Ein Spiel, ein Pfiff – und ein Pfeifen ohne Ende?

Schiedsrichter Pierre Hackler. (Foto: privat)

Ein ganz gewöhnliches Spiel zweier Mannschaften in der B-Klasse Wiesbaden an einem Herbst-Sonntag hat möglicherweise Folgen. Ein Spieler erhebt Vorwürfe gegen den Schiedsrichter und klagt vor Gericht auf Schmerzensgeld. Was war passiert?

Pierre Hackler (41) leitete - wie an jedem anderen gewöhnlichen Sonntagmittag - im Oktober 2018 das Spiel zwischen der DJK SC Klarenthal II und der Spvgg Sonneberg II. Es war laut Aussage des Unparteiischen ein „ganz normales Spiel ohne hitzige Szenen – keine schwer zu leitende Partie“. In der 60. Minute sei es dann an der Seitenauslinie auf Höhe der Klarenthaler Bank zu einer Rudelbildung gekommen – „so, wie das 100mal jeden Sonntag auf den Sportplätzen passiert“. Hackler sei dann zum „vermeintlichen späteren Tatort“ geschritten, um die Gemüter zu beruhigen. Um Ruhe herzustellen, habe er in seine Pfeife gepfiffen. „Dafür ist sie ja da“. Wie weit entfernt oder wie nah er dabei zu P. U. gestanden habe, könne er „beim besten Willen nicht mehr sagen“. „Ich habe den Spieler ja nicht bewusst wahrgenommen. Ich muss wohl rechts von U. gestanden haben, denn er hielt sich fortan das linke Ohr“. Das Spiel sei dann weitergelaufen. Aber der Spieler, so Hackler, habe sich ständig und schließlich so beleidigend bei ihm beschwert, dass er darauf mit Rot reagiert habe. Für den im Künstler-Booking- und Event-Management tätigen Hackler war nach dem Schlusspfiff die Arbeit getan. U. erstattete später Anzeige wegen Körperverletzung. Den Brief der Staatsanwaltschaft Wiesbaden erhielt Hackler einige Wochen später: „Ich hatte das Spiel längst vergessen“.

Im Juni 2020 kam es dann zum Strafprozess vor dem Wiesbadener Amtsgericht. Im Vorfeld sei in der Gerichtspresse von der „Verhandlung gegen einen gewalttätigen Schiedsrichter“ die geschriebene Rede gewesen, so Hackler. Der Beklagte, der sich „stigmatisiert und vorverurteilt“ gesehen habe, konnte sich der prominenten anwaltlichen Vertretung des damaligen DFB-Vizepräsidenten Dirk Janotta sicher sein. Die Forderung der Staatsanwaltschaft lautete 4500 Euro Strafe. Versuche einer außergerichtlichen Einigung waren vorab gescheitert. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt. Die Zeugen des Spielers, so Hackler, „hatten sich was die Entfernung des Spielers zu mir angeht widersprochen. Da war mal von 10 Zentimetern und mal von 1,5 Metern die Rede“. Das Angebot der Richterin auf 1000 Euro Schmerzensgeldzahlung hatte U. abgelehnt. Hackler musste 80 Sozialstunden ableisten.

Damit ist die Sache aber nicht aus der Welt. Am 21. April dieses Jahres steht nun das zivilrechtliche Verfahren vor dem Wiesbadener Landgericht an. U. verlangt 5000 Euro Schmerzensgeld wegen eines Tinitus. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, sagt Hackler. Ob er weiterpfeife oder sein Hobby, das er seit 1997 ausführe, an den Nagel hänge, wisse er noch nicht. Derzeit ist er auf eigenen Wunsch freigestellt. Da seien zum einen die Highlights wie Hessenliga-Spiele, bei denen er schon an der Seitenlinie stand. Oder, unvergessen, die Leitung des All Star Games von Ronaldinho gegen eine internationale Auswahl in Frankfurt im November 2018 an der Seite von Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Jürgen Jansen. Andererseits: „Jeder Pfiff kann ja in Zukunft mit erheblichen Problemen verbunden sein“. Und Hackler ergänzt. „Wenn jeder Schiedsrichter und jede Schiedsrichterin in Zukunft Anzeige gegen Spieler*innen wegen Beleidigungen stellt, werden die Gerichte sehr viel zu tun haben.“ Ob das alles im Sinne des Sports sei, wage er zu bezweifeln. Der Verein Klarenthal hat meiner Bitte, Kontakt zu P.U. herzustellen, um diesen auch zu Wort kommen zu lassen, leider nicht entsprochen.