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„Die Nationalmannschaft ist ein Riesen-Wanderzirkus“

Interview mit Georg Behlau, Orga-Chef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (TEIL I)

Dominik Groß und Timm Henecker zu Gast bei Georg Behlau in der DFB Zentrale in Frankfurt am Main.

Georg Behlau ein regelmäßiger flw24 User.

Georg Behlau in seinem Büro in Frankfurt. (Fotos: flw24)

Unser heutiger Interviewpartner arbeitet an einem ganz besonderen Arbeitsplatz, den sicherlich viele Fußballfans als Traumjob bezeichnen würden. Der zugezogene Limburger Georg Behlau, seines Zeichens Vorstandsmitglied des VfR Limburg 07, leitet seit nunmehr zwölf Jahren das „Büro der Nationalmannschaft“ beim DFB und organisiert dabei alles rund um die deutsche A-Nationalmannschaft. Flw24 durfte den 47-jährigen in seinem Büro in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise besuchen und spannende Einblicke in seinen Arbeitsalltag und die Vorbereitungen zur anstehenden EURO 2016 in Frankreich erhaschen. 

flw24: Hallo Georg, vielen Dank für die Einladung in die heiligen Hallen des deutschen Fußballs. Wie hast Du es in diese Position beim DFB geschafft? Kannst Du uns kurz Deinen Werdegang schildern?

Georg Behlau: Ja gerne, ich bin in Aachen geboren und seit klein auf Alemannia Aachen-Fan auch wenn die Schwarz-gelben inzwischen nur noch in der Regionalliga spielen. Ab und zu schaue ich mir auch noch Spiele auf dem Tivoli an. In meiner Jugend war ich ein ganz ordentlicher Leichtathlet (Mittel- und Langstrecke) und habe es in den Auswahlkader und zu internationalen Vergleichswettkämpfen geschafft. Meiner Leidenschaft Sport folgend habe ich dann an der Deutschen Sporthochschule Köln Sport mit dem Schwerpunkt Fußball, und an der Uni Köln die Fächer Geschichte und Theologie studiert. Nach dem 2. Staatsexamen waren aber leider keine Stellen im Staatsdienst in NRW zu bekommen, so dass ich mich auf alles beworben habe, was irgendwie mit meinem Studium zu tun hatte, unter anderem auch bei Sportverbänden. Der DFB hatte damals eine Anzeige geschaltet und einen Assistenten des Generalsekretärs gesucht. Auf meine Bewerbung hin wurde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen und konnte mich letztendlich unter etwa 70 Bewerbern durchsetzen.

flw24: Wann genau war das und wie hat sich Deine DFB-Karriere dann fortgesetzt?

Georg Behlau: Ich habe im März 1998 als Assistent des Generalsekretärs beim DFB angefangen, das war damals Horst R. Schmidt. Meine wesentlichen Aufgaben waren zunächst die Betreuung des Präsidiums und Vorstandes, die Organisation der DFB-Bundestage und internationale Sportbeziehungen. Im Laufe der Jahre kamen dann der Rahmenterminkalender der Nationalmannschaften und die Mitgestaltung von Länderspielverträgen dazu.

„2004 kam der große Knall“

Im Jahr 2004 kam dann der große Knall bei der EM in Portugal mit dem Ausscheiden nach der Vorrunde und der Verabschiedung von Rudi Völler. Ich bin damals selbst noch mit zwei Limburger Freunden mit dem Fanflieger nach Portugal gereist. Als ich zurückkam – wohlgemerkt zwei Jahre vor der WM im eigenen Land – war das für den Verband eine schwierige Situation. Es wurde eine Trainer-Findungskommission gegründet. Mein Chef flog gemeinsam mit Gerhard Mayer-Vorfelder nach Amerika und kam mit Jürgen Klinsmann als Bundestrainer zurück. Wenig später wurde Oliver Bierhoff als Manager Nationalmannschaft verpflichtet und das „Büro der Nationalmannschaft“ als Projektstelle geschaffen. Dass die Auswahl für die Leitung dieser neuen Einheit auf mich fiel, war ein glücklicher Umstand. Klinsmann, Bierhoff und ich haben dann relativ schnell gemerkt, dass wir ähnlich ticken und dass wir gut zusammenarbeiten können.

flw24: D.h. das Büro der Nationalmannschaft wurde als Projektstelle mit Dir als „Leiter“ vor der Heim-WM 2006 ins Leben gerufen? Und dann?

