Videobeweis ja oder nein? Gilt Fairplay eigentlich auch für Schiedsrichter?

Schorsch an der Pfeife (Foto: Thorsten Wagner)

Die Fußballgemeinde war sich ausnahmsweise mal einig, die Elfmeterentscheidung von Knut Kircher beim Spiel Bayern gegen Augsburg war falsch. Ich habe bisher keinen getroffen, der das Gegenteil behauptet hätte.

Ich verfolgte die Presse. Am Tag nach dem Spiel las ich die Bild am Sonntag (BAMS).

Knut Kircher hatte bis zur Strafstoßentscheidung in der Schlussminute für seine tadellose Leistung eine 1  verdient. Sein Stellungsspiel in der entsprechenden Situation war absolut okay, sein Assistent Robert Kempter stand nah und hatte Blick auf die Situation. Dem Schiri war die Sicht auf den Zweikampf verdeckt. Der Assi machte sich bemerkbar, er wollte einen Elfer gesehen haben, Knut pfiff im Vertrauen auf seinen Kollegen. Und lag daneben, was er auch zugegeben hat. Die BAMS hat ihm für die Fehlentscheidung die Note 6 gegeben. Kann das sein, hat das was mit Fairplay zu tun? Man stelle sich vor, Thomas Müller macht in einem Spiel 3 geile Tore, Manuel Neuer lässt in der letzten Minute eine Lusche durch und mein Lieblingsspieler bekäme eine 6.

Wäre es nicht längst an der Zeit, den Schiedsrichter für seine und die Assistenten für ihre Leistung zu beurteilen?

Opfer des vorsätzlichen Betruges des Herrn Douglas Costa war der FC Augsburg, dann Knut Kircher und zuletzt, das kleinste, nur bisschen Opfer, Robert Kempter. Augsburg fährt ohne den Punkt heim, Knut Kircher kriegt die 6, der Assi keine Note und der Betrüger Costa kriegt eine 3, fehlt nur noch, dass er für seine „Cleverness“ noch die 1 kriegt. Der Täter kommt am besten aus der Nummer raus. Hier stimmt was nicht, in England hätten die Zuschauer Herrn Costa, ich finde die Spielweise des Burschen einfach nur geil, gnadenlos ausgepfiffen.

Wenige Tage nach dem Spiel meldete sich dann noch Sportreporter Veit von der Frankfurter Neuen Presse in einem Kommentar zu Wort. Er schrieb von katastrophalen Schiedsrichterleistungen und begründete damit seine Forderung nach Einführung des Videobeweis.

Max Stillger von FLW24 hatte in seiner Kolumne eine Lanze für die Schiedsrichter gebrochen. Er war mal Spielleiter, zumindest für 25 Spiele und kann ermessen, wie schwer es ist, ein Fußballspiel zu pfeifen. Diese Erfahrung dürfte Herrn Veit fehlen.

Natürlich gibt es Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, ich gehe sogar soweit: es ist noch nie ein Spiel fehlerfrei gepfiffen worden. Wenn ich eine Tabelle über die Leistungen in dem großen Zirkus Fußball erstelle, rangieren meine Kollegen mit Sicherheit nicht am Tabellenende. Oftmals hätte ich auch die Zeitung abbestellen müssen, Herr Veit.

Nehmen wir die Fragestellung des Videobeweises wieder auf. Wie soll das aussehen? Jede Mannschaft kann in einer Halbzeit 3 Entscheidungen mittels Bilder überprüfen lassen, hierzu hat sie einen Buzzer und kann das laufende Spiel unterbrechen. Was wird passieren? Die Mannschaft A greift an, verliert bei einem harten, aber fairen Zweikampf den Ball, der Gegner hat eine tolle Konterchance. Jetzt wird erst einmal gebuzzert. Man ist sich zwar sicher, dass es kein Foul war, auch wenn mein Spieler markerschütternd geschrien (obwohl er nichts hat, diese Unsitte greift immer mehr um sich) hat. Aber, der Konter muss geblockt, ein Gegentor unbedingt verhindert werden.

Warum laufen bei eingeführtem Videobeweis überhaupt noch Schiedsrichter über den Platz und turnen Assistenten an der Linie rum? Die können doch in den Katakomben in dem Technikraum sitzen und das Spiel von dort aus leiten. Der zusätzliche Vorteil wäre, es gäbe keine roten Karten wegen verbalen Delikten mehr. Die Spieler könnten sich nach Lust und Laune ungestraft übelst beleidigen.

