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(RELEGATION): Die Freude und der Jubel des TuS Dietkirchen war grenzenlos

Die Fans des TuS Dietkirchen waren für den "Showdown" bereit. (Foto: TuS Dietkirchen)

Hier konnten das gegnerische Team der SG Bornheim/ GW Ffm noch nicht wissen, was passieren würde. Raphael Laux war aber bereit und motiviert bis in die Haarspitzen. (Foto: TuS Dietkirchen)

Hier ist es passiert. Der Moment, als Raphael Laux den Elfmeter hielt und den TuS in ein einziges Freudenbad verwandelte. (Foto: TuS Dietkirchen)

Hessenliga Relegationsspiel Finale um Aufstieg in bzw. Verbleib Hessenliga

Ort des Wahnsinns: Rasenplatz Fernwald-Steinbach

 

TUS Dietkirchen gegen SG Bornheim/ GW Ffm

4:3 nach Elfmeterschießen 1:1 (0:0)

 

Ich weiß, es ist nur ein Spiel, aber eines mit Emotionen, die man im normalen Leben in so kurzer Zeit mit „auf und ab“ selten erlebt.

 

Es tut mir Leid, das faire Spiel war für mich so unerträglich spannend, an Spielnotizen mit objektiven Daten war kein Denken, völlig ausgeschlossen!

 

So wanderte ich beim Spielstand von 0:1 gegen Dietkirchen ungefähr die letzten 20 Minuten der regulären Spielzeit nur noch abgesondert von den anderen zahlreichen Fans hinter den Zuschauerreihen die Seite rauf und runter, manchmal mit Blick zwischen den Zuschauerköpfen auf das Spielfeld und machte mir meine Gedanken. Ich fühlte mich dröge, alles fühlte sich so weit weg an.

 

Der TUS war die bessere Mannschaft. In einem Freundschaftsspiel hätte man Bornheim vllt. weggeputzt, aber heute war Vorsicht ja oberstes Gebot. Bornheim wollte den TUS locken, aber die TUS Spieler hatten den Braten direkt gerochen. Und wenn der TUS zu sehr drauf ging, wurde Bornheim direkt gefährlicher. Nachdem man das ausgetestet hatte, alle wieder gesittet eher abwartend spielend und Kraft einteilend. So wie Bornheim spielte zu Beginn, so hatte der TUS auch häufiger begonnen und dann prompt verloren.

 

Die Mannschaftsaufstellung war extrem von Trainer Steffen Moritz durchdacht. Z.B. Hautzel hinten und den „alten erfahrenen Fuchs“ Böcher von Anfang an dabei und und. Alle um mich herum, die immer dabei waren: „Das passt total, das kann klappen!“ So einhellige Zustimmung unter den Fans hat man nicht vor jedem Spiel, was ja normal ist. Gleiches galt für die Einwechselungen, alles passte zusammen.

 

Und was auch noch für den TUS sprach, zwei winzige Kleinigkeiten, die vielleicht das Zünglein an der Waage waren. Erstens spielte Bornheim vorher zuhause nur auf Kunstrasen. Der TUS häufiger auf Rasen.

 

Die Torwarttrikotfarbe Eidottergelb bei Laux? Eher diesmal nicht. Der seitliche tiefe Sonnenverlauf in den Abendstunden? Eher diesmal unbedeutend. Windrichtung auch nicht.

 

Aber zweitens: fast jeder Platz, solange es kein symmetrisches Stadion ist, hat ein „stilles Tor“, ich nenne es mal „unfreundlich“, wo weniger bis keine Zuschauer sind, meistens vom Eingang weiter weg und eine Art „Showtor“. Das „Showtor“ zieht in meinen Augen die Bälle eher auf sich zu.

Meine „Meinung“, die aber nicht Ihre „Deinung“ sein muss.

 

Der TuS spielte in der Zweiten Halbzeit Richtung „Showtor“, also in der Halbzeit, wo nach Kräfteverschleiß meistens erst die Würfel fallen.

 

Viele wollten nach dem Spiel noch in der Nacht heute einen Bericht von mir sehen, lesen. Wie soll das denn gehen? Für das Spiel gab es keine Worte. Was ist das überhaupt für eine blöder Begriff „Worte“.

 

Nach diesem völlig irren Spiel, völlig irr, kann ich Tim Bendzko „Wenn Worte meine Sprache wären“ (s. YouTube darin ua. „Mir fehlen die Worte, ich hab die Worte nicht“) verstehen.

