Beirut – Eine gespaltene Stadt

Thorsten in Beirut im Camille Chamoun Sports City Stadion.

Die Eintrittskarte der Partie Libanon gegen Hongkong.

15.000 Zuschauer waren vor Ort im Stadion.

Ideale Bedingungen für ein Spiel auf "Oberliganiveau".

Eine der Top Sehenswürdigkeit von Beirut die Mohammad Al-Amin-Moschee.

Das ehemalige Hotel Hilton, das während des Bürgerkriegs direkt auf der Frontlinie lag.

Eine weitere Sehenswürdigkeit der Uhrenturm Al-Abed.

Die Strandpromenade von Beirut "Raouche".

Als ein groundhoppender Kumpel im Februar auf mich zu kam und mich nach meinen Plänen fragte für das Länderspiel-Wochenende Ende März war ich zunächst einmal etwas hilflos. Ein neuer Länderpunkt wäre schön, aber auch etwas aufwändig, außerdem musste der Urlaub geklärt werden. Ansonsten geht ja auch immer ein Wochenende in den Nachbarländern Tschechien oder Belgien, kulinarisch immer eine Alternative. Nach Rücksprache im Büro war Urlaub machbar und so kristallisierte sich als Ziel der Libanon heraus. Dort stand ein Quali-Spiel für den Asien-Cup (vergleichbar mit einer EM) an gegen Hongkong, nur der Spielort war noch nicht ganz klar, aber vermutet wurde die Hauptstadt Beirut.

"Beirut gilt als das Paris des Nahen Ostens"

Beirut gilt bereits seit den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts als das Paris des Nahen Ostens, als westliche Perle der arabischen Welt. Doch immer wieder treffen blutige Konflikte die Metropole an der Küste des Libanons. Nach dem jahrelangen Bürgerkrieg der 70er- und 80er-Jahre und dem zerstörerischen Krieg mit Israel 2006 war es zuletzt vor Allem der Syrienkrieg, der bedrohlich über die Grenzen des Landes hinüberschwappte, nicht zu vergessen das IS-Attentat mit 44 Toten im November 2015. Grund genug also um sich etwas mehr Gedanken um die Reiseplanung zu machen da man doch möglichst in einem Stück und im Idealfall auch lebendig wieder nach Hause kommen wollte. Nun denn, die (Teil-)Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wurde berücksichtigt, sollte aber nach allen eingeholten Infos kein Problem sein, da wir uns ja auch nur in Beirut aufhalten wollten. Meinem Umfeld habe ich von dem Trip aber erst mal fast nichts erzählt, man will je niemand unnötig verunsichern oder ängstigen.

Über Athen mit Aegean in den Libanon nach Beirut 

Den Flug gab es mit Zwischenstopp in Athen mit Aegean für etwa 200 Euro und das Visum gab es vor Ort als Stempel in den Pass. Aegean hat an Bord einen guten Service, allerdings sind die Flieger nicht für größere oder korpulentere Menschen geeignet, zum Ersten mal im Leben habe ich einen Extra-Gurt gebraucht… Ich muss zugeben, ich bin etwas nervös als ich gegen 1:30 Uhr Nachts Ortszeit in Beirut ankomme. Normal machen mir Nachrichten von Terrorismus und politischen Spannungen keine Angst, aber es kribbelt trotzdem. Die Geldbeschaffung funktioniert anstandslos am Automat, dank der Uhrzeit waren wir leider auf ein Taxi zum Hotel angewiesen. Mit dem Taxifahrer wurden wir schnell handelseinig, preislich hatten wir uns vorher informiert was die Fahrt etwa kosten darf und wo das Hotel in etwa ist, außerdem hatten wir die Buchungsbestätigung in arabischer Schrift dabei. Nur leider hatte der Taxifahrer keine Ahnung oder konnte nicht lesen, vielleicht auch beides, und so musste er unterwegs mehrfach nachfragen, irgendwann kamen wir in unserem Hotel im Stadtteil Hamra an und er wollte mehr Geld von uns haben und folgte ins Hotel. Dort gab es dann einen spontanen Gesprächskreis zwischen uns, dem Taxifahrer und dem Hotelchef mit dem Resultat das alle mit den Schultern zuckten und der Taxifahrer wieder verschwand.