„Unter Klinsmann war alles Projekt“

Georg Behlau: Ja, so kann man es sagen. Unter Jürgen war damals alles „Projekt“ und bis 2006 hatte ich diese Projektstelle, bekam eine Assistentin und wir haben alles intern im kleinen Kreis besprochen. Meist haben wir spät abends noch Telefonkonferenzen abgehalten, weil Jürgen ja noch in den USA gelebt hat.

Und dann war 2006 vorbei – Klinsmann ging und der damalige Co-Trainer Jogi Löw übernahm. Aus dem Projekt „Büro Nationalmannschaft“ wurde eine Abteilung, die immer weiter gewachsen ist. Zunächst kam die U21 hinzu und dann wurden die weiteren U-Mannschaften konzeptionell mit ins Boot geholt. Irgendwann haben wir das aber gesplittet, so dass wir ab 2010 ein Büro für die U-Mannschaften und ein Büro für die A-Mannschaft hatten.

flw24: In Verbindung mit der WM-Vergabe 2006 gab es ja im vergangenen Jahr so einige Querelen beim DFB. Wie hast Du das empfunden und was hat sich in Deinem Arbeitsalltag dadurch verändert?

Georg Behlau: Der DFB genießt seit Jahrzehnten internationale Anerkennung als größter und einer der best-organisiertesten Verbände der Welt. Allerdings sind zahlreiche Themenfelder in den letzten Jahren neu hinzugekommen, auch in der Welt des Sports ist vieles größer und komplexer geworden. Bereiche, wie Compliance, Finanzcontrolling, usw. sind entstanden bzw. gewachsen. Die Aufklärungsarbeiten der Kanzlei Freshfields zu den Vorgängen rund um die WM 2006 habe ich selbstverständlich mitbekommen. Ich gehörte persönlich zu den Befragten, da ich ja zur Zeit der Bewerbung um die WM 2006 bereits beim DFB war.

Auch wenn aus heutiger Betrachtung sicher nicht alles richtig gelaufen ist, so bleibt die WM 2006 für mich persönlich stets das „Sommermärchen“ -  als solches habe ich es mit dem Team hautnah erleben dürfen.

flw24: Dann schauen wir nochmal auf Deinen Tätigkeitsbereich. Wie gliedern sich das Büro der Nationalmannschaft und Deine Stelle in den DFB ein?

„Oliver Bierhoff ist der CEO und ich bin der COO“

Georg Behlau: Der DFB wird durch das Präsidium mit seinem Präsidenten an der Spitze geführt. Chef der Verwaltung ist der Generalsekretär, dem ich als Hauptabteilungsleiter unmittelbar unterstellt bin. Fachvorgesetzter –wenn man so will- ist aber Oliver Bierhoff, der als Manager der Nationalmannschaft auch Sitz und Stimme im Präsidium hat. Er ist sozusagen mein engster und wichtigster Kollege, mit dem ich alle Inhalte abstimme. Wenn man es sich wie in einem großen Konzern vorstellt, dann ist Oliver quasi der CEO der Nationalmannschaft und ich der COO, der Chief Operating Officer, also der Organisationschef. Dazu haben wir dann noch weitere Mitarbeiter im Team, wie Chef-Scout Urs Siegenthaler und seine Spiel-Analysten, unser Büro Team mit zwei Assistentinnen und dem eigentlichen Team-Manager der Mannschaft, Thomas Beheshti, der sich um alle Belange, wie z.B. Anreisen, Zeitpläne, Tickets usw. kümmert. Ergänzt wird das alles durch die Zusammenarbeit mit unserem DFB-eigenen Reisebüro, über das wir alle Reisen abwickeln und das uns gezielt unterstützt. Die Nationalmannschaft ist einfach ein Riesen-Wanderzirkus.

Als Leiter des Büros Nationalmannschaft bin ich auch Budget-Verantwortlicher. Bei der Euro 2016 haben wir z.B. einen Sonderhaushalt aufgestellt, an dem wir ein Jahr gearbeitet haben und in dem ausschließlich der Turnieraufwand (also Vorbereitung und Turnierphase) für den DFB zusammengefasst wird. Dieser Haushalt umfasst gesamt ca. 25 Millionen Euro – was aber auch alle Posten, wie etwa Unterkünfte, Reisen, Prämien, Personal, usw. beinhaltet.

flw24: Wie sieht denn Dein normaler Berufsalltag aus, wenn keine Turniere oder Länderspiele sind?

