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„Grandpa“ mischt den amerikanischen Fußball auf

Julius Duchscherer nach guter erster Uni-Saison ins Allstar-Team der Neulinge gewählt

Julius mit der Nr. 16 beim Torjubel

Auszeichnung - Julius zählt zu den besten Neulingen seiner Liga (Fotos: Julius Duchscherer)

Im August berichteten wir das erste Mal über Julius Duchscherer aus dem Hadamarer Stadtteil Oberweyer, der ein Sport-Stipendium in den USA bekommen hat. Das bedeutet: drei Jahre Studium und gleichzeitig Fußball auf professionellem Niveau. Ein großes Abenteuer für den 22-jährigen, der zuletzt bei der TuS Koblenz in der Regionalliga kickte. Wie lief seine erste Saison an der Uni in North Carolina und wie sind seine Eindrücke nach den ersten fünf Monaten in den USA? Tobias Schneider von der flw24-Redaktion hat Julius während seines Besuchs in Deutschland getroffen.

Am Dienstag vor Heiligabend treffe ich Julius Duchscherer, der seit August in den USA weilt, genauer gesagt an der North Carolina State University (NCSU), um dort zu studieren und dem runden Leder nachzujagen. Im August hatten wir schon ein Interview geführt vor seiner Abreise in die USA, siehe hier. Heute treffen wir uns also, damit er von seinen Erlebnissen und seiner ersten Saison im amerikanischen Universitäts-Fußball berichten kann. Sechs Tage ist Julius wieder in Deutschland – von Jetlag keine Spur im Gesicht des 22-jährigen, der im T-Shirt am Tisch sitzt. „Das sind ja fast amerikanische Verhältnisse zu Weihnachten“, sagt er lachend zur Begrüßung. Bei 15 Grad Außentemperatur hat er nicht ganz unrecht. Auch sonst sieht er sehr fit aus. „Bei dem Trainingspensum und den professionellen Bedingungen am College kein Wunder“, erklärt er und zeigt mir die Bilder vom riesigen Kraftraum im Sportbereich der Uni. Während der Saison trainiert das Wolfpack, so der Name der Mannschaft der NCSU, vier Mal in der Woche und hat außerdem zwei Spiele. „Das ist schon ein sehr anstrengendes Pensum, an das man sich erst mal gewöhnen muss“, gesteht Julius, der von seiner Zeit beim Regionalligisten TuS Koblenz durchaus an hartes Training gewöhnt ist. „Neben dem Training und den Spielen ist natürlich auch die Reiserei anstrengend – zu drei Spielen sind wir sogar geflogen, weil die Entfernung so groß ist. Außerdem sind die Tage fast komplett ausgefüllt, denn abends muss man immer noch was für die Uni machen.“

Wer im Studium nichts abliefert, der verliert seine Spielberechtigung

Stimmt, es dreht sich ja nicht nur um Fußball, sondern Julius studiert natürlich auch an der Universität. Kommt das Studium nicht schnell zu kurz bei so einem Sportpensum? „Keineswegs“, widerspricht Julius. „Das Studium hat einen genauso großen Stellenwert wie der Fußball. Nicht nur für uns Spieler, sondern gerade auch für die Uni selbst und unsere Betreuer. Sind die Noten schlecht oder sammelt man nicht genug sogenannte Credit Points, dann ist man nicht mehr spielberechtigt für die Fußballmannschaft. Außerdem hat jeder Spieler jede Woche ein Treffen mit seinem „akademischen Berater“, mit dem man bespricht, wie es läuft und über den man zum Beispiel kostenlose Nachhilfe in Anspruch nehmen könnte.“ Wow, denke ich, das klingt ja wahnsinnig professionell. Und ich finde es wirklich gut, dass die schulische und die sportliche Leistung so eng miteinander verknüpft sind und das Studium nicht nur Nebensache ist. Dabei findet viel Unterricht im Internet statt und auch die Hausaufgaben werden online eingereicht. Klausuren werden nicht nur am Ende des Semesters geschrieben, sondern auch während des Semesters, wie Julius erzählt. 