 

Wer sich für die Spielchancen auf beiden Seiten usw. interessiert, für die Spielstrategie beider Mannschaften usw., verweise ich auf den sehr guten Bericht von Patrick Jahn, ein Meister des Wortes, von Mittelhessen, der bestimmt bald in der NNP zu lesen sein wird. Und auf fußball.de mit seinen Minutendaten.

 

Die Freundin meines jüngsten Sohnes Robin, Leonie, riet mir, wenn Du keine Notizen hast, dann schreib einfach einen Bericht mit Herz, also einen „Herzensbericht“.

 

Womit wir schon beim Thema Herz wären. Die Pulsuhr vom mitgereisten TUS Fan Volker Franz zeigte (Ich hoffe, das ist kein Arztgeheimnis.) während des Spieles gegen Ende in der Spitze 150 an, wohlgemerkt ohne dass er einen einzigen Meter gelaufen wäre! Das sagt schon alles über das Spiel.

 

 

Kaufen Sie bei Lidl, Aldi, … wo auch immer unverderbliche Lebensmittel ein, legen sie auf einen Tisch mit einem Mikrofon daneben und halten eine Kamera drauf und warten sie eine Stunde, einen Tag, ein Jahr… Was werden sie sehen, hören? Nichts!

 

Nimmt sich aber ein Mensch diese Lebensmittel und stopft sie sich nach und nach in den Mund, ist er in der Lage daraus einen neuen lebenden Menschen zu produzieren. Das ist ein unfassbares Wunder!

„Du kommst aus z.B. Dietkirchen?“ Nein! Genauer müsste es heißen „Ich komme aus dem Regal von Aldi in Dietkirchen!“

 

Und jetzt kommt das noch viel unfassbare Wunder, völlig unerklärlich. Nicht nur das wir alle aus dem Aldiregal kommen, nein, wir bestehen noch aus viel mehr. Aus „Dingen“, die gar nicht auf der Aldiverpackungzutatenliste stehen, die nicht über das Kassenband gerollt sind!!!! Die unbezahlt sind und auch unbezahlbar, unbezahlbar, unbezahlbar, unbezahlbar.

 

Es steht da zum Beispiel auf der Liste nicht: enthält 150 Gramm Freude, 150 Gramm Kameradschaft, 200 Gramm intelligentes Spielverständnis, 80 Gramm Kampfbereitschaft bis zum Umfallen, 340 Gramm Hilfsbereitschafft, 10kg Erfahrung, 540 Gramm Lust, 2034 Gramm Spaß an völliger Sinnlosigkeit, also am Leben, …? Oder Achtung: enthält 25 Gramm Hass, 215 Gramm Bangen, 215 Gramm Hoffen, 15 Gramm Gerissenheit und 420 Gramm maßlose Enttäuschung…!

 

Und fast alles das, was nicht auf der Aldiverpackungszutatenliste steht, kochte an Gedanken und Emotionen mit zunehmender Spieldauer in mir hoch, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Es kam vom Spielfeld und den Zuschauern auf mich zu und auch aus mir heraus.

 

Sollte das völlig harmlos erscheinende Zufallstrefferchen mit Abpraller von Bornheim durch Joel Tewelde in der 60. Minute, bei dem Torwartgott Laux völlig unerklärlich bewegungslos zur Salzsäure erstarrt war, den TUS in die Verbandsliga reißen? Leider kann man auch an einem zunächst harmlos erscheinenden Mückenstich sterben. Und das sollte heute passieren?

 

An einem kleinen Mückenstich sterben? Nicht an einer schweren Krankheit? Die TUS Mannschaft völlig intakt, kerngesund mit Talent, Athletik.

 

Jahrelange Arbeit, Kameradschaft, Freude, Hilfsbereitschaft innerhalb von Minuten weggerissen, durch maßlose Enttäuschung ersetzt.

 

85. Minute, 86. Minute, 87. Minute, 88. Minute, 89. Minute, 90. Minute. Noch immer 0:1.

 

Fünf Minuten Nachspielzeit angekündigt.

 

Auswechselung von Teklu Tewelde durch Fliess in der 93. Minute. Aha, Bornheim „Zeit schinden und hinten dicht machen“. Stadionsprecher halt die Klappe, ich weiß selbst, dass es die 93. Minute ist. Und wenn der Spieler langsam seinen Hintern endlich vom Platz bewegt hat, ist es die 94. Minute. Würde jeder so machen. Noch immer 0:1.

 

Und jetzt wird es noch persönlicher. Noch am Abend vorher stand ich nachts um 22.30 Uhr im Halbdunkel am 200km entfernten Grab meiner Eltern, also auch meines Vaters, der nach dem Krieg bis zu seinem 50. (!) Lebensjahr „in der Zweiten“ Fußball gespielt hatte. Heute hört manch ein Supertalent schon mit 30 Jahren auf :).