Georg Behlau: Wenn man mal so schaut, haben wir rund zwölf Länderspiele im Jahr – ohne die großen Turniere – und die müssen auch alle geplant, organisiert und abgewickelt werden. Nach der EM im Sommer in Frankreich haben wir direkt Ende August und Anfang September wieder zwei Länderspiele und im Oktober und November schließen sich jeweils wieder zwei Spiele an. Man hat eigentlich alle fünf, sechs Wochen ein Ereignis, das es vorzubereiten gilt. Kurzfristig arbeitet man auf den nächsten Länderspielblock hin und langfristig – und das ist ein Hauptteil meiner persönlichen Arbeit – bereiten wir uns schon jetzt auf 2017 und 2018 mit dem Confed Cup und der WM in Russland vor. Bereits vor der EURO haben wir alle Länderspielorte bis Ende 2016 November besucht alle Hotels gebucht, Stadien besichtigt und Airports abgeklärt. Auch budgetmäßig steht schon alles fest. Unmittelbar nach der EURO geht es dann mit Volldampf in Richtung Russland.

flw24: Und wie sieht jetzt die konkrete Vorbereitung für die EM in Frankreich aus?

Georg Behlau: Die Vorbereitung auf die EM 2016 hat direkt nach der Rückkehr aus Brasilien begonnen. Ich bin nach einem kurzen Familienurlaub – der nach der tollen, aber auch strapaziösen WM in Brasilien nötig war – gemeinsam mit unserem Reisebüro komplett durch Frankreich gereist und habe dort alle Spielorte, Stadien und Städte besichtigt. Dort haben wir geschaut, wo das Team am besten für das Turnier unterkommt. Dazu muss man mit den Hotels sprechen, abklären, ob wir das Hotel exklusiv bekommen, wo die nächsten Trainingsplätze sind, wo es logistisch am besten passt, wo der nächste Flughafen ist usw.

Außerdem gilt es zu prüfen, ob ein Mediencenter vor Ort eingerichtet werden kann - wir werden nach Evian ja von über 500 Journalisten begleitet. Beim Fernsehen kommen hier nochmal 200 Personen technisches Personal dazu, die auch irgendwo unterkommen müssen. Das alles braucht eben viel Vorlauf.

flw24: Bist du während des Turniers die komplette Zeit vor Ort?

Georg Behlau: Ja, ich bin die ganze Zeit beim Team. Nur bei den Erstankünften im Trainingslager und am Team Base Camp reise ich sogar schon etwas früher an, um vor Ort alles vorzubereiten.

„Ich mache das Vorkommando“

Konkret für die EM in Frankreich bedeutet das, dass ich das sogenannte Vorkommando mache. Ich nehme sechs oder sieben Leute aus den Fachbereichen mit und reise drei Tage vor der Mannschaft ins Trainingslager. Mein Kollege Thomas Beheshti versammelt dann die Mannschaft am 24. Mai in Frankfurt und von dort reisen sie nach Lugano ins Trainingslager. Dann fliegen wir mit einer Charter-Maschine nach Augsburg für ein Spiel und eine Woche vor der EM haben wir noch ein Testspiel in Gelsenkirchen. Dort werde ich allerdings nicht vor Ort sein, weil ich schon im Mannschaftshotel in Evian sein werde. Anschließend kommt die Mannschaft am 07. Juni nach Frankreich, ab dann bin ich stets mit dem Team zusammen und hoffe natürlich, dass ich erst nach dem Finale wieder nach Limburg komme. So sehen das meine Familie und Freunde übrigens auch…

flw24: Wow, das klingt nach einem harten, aber hochspanenden Pensum. ...

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Wie die Tage bei der EM im Einzelnen aussehen, welches Verhältnis Georg zu Jogi Löw hat, wie er den WM-Titel in Rio de Janeiro erlebte und wie er eigentlich nach Limburg ins flw-Land kam, erzählt uns Georg in Teil II des Interviews „Wenn die Spieler im Bett sind, gibt es den Absacker an der Hotelbar“ in der nächsten Woche. 

Das Interview führte Timm Henecker