- Spielbericht Hessenliga 15.04.2023 -
TUS Dietkirchen gegen SC Waldgirmes 1:1 (0:0)
Vorweg wie immer (!) gegen Waldgirmes ein faires unaufgeregtes Spiel, auch wenn sieben gelbe Karten auf etwas anderes hindeuten sollten. Allerwelts-Gelbekarten. Und eine souveräne angenehm unauffällige Schiedsrichterleistung von Vincent Schandry.
Die Fairness der Waldgirmes-Spieler erkannte man auch daran, dass nach einem Foul zu dem am Boden liegenden TUS Spieler hingegangen wurde, um nachzufragen oder sich zu entschuldigen. Leider, leider, leider findet man Mannschaften mit diesem erfreulichen Verhalten gefühlt häufiger im Tabellenkeller.
180 (?) Regenschirme über fast die gesamte Spielzeit heiterten auf. Man sah dort, neben dem üblichen Rentnergrau, auf den Schirmen alles Mögliche aufgedruckt. Schweineköpfe, Pferdeköpfe, Janosch Motive, Eichhörnchen…
Insgesamt hatte der TUS, wie man so schön sagt, mehr vom gesamten Spiel bei schwierigen Wetterverhältnissen und einer glasklaren, aus der Not heraus geborenen, Hoffnung machenden, Startaufstellung.
Ausrutscher auf nassem glitschigen Boden waren die Ausnahme. Der Spielaufbau wirkte angenehm kontrolliert, sauber, allerdings auch auf Waldgirmes Seite. Der TUS wollte die Punkte etwas mehr, Waldgirmes vllt. etwas vorsichtiger angesichts ihrer ebenfalls bedrohlichen Tabellensituation. Ergebnis der ersten Halbzeit: fast keine nennenswerte Torchance von Waldkirmes, bei etwas zu unsauber zu Ende gespielten Halbchancen von Dietkirchen eher am Fließband, sich in der weiteren gesamten Spielzeit fortsetzend.
Direkt nach der Halbzeit (49.) fing Gianluca Rosario Cicatelli an der linken Strafraumgrenze einen abgewehrten Ball ab und schlenzte ihn mit vorgestrecktem Bein, einige Spieler vor sich, „gemütlich“ nach hinten rechts halbhoch ins Tor zum 1:0. Es sah so einfach aus, angesichts des im gesamten Spiel aus Waldgirmes Sicht besonders positiv auffallenden Torwart Buss war es aber ein Kunststück! Jetzt noch ein TUS Tor und alles wäre gelaufen gewesen.
Dann aber in der 60. ein harmlos erscheinender Allerweltsangriff von Waldgirmes über rechts, scharf entlang der 5 Meterlinie, an zwei Abwehrspielern des TuS glücklich vorbei, nach innen gezogen und Felix Erben musste links am Pfosten nur noch den Fuß zum 1:1 hinhalten. Die erste ernsthafte Torgelegenheit von Waldgirmes aus dem Nichts erfolgreich. Wirklich Totenstille über mehrere Sekunden.
Dann 79. Minute. D i e Szene des Spieles beim Stand von 1:1, eine der unglaublichsten Szenen der letzten 10000 Jahre auf dem Reckenforst:
Einen halbhohen Ball hinter die TUS Abwehr, erlaufen von einem Waldgirmes Spieler, völlig frei in schnellem Tempo von rechts auf den herauskommenden Laux zulaufend, seitlicher relativ langsamer Querpass (oder sogar Torschuss?) an Laux vorbei auf einen mitgelaufenen ebenfalls fast frei links im 5 Meterraum auftauchenden Mitspieler, der natürlich jetzt das leere linke Tor in gefühlt zwei (!) Meter Abstand mit dem heran kullernden Ball vor sich hatte. Schuss zum unausweichlichen 1:2 (mitterweile den Atem von Bergs im Nacken und im Augenwinkel den von rechts heranrutschenden Böcher)!?
Hier noch von Torchance zu reden, gab die Situation nicht wieder. Man spricht ja auch auf das gesamte Leben bezogen nicht von Überlebenschance. Die gibt es nicht. Man stirbt. Da gibt es kein hin und her. Also todsicher. Und auch hier todsicher 1:2. Nein!!! An die Latte gedonnert! Unbegreiflich, unvorstellbar, jedem gesunden Menschenverstand spottend! Es blieb beim 1:1.