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„Die Stimmung im Team ist extrem gut – und ich bin schon einer der Ältesten“

Jetzt aber erstmal der Reihe nach: Wie war denn die Anfangszeit für ihn, als er in den USA ankam und seine Mannschaft kennengelernt hast? Da muss er gleich lachen: „Naja, es fing etwas holprig an, weil ich in den USA beim Umsteigen gleich meinen Anschlussflug wegen der langwierigen Sicherheitskontrollen verpasst habe. Mit zwei Stunden Verspätung kam ich dann aber doch an und wurde vom Coach abgeholt. Vom Team wurde ich super aufgenommen, das sind alles prima Jungs. Natürlich sind unterschiedliche Charaktere dabei, aber das ist ja ganz normal bei den unterschiedlichen Nationalitäten im Team. Die Wohnung teile ich mir mit einem anderen Deutschen aus Düsseldorf und zwei Amerikanern. Die Stimmung ist jedenfalls extrem gut im Team – wir verbringen ja auch einfach sehr viel Zeit miteinander, das schweißt uns zusammen. Zudem sind wir alle im gleichen Alter. Naja, zumindest fast, ich bin nämlich einer der Ältesten bei uns“, erzählt er schmunzelnd. „Unter anderem daher kommt wohl auch die Bezeichnung „Grandpa“ [Großvater, Anm. der Redaktion].“ Aber nicht nur daher, oder? „Naja, wohl auch durch meine bedachte Art und daher, dass ich eine recht professionelle und disziplinierte Einstellung an den Tag lege, im Studium gut zurechtkomme und auch versuche, den Jüngeren auf und neben dem Platz Tipps zu geben.“ 

Auf der Weihnachtsfeier zum „Most Valuable Player“ des Teams gewählt

Diese Bezeichnung haben seine Mannschaftskameraden und Trainer auf der Weihnachtsfeier des Wolfpack bestätigt. Denn dort wurde der Deutsche zum mannschaftsinternen „MVP“, also zum wertvollsten Spieler der abgelaufenen Saison, gewählt. Bei dieser Auszeichnung geht es nicht nur um die sportlichen Leistungen, sondern auch um die Bedeutung für das Team außerhalb des Platzes. Auch sein Trainer ist bislang sehr zufrieden mit ihm, wie er ihm im Jahresabschlussgespräch versicherte. In der neuen Saison soll der Oberweyerer noch mehr Verantwortung auf dem Platz übernehmen. „Zu Beginn war es zwar etwas schwierig, die Umgangssprache zu verstehen, aber daran habe ich mich schnell gewöhnt. Und auf dem Fußballfeld war die Verständigung sowieso kein Problem, da reichen ja meist schon wenige Ausdrücke.“

„Uns fehlte es an Erfahrung und manchmal auch an Cleverness“

In der Ankündigung des Updates über Julius‘ Abenteuer in den USA hatten wir schon erwähnt, dass die erste Saison auf sportlicher Ebene prima lief für den offensiven Mittelfeldspieler. Fünf Tore und zwei Assists standen nach siebzehn Spielen zu Buche, was ihm die Berufung ins „All-Freshman Team“, also ins Team der besten Neulinge seiner Liga, einbrachte. „Das System ist etwas kompliziert“, erklärt Julius. „Die USA sind aufgeteilt in vierundzwanzig Conferences, in denen insgesamt 206 Teams spielen. Wir spielen zum Beispiel in der Atlantic Coast Conference (ACC). Während der Saison spielt man gegen Teams aus der eigenen Conference, aber auch gegen einige Teams aus anderen Regionen. Es gibt dann ein Endturnier der eigenen Conference, aber auch eine USA-weite Rangliste, von der die vierzig besten Teams eine Endausscheidung spielen. Im Endturnier unserer eigenen Conference sind wir leider <s>schon</s> in der ersten Runde gegen den späteren Gewinner ausgeschieden. Und in der landesweiten Rangliste haben wir es knapp nicht unter die vierzig besten Mannschaften geschafft. Am Ende belegten wir zwar Platz 33, hatten aber das Problem, dass andere Conference Turniere gegen uns liefen. Mannschaften, die im Ranking unter uns standen, gewannen überraschend ihre Turniere und zogen dadurch ins nationale Turnier ein“, bedauert er, dass es in diesem Jahr nicht zu mehr gereicht hat. „Wir spielen allerdings auch in der besten Conference im ganzen Land – acht Mannschaften aus unserer Conference waren unter den besten 25 der gesamten USA. Am Ende hat es uns an Erfahrung und manchmal auch an Cleverness gefehlt.“

