinung nach ist das auf unserem Niveau alles eine Frage der Balance. Das Bierchen (Achtung: Einzahl) gehört bei vielen irgendwie dazu und hat definitiv seine Berechtigung. Es geht ja auch um Kommunikation und Gemeinschaft. Da sollte man schon die Kirche im Dorf lassen. Auf der anderen Seite macht es natürlich überhaupt keinen Sinn, gerade nach einer Prellung die Erstmaßnahmen (z.B. kühlen) durch Alkoholkonsum ad absurdum zu führen. Da sollte man den gesunden Menschenverstand anschalten. 

Interessant wird zunehmend die Gluten-Thematik beim Bier. Das Thema Gluten-Unverträglichkeit wird ja immer häufiger diskutiert. Man geht davon aus, dass ca. 5% aller Menschen auf dieses Klebereiweiss im Korn (Weizen, Dinkel, Roggen usw.) mit Völlegefühl, Blähungen oder sogar entzündlichen Prozessen im Darm  reagieren. Hierbei ist interessant, dass Weizenbier gegenüber einem normalen Pils ca. 100-200x so viel Gluten enthält. Fazit: wenn man sich wohl fühlt, schadet das eine oder andere Bier sicher nicht. Aber wie bereits gesagt, es ist eine Frage der Balance. 

flw24: Im flw-Land gibt es derzeit zahlreiche junge Spielertrainer. Du hast selbst in jungen Jahren schon eine Mannschaft als Spielertrainer angeführt. Welche Erfahrungen konntest Du da sammeln und welche Tipps kannst du weitergeben? 

Joachim Keilholz: Die Erfahrungen waren durchaus positiv. Die Basis war für mich immer, dass der eigene Trainingszustand unantastbar war. Das bedeutet, sich neben den „normalen“ Trainingseinheiten, an denen man als Spielertrainier sicherlich nur bedingt aktiv teilnehmen kann, individuell fit zu halten. Spieler merken sehr schnell, wenn der Spielertrainer selbst nach Luft schnappt, bei den anderen aber höchste Ansprüche an die Laufbereitschaft stellt. 

„Offen für konstruktive Kritik bleiben“

Unheimlich wichtig ist meiner Meinung nach, dass man sich außerhalb des Platzes ein kompetentes und solidarisches Team aufbaut. Vom Co-Trainer bis zum Spielausschuss. Diese Leute muss man sich suchen und die Beziehungen pflegen. Das ist echte Arbeit, die sich aber lohnt.

Und zum Schluss sollte man offen für konstruktive Kritik bleiben. Ich habe oft gesehen, dass sich Spielertrainer immer weiter zurück orientieren und dass gelernte Stürmer dann auf einmal Libero spielen, weil es nach vorne nicht mehr reicht (oder zu weh tut). Dann wird man angreifbar und dann ist für mich auch ein Punkt erreicht, an dem man sich selbst hinterfragen muss.

flw24: Du bist Sportwissenschaftler und kennst alle gängigen Trainingsmethoden. Hast du diesbezüglich auch einen Tipp für unsere Fußball-Trainer im Kreis?

Joachim Keilholz: Trainer sollten das Training unbedingt ausgewogen  gestalten. Das Thema Beweglichkeit kommt weiterhin viel zu kurz. Das sehe ich auch täglich in meinem beruflichen Alltag. Viele Rücken-,  Arthrose- und Gelenkprobleme sind in allererster Linie auf eine verminderte Beweglichkeit zurückzuführen. Daher ist Beweglichkeitstraining meines Erachtens der Hauptaspekt im Training  der Zukunft. 

flw24: Du bist stolzer Besitzer des A-Lizenz-Trainerscheins. Worauf sollte beim Fußball-Training deiner Meinung nach geachtet werden?

„Fußballtraining immer mit Ball“

Joachim Keilholz: Aus meiner Sicht sollte beim Fußball zu allererst immer mit Ball trainiert werden – auch in der Vorbereitung und beim Ausdauertraining. Trainingswissenschaftlich gesehen, kann man über die Faktoren Raumgröße, Spieleranzahl, Kontaktzahlen die Intensität des Trainings sehr gut bestimmen. Beim Training kann man auch durchaus an seine Grenzen gehen, vielleicht nicht immer, aber man muss bei zwei Trainingseinheiten die Woche keine Angst haben, sich oder andere zu überfordern. Die Regenerationszeit bis zum Spiel ist meist lange genug.

flw24: Joachim, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf Deine Kolumnen!


Zur Person Joachim Keilholz:

Joachim Keilholz wohnt zwar im Raum Hanau, arbeitet aber schon über 25 Jahren in Limburg und ist ein Kenner der hiesigen Sport-Landschaft. Durch Zufall kam er damals nach seinem Studium mit dem bekannten regionalen Sportarzt Dr. Walter Staaden zusammen und landete so im Limburger Reha-Studio „Aesculap“, dem späteren FITNESS-pur.

Als Kicker war Joachim im Seniorenbereich im Hanauer und Frankfurter Raum in der Landesliga unterwegs. In relativ jungen Jahren wurde er bereits Spielertrainer des Gruppenligisten FC Hochstadt. Weitere Stationen als Spielertrainer folgten, u .a. bei seinem Heimatverein SV Kilianstädten. Schlussendlich musste er den Trainerjob aufgrund zunehmender beruflicher Belastung bei FITNESS-pur an den Nagen hängen, ist dem Fußball aber nach eigener Aussage nach wie vor sehr verbunden.

PS: Im vergangenen Jahr führten wir schon einmal ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit Joachim Keilholz, das Ihr Euch über diesen Link ansehen könnt.


Das Interview führte Timm Henecker.