Um den Spieler nicht bloß zu stellen, sollte auf die Namensnennung verzichtet werden, auch weil kein Mensch vor so einem Missgeschick geschützt ist.
Um im Bild des Unvorstellbaren zu bleiben, es zu vertiefen, die Situation zu „verarbeiten“, zwei Vergleiche:
Stellen Sie sich vor ein Profi-Golfspieler würde aus 3 cm den Ball an der Lochkante vorbei spielen!
Oder anders. Stellen Sie sich ein Prominenten-Benefiz-Fußballspiel der deutschen Bundestagsabgeordneten im Jahr 2023 vor. Selbst Kevin Kühnast hätte den Ball noch im Tor untergebracht, notfalls nur durch gutes Zureden, oder, um dem Vorwurf der Antipathie gegen eine bestimmte Partei oder gegen das männliche Geschlecht zu entgehen, selbst Ricarda Lang hätte den Ball noch irgendwie ins Tor „geschoben“. Todsicher.
Falls der TUS dem Abstieg entgehen sollte, müsste eine teure Flasche Sekt als Dank für zwei dem TUS geschenkte Punkte an diesen Spieler von Waldgirmes gehen.
Ein schönes Spiel des TUS und ein verdientes Unentschieden, wenn man die unzähligen leichten Halbchancen des TUS gegen die tonnenschwere Mega-“Chance(s.o.)“ von Waldgirmes aufwiegt. Wieder ein Pünktchen! Aber: s.u.!
DANKE an die lautstarken zum Leben erwachten anfeuernden Fans des TUS, die in der letzten Saison den TUS mit in der Hessenliga gehalten haben. Unvergesslich!!
Allerdings auch nicht unter den Tisch zu kehren ist die extrem ernste Situation für den TUS! Rettung durchaus noch möglich, wenn jeder Spieler für die wenigen verbleibenden sechs Wochen nur noch den Blick auf den Verein hat, sein „letztes Hemd“ gibt. Man muss auch für die aberhunderten meist ungenannten unsichtbaren TUS Spieler, die den Verein nach und nach über viele viele Jahre da hin gebracht haben, wo er jetzt steht, spielen, für die über die Jahre aberhunderten stillen Helfer, die treue Fangemeinde, aber auch für die eigene Ehre.
Falls es nicht klappen sollte, geht die Welt nicht unter, wenn man sein Bestes versucht hat und sich keine eigenen Vorwürfe machen muss. „Das Leben geht weiter.“ Es gibt eigentlich ganz anderes viel Wichtigeres!
2000 km Luftlinie von Limburg, also eigentlich direkt hinter dem Horizont, sterben täglich viele Menschen im Kugelhagel. Zerbombte Wohnungen wohin man guckt. Im Jahr 2023. Und wir sitzen hier und dürfen Fußball spielen, Zuschauer sein oder darüber schreiben. Also direkt hinter dem Horizont dieser Menschen. Noch völlig unbegreiflicher im Vergleich zur 79. Minute in diesem Spiel!
Hoffentlich fragen mich meine Enkelkinder, falls ich mal welche haben sollte, nicht, direkt aus dem Geschichtsunterricht der Schule kommend:
„Opa, was hast Du eigentlich so während des Ukrainekrieges 2023 gemacht? Konnte man die Bombeneinschläge in Limburg hören?“
„Ich habe über Regenschirme mit aufgedruckten Eichhörnchenbilder geschrieben und über ein Prominentenfußballspiel mit Kevin Kühnast und Ricarda Lang!“
TUS Dietkirchen: Laux, Nickmann, Böcher, Hautzel, Leukel, Dankof (84.Stahl), Zuckrigl, Cicatelli, Bergs, Mink, Schmitz (78.Kazerooni)
SC Waldgirmes: Buss, Fries, Schmidt, Cost, Golafra, Erben, Stephan, Bartheld (76.Wiessner), Safiew (70.Fuerstenau), Fuerbeth (65.Schneider), Olizzo
Schiedsrichter: Vincent Schandry
Zuschauer: 180 (trotz strömenden Regen!)
Tore: 1:0 Gianluca Rosario Cicatelli (49.), 1:1 Felix Erben (60.)