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Von kraftlosen Kreisliga-Kickern und dem Kardinalfehler Kartoffelsalat

Jörg Andersson von der Knappschaft.

Die jahrtausendalte Geschichte der Sportlerernährung ist reich an Anekdoten – und Irrtümern. Schon ersten Überlieferungen aus der Frühzeit der Olympiade zufolge haben die Athleten auf der Jagd nach den Lorbeeren zu Lebensmitteln wie Feigen, Kornbrei oder Brot aus Weizenschrot gegriffen und andererseits gekochte oder gebratene Speisen wie auch kalte Getränke und Alkohol verschmäht. Manch Sportler erhoffte sich vom Ziegenfleisch ein erhöhtes Sprungvermögen und  von einigen Läufern hieß es, sie hätten reichlich Fisch verspeist, in der Hoffnung, schnell und wendig werden.

Blicken wir vom altertümlichen Aberglauben an Wundermittel in die Pionierzeit der Fernsehwerbung, erinnert sich mancher, wie Franz Beckenbauer für einen Fertigprodukthersteller „Kraft in den Teller“ schaufelte. Suppenkasper spottete Keeper Ulli Stein Jahre später, wofür in der Kaiser als Teamchef der Nationalmannschaft nicht nur tadelte sondern komplett aus dem Kader verbannte. Ernährungswissenschaftler würden den früheren Eintracht-Torhüters zumindest in der Sache rehabilitieren. Die Empfehlung der der einstigen Lichtgestalt des Deutschen Fußballs steht wegen der üppigen und vielfach versteckten Zusätze von Geschmacksverstärkern sowie Salz und Zucker heute quasi auf der Index-Liste.

"Wir kickten noch für Würstchen und Kartoffelsalat"

Übrigens: auch wir Jugendkicker lagen damals beim Essen komplett daneben. Wir kickten noch für  Würstchen und Kartoffelsalat. Das war zwar lecker, aber aus moderner Sporternährungserkenntnis Irrsinn.

Heute kommen junge Fußballtalente schon deshalb um ein mehrköpfiges Beraterteam nicht herum, weil ein Experte alleine bereits damit beschäftigt ist, die Nahrungsverträglichkeit mit den Intervalltakten der Trainingseinheiten zu synchronisieren.

Tatsächlich beschäftigen sich selbst viele Freizeitsportler nach dem Motto schneller und schlanker oder auch zäher und kräftiger mit Eiweiß und Elektrolyten in Essen und Trinken. 

"Ambitionierte Läufer vertilgen auf Pastapartys tellerweise Nudeln"

Im Ernst: Was muss man nicht alles beachten: Sind die Kohlenhydratedepots ausreichend gefüllt, um einer Trainingseinheit oder Wettkampfbelastung von einer Stunde Stand zu halten? 30 bis 60 Gramm pro Stunde sollten es sein, um den Leistungseinbruch zu vermeiden, lautet nur einer von zahlreichen Tipps. Zur Orientierung: eine Banane enthält 25 Gramm.  

Ambitionierte Läufer vertilgen auf Pastapartys tellerweise Nudeln. Und Kartoffeln garantieren als Kohlenhydrate mit glykämischen Index wertvolle Rohstoffe für ramponierte und reparaturbedürftige Muskelfasern, verrät üppig vorrätige Fachliteratur. 

Doch Vorsicht vor zu einfachen Rezepten: nur al dente zubereitete Hartweizennudeln, die vom Körper langsam verdaut werden, sorgen bei gleichbleibendem Blutzuckerspiegel ähnlich wie Vollkornprodukte, bissfestes Gemüse oder Basmatireis für ein konstantes Leistungsniveau, erläutern die Experten. Weichen Nudeln hingegen hängt ähnlich wie weißem Reis oder gar Süßigkeiten der Makel an, den Blutzuckerspiegel kurzfristig in die Höhe schießen zu lassen – mit dem Effekt, dass dieser ebenso schnell wieder sinkt und in der Belastungsphase dann zur Unterzuckerung führt.

Aber vielleicht will man ja gerade das, um seine Fettpolster abzulegen. Für diese Klientel gilt: Wer keine Kreislaufprobleme hat, läuft am besten morgens früh und nüchtern. Dann greift der Körper vermehrt auf die Reserven zurück. Und eine gute Nachricht wie ein Sahnehäubchen: nach 70 Minuten Dauerlauf verbrennt der Körper 15 Stunden lang Fett – der Nachbrenneffekt wirkt noch auf der Couch.

Allerdings droht auch hier schon wieder ein Wermutstropfen. Wer hofft, durch Joggen seine Fettverbrennung anzukurbeln, sollte die Finger von Elektrolyt-Getränken lassen. Das ob seiner Mineralien und Spurenelemente vielfach gepriesene alkoholfreie Weizenbier enthält auch reichlich Kohlenhydrate, die eine Insulinausschüttung fördern und damit abrupt die Fettverbrennung stoppen.

15 – 55 – 35

Wer längst Übersicht und Durchblick verloren hat, dem hilft vielleicht eine einfache Formel. 15 – 55 – 35 in Sachen Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett. So sieht die ausgewogene Mischernährung für einen Breitensportler aus, habe ich jüngst gelesen. Von Nahrungsergänzungsmitteln oder Beachtung des Beipackzettels war nicht die Rede. Vielleicht beherzt aber sogar nur einfache Grundregeln. Obst ist in der Regel gesund und Trinken besonders wichtig. 

Alle Tipps verdaut? Sollten Sie Gefahr laufen, den Durchblick zu verlieren, reduzieren wir alles auf eine bekannte Fußballweisheit: „Entscheidend is‘ auffem Platz“.

Die Gilde der Übungsleiter erinnert sich zudem womöglich an Altmeister Max Merkel, der die herausragende Bedeutung des Trainers einmal mit Verweis auf die Kunst der Speisezubereitung verglichen hatte. Da gelte das gleiche wie bei einem Koch. „Wenn der sein Handwerk nicht versteht, helfen auch die feinsten Zutaten nicht. Dann kommt immer Gulasch bei raus.“