 

Und das ist bei einigen Spielern des TUS so, dass der Fußball vom Vater und sogar Opa eingeimpft ist, der Spieler praktisch die weiterführende Hand von Vater und Opa ist, so eine Art „modernisierte verbesserte Weiterentwicklung“, so eine Art „zwei Punkt null“ oder sogar „drei Punkt null“.

 

Früher gab es nur „nach vorne spielen“. „Hinten rum“, „Gegner kommen lassen“, „Zweite Bälle“. Häääää, was ist das denn, hätte mein Vater gefragt.

 

Jedenfalls mein Vater und auch meine Mutter tauchten in der 93. Minute in meinen Gedanken am Spielfeldrand auf… Mir ist bewusst, auf der Gegenseite tauchten vielleicht beim ein oder anderen auch … Aber bei mir hatte es gestern gepasst :). Danke!!

 

Hatte Oskar Stahl nicht in der Saison in der letzten Sekunde ein Tor geschossen und in Unter-Flockenbach der TUS in der 90. Minute noch mit 2:1 hinten gelegen und durch Tore von Schmitz und Zuckrigl noch 2:3 gewonnen? Vom unbegreiflichen Glück in Zeilsheim im letzten Jahr gar nicht zu reden. Oder Marco Müller vor Jahren in der letzten Sekunde, wo es um den Aufstieg in die Hessenliga ging. Und heute wieder? Könnte das sein, dass das Glück den TUS wieder in der letzten Sekunde besucht? War nicht schon alles Glück aufgebraucht?

 

Alles auf Vollangriff beim TUS, alles nach vorne, Laux turnte auch schon vorne mit, hinten also alles fast offen. Leukel, als Beispiel, wie von Sinnen, völlig aufgepuscht, kurvte um Bornheimer Spieler wie um Slalomstangen, als ob es kein Morgen gäbe, nach über 110 Minuten !!!, Richtung Strafraum. Zuckrigl, Fujikawa,… nachher auch Bergs fielen wie ein Bienenschwarm in die Bornheimer Abwehr ein. Bergs zielte links am Tor vorbei.

 

Pfostenschuss von wem auch immer 93. Minute oder 94. Minute? Das war‘s. Siegesgesänge der Bornheimer Fans auf der anderen Seite, Schlachtgesänge des TUS Anhanges auf unserer Seite bis zum Schluss. Leute, seid ihr wahnsinnig? Es ist vorbei, wir steigen ab, der legendäre TUS Dietkirchen mit nur 1500 Einwohnern stirbt gerade den Hessenligatod. Gleich sind wir tot.

 

94. Minute noch immer 0:1. Gleich kommt der Todespfiff!

 

 

Auch wenn dies manchem vielleicht zu weit geht, aber es soll ja ein Herzensbericht sein, ich sah mich wirklich neben meinem geliebten sterbenden Vater am Totbett sitzen, seine letzten Atemzüge. Die Zeit blieb damals für mich stehen. „Vati, schöne Reise“ habe ich ihm, mir nachträglich völlig unerklärlich, ins Ohr geflüstert.

 

„Schöne Reise zurück in die Verbandsliga“!? In die Hessenliga zurück nach Abstieg? Wie sollte das gehen? Woher das ganze Glück für einen erneuten Aufstieg nehmen, woher die neue Kraft?

 

Lähmende Enttäuschung!

 

Jetzt gleich kommt der Todespfiff! Abschied nehmen! Haltung bewahren.

 

Flanke Leukel von rechts nach innen in den Bienenschwarm und Maximilian Zuckrigl sticht zu, „fliegt wie Schmetterlinge, stecht wie Bienen“, köpfte zum 1:1 ein.

 

 

Die Zeit blieb für einen Moment stehen.

 

 

Das konnte nicht wahr sein. Der TUS lebte wieder, von den Toten auferstanden.

 

Dann begann der Rausch. Der TUS war auferstanden! Wirkliche Extase! Bei allen!!!

 

In der Nachspielzeit hatte der TUS Dietkirchen den SG Bornheim/ GW Ffm wiederholt an der Angel. Der Ball wollte aber einfach nicht ins Tor, obwohl es das „Showtor“ war.

An eine Niederlage des TUS konnte aber niemand mehr denken.

 

Elfmeterschießen auf das „unfreundliche“ Tor. Mir platzte fast der Schädel.

 

Elfmeter: Maximilian Zuckrigl schoss als erster sehr gut platziert oben rechts und Colombo hielt sensationell. Anerkennung. Pau Babot traf zum 1:2.

