Für unseren heutigen Experten-Tipp konnten wir keinen geringeren als den ehemaligen Bundesligaschiedsrichter Lutz Wagner an Land ziehen und für unseren Tipp begeistern. Der 58-Jährige hat viel zu berichten und ist auch nach seiner aktiven Zeit als Spitzenschiedsrichter dem Fußball treu geblieben und fungiert nun in vielen Bereichen - unter anderem als Schiedsrichter-Coach, Keynote-Speaker und als Führungskräftecoach.
Wir wünschen Euch viel Spaß beim heutigen FLW24 Experten-Tipp.
450 SPIELE UND KEIN BISSCHEN MÜDE
Ja, die Statuten! 2010 machten sie ihm ungnädig einen Strich durch die Rechnung. Da endete die 33-jährige aktive Laufbahn als Schiedsrichter für Lutz Wagner, unseren heutigen Tippexperten. Denen musste sich auch der erfolgreiche Bundesligaschiedsrichter aus Kriftel beugen. Regeln zu akzeptieren und sie anzuwenden, gehört zu seinem Handwerk. Das war auch die Pflicht von tausenden von Amateuren und Fußballprofis, wenn der konsequente, aber nie abgehobene Mann mit der Pfeife seiner Aufgabe nachging, ein Spiel über 90 oder 120 Minuten ordentlich über die Bühne zu bringen. Und wenn die Kicker mal zu sehr über die Stränge schlugen, kam Farbe ins Spiel. Doch Lutz Wagner war kein Referee, der wie Wyatt Earp schnell aus der Hüfte schoss. 2010 ruhte dann die Pfeife im Profibereich.
Aber mit 47 Jahren war für den Unternehmer aus Kriftel „noch lang nicht Schluss“. Wenn man mit Lutz Wagner spricht, spürt man, dass der heute 58-Jährige Herr noch bestens im Saft steht und überall gefragt ist. Umgänglich, immer mit einem offenen Ohr, kurz unkompliziert geht er mit seinem Gegenüber um. Wie das bei der „schönsten Nebensache der Welt“ eben sein sollte. Das ist nicht bei jedem so.
Die Oberen im DFB wissen, was sie an dem guten Lutz haben. Durch und durch ein „Expertissimus Regularum“. Im Bundesligaalltag sitzt er im Schnitt zweimal pro Spieltag auf der Tribüne, beobachtet die Arbeit seiner Kollegen, die auf dem grünen Rasen ihr Bestes geben und coacht diese.
Fußballerische Anfänge und Jugendjahre
Doch wie kam Lutz Wagner überhaupt auf die Idee, Schiedsrichter zu werden? Bevor er zur Pfeife griff, spielte er als Kind und Jugendlicher selbst Fußball. Zuerst auf der heimischen Wiese und auf Bolzplätzen, ab dem Alter von 7 Jahren dann beim SV 07 Kriftel im Main-Taunus-Kreis, dem er bis heute die Treue hält. Dort wurde er erfolgreich von sehr engagierten und fußballinteressierten Ex-Amateurfußballern trainiert, die dafür sorgten, dass Lutz Wagner und seine Mannschaften in der Jugendzeit meist vorne mitgespielt haben. Zum Einsatz kam er dabei in der Regel im Mittelfeld. „Ich war läuferisch gut und wurde meistens auf der rechten offensiven Seite eingesetzt, da der linke Fuß nur zum Ausgleich vorhanden war“, erzählt Wagner. In Erinnerung geblieben sind ihm aus dieser Zeit vor allem mehrere Turniere mit ausländischen Mannschaften, die Abschlussfahrt nach Berlin sowie ein Vorspiel vor der 1. Mannschaft, die gegen Schalke 04 antrat. In der Bundesliga war damals in den 70ern die große Zeit von Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Da verwundert es nicht, dass Lutz Wagner, wie viele junge Fans damals, Gerd Müller als sein Idol nennt. „Er war sehr erfolgreich und gleichzeitig so sympathisch, bodenständig und normal“, sagt Wagner über den „Bomber“.
Wie Lutz Wagner aus Neugierde zum Schiedsrichter wurde
Das Interesse am Schiedsrichter-Dasein wurde bei Lutz Wagner dann durch pure Neugier geweckt. „Ein gleichaltriger Schiedsrichter pfiff ein Spiel meiner Mannschaft, in der ich selbst mitgespielt habe. Ich ging nach dem Spiel zu ihm und fragte, wie man Schiedsrichter wird. Er gab mir eine Adresse und ich meldete mich an, ohne dass ich es einem anderen sagte, weil ich Angst hatte, dass ich beim Durchfallen ausgelacht werden würde. So wusste anfangs niemand, dass ich Schiedsrichter war“, berichtet Wagner über seine Anfänge. Im Jahr 1977 legte er als 14-jähriger die Schiedsrichter-Prüfung ab und ab da ging es ganz schnell voran: Mit 16 leitete er bereits Aktiven-Spiele der Senioren, was damals eigentlich so nicht denkbar war und nur mit einer Sondergenehmigung ging. In den Anfangsjahren leitete Wagner im Schnitt 150 Spiele im Jahr, unter anderem pfiff er den damals noch in der Schülerauswahl spielenden Bruno Labbadia. „Er war damals schon herausragend und extrem torgefährlich“, erinnert sich Wagner an den späteren Bundesliga-Stürmer zurück. Ein positiver Nebeneffekt seiner Schiedsrichter-Tätigkeit war auch, dass sich Wagner doch einiges dazuverdienen und so von Moped über Führerschein bis hin zum Auto vieles finanzieren konnte. Dabei genoss er auch immer die absolute Unterstützung seiner Eltern.
Der Weg zum Bundesliga-Schiedsrichter
Während Spielen und Pfeifen anfangs noch parallel lief, gab Wagner in der Zeit des Übergangs vom Junioren- in den Seniorenbereich aufgrund des größeren Erfolgs dem Pfeifen den Vorrang. Diese Entscheidung stellte sich im Nachhinein als goldrichtig heraus, denn es ging relativ stetig im Zweijahresrhythmus voran. Dem Aufstieg in die Kreisliga im Jahr 1981 folgten weitere Schritte auf der Leiter nach oben bis zum Aufstieg in die Oberliga 1989. Nur ein Jahr später kam er 1990 als Aufsteiger in den Assistentenpool des DFB in den Top 100 der deutschen Schiedsrichter an. „Früher war es so, dass man als Neuling seiner Klasse nicht gleich wieder aufsteigen konnte, sondern erst ein Jahr später. So war ich mit 28 Jahren im DFB-Bereich, mit 29 Jahren in der 2. Liga und mit 30 Jahren in der 1. Liga“, berichtet Wagner. In der 1. Liga pfiff er dann ununterbrochen bis zu seinem 47. Lebensjahr, dem Höchstalter für Schiedsrichter im Profi-Bereich. Parallel zu seiner Schiedsrichtertätigkeit war er zudem bis zum Jahr 2000 auch als Schiedsrichterausbilder auf Kreisebene tätig, im Anschluss daran war er bis 2010 Verbandslehrwart in Hessen.