„Es wird viel Wert auf das Spielerische gelegt“

Trotzdem war diese erste Saison eine tolle Erfahrung für den Sohn des im Fußballkreis bekannten Andi Duchscherer, auch aufgrund der allgemeinen Sportbegeisterung der Amerikaner. „Natürlich ist die Begeisterung für Fußball noch nicht so groß wie für Football, Basketball oder Baseball, aber wir haben trotzdem teilweise vor 1.000 bis 2.000 Zuschauern gespielt. Vor allem der Jubel nach dem Siegtor gegen Boston [siehe Video; Anm. der Redaktion] war einfach Wahnsinn.“ Was den Fußball selbst angeht, gibt es auch einige Unterschiede im Vergleich zum Fußball in Deutschland, wie Julius ausführt: „Bei Unentschieden gibt es zweimal zehn Minuten Verlängerung mit Golden Goal – so wie bei unserem Siegtor gegen Boston im Video. Bei Verletzung oder Zeitspiel wird die Zeit gestoppt, sodass es viel weniger Unterbrechungen gibt als hier und das Spiel sehr schnell ist. Ansonsten wird viel Wert auf das Spielerische gelegt – was mir natürlich entgegenkommt.“ 

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Freundin und Eltern kamen schon zu Besuch

Am 4. Januar ging es zurück in die USA, weil die Vorlesungen wieder anfangen. Dann beginnt auch die sogenannte Pre-Season, die sich bis Mai erstreckt. Hier werden hauptsächlich Grundlagen im Läuferischen und im Kraftbereich gelegt. Von Mai bis August haben die jungen Fußballer die Möglichkeit, an der Summer League teilzunehmen, bevor Ende August die reguläre Saison wieder anfängt. Julius plant nicht, an der Summer League teilzunehmen: „Ich möchte die Zeit lieber nutzen, um zweieinhalb Monate nach Hause zu kommen und eventuell ein Praktikum absolvieren. Der angenehme Nebeneffekt ist natürlich, dass ich dann für längere Zeit bei meiner Freundin, meiner Familie und meinen Freunden bin.“ Im September waren seine Freundin und seine Eltern schon zu Besuch und machten sich ein Bild von Julius‘ Alltag in den USA. Das erleichtert das Getrennt-Sein ein wenig. Wobei es heutzutage ja viele Möglichkeiten gibt, in Kontakt zu bleiben: „Ein Video-Chat kann zwar das Zusammensein nicht ersetzen, aber man ist sich zumindest näher als wenn man nur telefoniert. Und im März kommt meine Freundin wieder zu Besuch“, freut sich Julius jetzt schon auf das nächste Wiedersehen.

Und was ist mit den berüchtigten Partys, die man aus den amerikanischen Filmen kennt? „Ach, während der Saison haben wir dafür gar keine Zeit. Nach der Saison haben wir natürlich ein wenig gefeiert mit der Mannschaft, aber das blieb alles im Rahmen. Wir sind ja in erster Linie Sportler.“ Diesmal muss ich lachen, denn da wird er dem Ausdruck „Grandpa“ doch mehr als gerecht, oder?

Lieber Julius, weiter alles Gute, viel Spaß und Erfolg in den USA!