 

2.   Elfmeter: Was für eine Leistung und Kaltschnäuzigkeit von Mohammad Kazerooni (der den

      Verein leider verlässt, aber sicher bald wiederkommt), da er wusste, wenn er verschossen        

      hätte, wäre es so gut wie „rum gewesen“. 2:2 Ausgleich. Bornheim

      verschoss, oben drüber in die Wolken, weiter 2:2.

 

3.   Elfmeter: Nils Bergs völlig unaufgeregt, von mir hat er das nicht, schob „einfach so“

      flach rechts ein. Colombo blieb einfach in der Mitte stehen. Er konnte scheinbar mit Bergs

      nichts anfangen, sah vllt. bei seinem Erscheinen am Elfmeterpunkt keine Hoffnung? 3:2.

      Bornheimer Elfmeter von Laux pariert! 3:2 weiterhin.

 

4. Elfmeter: Kevin Kratz schoss in der Manier von Andreas Brehme bei seinem WM Tor flach

    platziert links unten leider nicht ein, sondern daneben. Noch immer 3:2. Timon Rosenkoetter

    traf zum 3:3 Ausgleich.

 

5. Elfmeter: Wieso legte Laux seinem Mitspieler den Ball auf den Elfmeterpunkt, der war doch

    noch gar nicht unterwegs? Was, Laux schießt selbst? Oh Gott, ein Wahnsinniger, er drischt die

    Strafstöße normalerweise mit voller Wucht ins Tor. Der letzte donnerte damals allerdings an die

    Latte. Das Tor wäre fast weggeflogen. Und diesmal platziert rechts unten zum 4:3.

 

 

 

 

   Laux wieder ins Tor zurück, um den letzten Elfmeter um den linken Pfosten zu lenken.

 

                         Laux, Laux,Laux,Laux, Laux, Laux, Laux

 

 

Es folgten Minuten der unbeschreiblichen Freude. Solche eine Spannung, solch ein Wahnsinn war und ist nicht mehr zu steigern! Allen lagen die Nerven blank, allen!! Feier bis in die tiefe Nacht im Vereinsheim.

 

 

Wer schreibt die Lobeshymne?

 

 

Insgesamt hat der TUS den Verbleib in der Hessenliga mehr als verdient!

 

Die Qualität der Mannschaft ist auf jeden Fall eindeutig Hessenliga tauglich. Der ein oder andere Platzverweis und zu viele Unentschieden hatten den TUS an den Rand des Klassenerhaltes gebracht, vielleicht auch so etwas wie z.B. ein Spieler, der angeblich noch mit den Skischuhen an den Füßen mitten in der Saison zu einem wichtigen Spiel erschienen sein soll, wie der überglückliche Steffen Moritz in seiner Dankesrede schmunzelnd in Erinnerung rief.

 

 

Liebe Spieler, die den TUS leider verlassen,

 

Maximilian Zuckrigl, Max Gotthardt, Mohammad Kazerooni, Oskar Stahl, Yuri Fujikawa und Gianluca Cicatelli:

 

den ein oder anderen habe ich sicher schon an anderer Stelle gelobt, wir werden Euch vermissen, ihr ward alle eine Bereicherung für jeden von uns, jeder mit seinem eigenen Charakter, genau passend an der richtigen Stelle.

 

Es war eine Freude Euch zuzugucken!

 

Mir fehlt leider heute die Kraft hier noch weiter auszuholen, vielleicht später.

 

Auf jeden Fall wünschen wir Euch von Herzen, dass ihr an anderer Stelle einen neuen Platz findet, dass Euer Leben weiter gelingt und ihr die Freude, die ihr uns bereitet habt, an anderer Stelle auch weiter geben könnt.

 

Viel Glück von Herzen!

 

 

TUS Dietkirchen: Laux, Nickmann (104.Schmitt), Böcher (83. Kazerooni),Schmidt (69.Schmitz), Hautzel, Kratz, Leukel, Dankof (64.Fujikawa), Zuckrigl, Stahl (74.Mink), Bergs

 

SG Bornheim/GW FFM: Colombo, Schmanke, Schwarz, Camara (66.Ahmed Gure), Tewelde (93.Fließ), Babot, Letterie (83.Shahinda), Kadrijaj, Schuster, Kim (73.Wehrheim),Tewelde (79.Rosenkoetter)

 

Schiedsrichter: Steffen Rabe

 

Zuschauer: 640

 

Tore: 0:1 Joel Tewelde (60.), 1:1 Maximilian Zuckrigl (94.),

 

Elfmeterschießen:

1:2 Pau Babot,

2:2 Mohammad Kazerooni

3:2 Nils Bergs

3:3 Timon Rosenkoetter

4:3 Raphael Laux