Ich frage mich, wie die ganzen Amateurvereine die Ausrüstung ihrer Sportplätze mit Videoüberwachung finanziell stemmen sollen. Woher kommt das Personal, dass die Technik bedient, den kleinen Vereinen mangelt es doch sowieso an ehrenamtlichen Helfern?

Meine Söhne Felix und Lucas werfen bei unserer Diskussion ein: „Vadder, der Videobeweis soll doch nur für den Profifußball gelten!“

Ach so, die Kluft zwischen Amateuren und Profis soll noch größer werden, als sie ohnehin schon ist. Die Profis spielen dann nach anderen Regeln als die Hobbykicker.

Der Anteil der Profis im DFB bewegt sich im Promillebereich gegenüber den 2,5 Millionen Kicker und Kickerinnen, die Woche für Woche in Deutschland in einer Mannschaft dem runden Leder nachjagen. Wäre es dann eigentlich nicht längst an der Zeit, dass sich die Profis aus dem DFB ausklinken. Natürlich geht es auch umgekehrt, die Amateure sondern sich ab und organisieren sich neu. Vor allen Dingen hätten die Amateure dann auch nichts mehr mit den korrupten UEFA und FIFA zu tun. Die Amateure sind sich ihrer Macht nicht bewusst, bei ernsthaften Bemühen, sich aus dem DFB auszuklinken, ginge einigen Herrschaften in der Otto-Fleck-Schneise die Muffe 1 zu 1 Million.

Ich gebe die Frage aus der Überschrift „Videobeweis ja oder nein“ an FLW 24 und seine User weiter.

Natürlich nehme ich mir das Recht heraus, mich als Erster äußern zu dürfen. Seit 55 Jahren bin ich dem Fußball verbunden. Ich habe Entscheidungen erlebt, die mit dem Videobeweis revidiert worden wären. Wahrscheinlich wäre ich 1966 Weltmeister geworden, leider hat das Wembley-Tor den Gastgeber zum Champion gemacht. Wäre ich 1974 und 1990 Weltmeister geworden? Bernd Hölzenbein und Rudi Völler, bei aller Sympathie, ob das mal Elfer waren, die uns zum Sieger, jeweils 1 zu 0, kürten? Der Titel 2014 war mir lieber, weil er nicht durch einen Elfer zustande kam.

Eigentlich müsste ich für den Videobeweis sein. Ich leitete kürzlich ein Spiel im Main-Taunus-Kreis. Spaßeshalber habe ich mal mitgezählt. Von den Spielern der beiden Mannschaften wurde ich in 95 Minuten über 30 Mal vorsätzlich belogen, um mich in meinen Entscheidungen zu beeinflussen, sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Ein Videobeweis hätte die Herrschaften jeweils als gnadenlose Lügner entlarvt. Allerdings wäre ich auch erst nachts um 11 zu Hause gewesen. Solange hätte es gebraucht, bis wir alle Entscheidungen überprüft hätten.

Beim Sagrotanfußball fiele auch die gesellschaftliche Aufgabe der Schiedsrichter weg. Da gibt es Zeitgenossen, da staut sich im Laufe der Woche in Beruf, Familie und sonstwo im Leben einiges an Aggressionspotential auf. Die gehen sonntags auf einen Sportplatz, zahlen 2 Euro fuffzig Eintritt und können über übleste Beleidigungen, vornehmlich gegen den Schiedsrichter, alles abarbeiten, was sich in der Woche so alles angestaut hat. Das ist mir dann, selbst als Opfer, doch noch lieber, als das zu Hause Frau und Kind im schlimmsten Fall verprügelt werden.

Also, Schiedsrichter Schorsch Horz bekennt sich ohne Wenn und Aber zu einem klaren Nein gegen den Videobeweis, ich bin sogar gegen die Torlinientechnik. Fehlentscheidungen des Schiedsrichters gehören zum Spiel dazu. Die Liebhaber des Fußball sollten die ganze Woche über die Möglichkeit haben, kontrovers über unseren geliebten Sport diskutieren zu können. Bei Bayern gegen Barcelona müssen die gleichen Regeln gelten wie bei Eschhofe gegen Hollese, auch das macht den völkerverbindenden Charakter unseres Spiels aus.

Also, User von FLW24, ich bin auf Eure Meinung gespannt. Bis bald auf irgendeinem Sportplatz.

Grüße von Schorsch Horz  

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