Sehenswürdigkeiten wie den Uhrenturm Al-Abed und die Mohammad Al-Amin-Moschee wurden besichtigt

Nach kurzer Nacht ging es dann bei strahlender Sonne zur Stadterkundung. Es ist ein lautes Wirr-Warr. Es ist einer dieser Orte von vielen im Nahen Osten, an dem hektischer Trubel und Gemütlichkeit aufeinander treffen - und zu verschmelzen scheinen. Während sich Menschen an Menschen und Autos an Autos aneinander vorbeischieben, sitzen die Menschen unbeeindruckt von all dem Chaos auf den engen Bordsteinen. Sie rauchen Shisha, spielen Backgammon und trinken Tee. Hamra ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswertes Viertel. Wenn man über die Hamra Street flaniert, könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, man befinde sich in einer europäischen Großstadt. Das Paris des Nahen Ostens? Dort treffen sich Menschen jeglicher Couleur: Muslime, Christen, Einheimische, Zugezogene, Touristen, Studenten und Arbeiter. Mittendrin wir an der Strandpromenade auf dem Weg ins Zentrum. Unterwegs begegnet uns die Nationalmannschaft von Hongkong auf ihrem Mittagsspaziergang, mit einem aus der Mannschaft kamen wir ganz nett ins Gespräch und es wurde ein enges Spiel für den späten Nachmittag erwartet. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten wie den Uhrenturm Al-Abed und die Mohammad Al-Amin-Moschee wurden besichtigt und dazu auch das ehemalige Hotel Hilton, das während des Bürgerkriegs direkt auf der Frontlinie lag und von dem nur noch ein 26-stöckiges Gerippe mit Löchern von Schüssen oder Granateinschlägen übrig ist. Sehr bedrückend, da man sich über die Nutzung nicht einigen konnte steht das „Hotel“ sozusagen weiterhin als Mahnmal mitten in der Stadt.

"Das spielerische Niveau war etwa in unserer Oberliga anzusiedeln"

Irgendwann war dann der Rückweg zum Hotel fällig, kurzes Ausruhen und dann ging es mit Gepäck per Taxi zum Stadion „Camille Chamoun Sports City“, dem größten Stadion des Landes mit einen Fassungsvermögen von etwa 50.000 Zuschauern. Nach 3 Kontrollen von Person und Gepäck wurden wir zum Stadion vorgelassen, die Ticketbeschaffung war völlig entspannt, für knapp 13 Euro gab es eine ordentliche Eintrittskarte für die Haupttribüne und als Bonus noch freies W-Lan. Wir konnten dort beobachten wie sich das Stadion füllte auf sehr beachtliche 15.000 Zuschauer, auch etwa 10 Anhänger Hongkongs waren vor Ort. Das spielerische Niveau war etwa in unserer Oberliga anzusiedeln, allerdings nur bei den Libanesen. Nach dem 2:0 und einer guten halben Stunde Spielzeit schaltete man 2 Gänge zurück und Hongkong durfte auch mal mitspielen. Das Spiel war alles andere als eng wie uns der Spieler mittags angekündigt hatte. Erwähnenswert war eigentlich nur noch das sich nach etwa 10 Minuten libanesische Fangruppen etwas in die Haare bekommen haben und danach einige Sitzschalen den Besitzer wechselten. Die anwesende Polizei  registrierte das zuerst nur, irgendwann wurde es dann doch etwas zu bunt und man ging im Block dagegen vor. Nach kurzer Zeit war wieder Ruhe, aber die Atmosphäre war trotzdem deutlich besser als erwartet, die Lautstärke war teilweise sehr ordentlich.

Nach dem Spiel war vor dem Rückflug und da wir noch einige Stunden Zeit hatten wollten wir im angrenzenden Viertel noch etwas Essen, was aber nicht ganz so einfach war wenn man ein Restaurant sucht und nicht im Stehen essen will. Auch das war irgendwann gefunden und weil es so lecker war wurde das gleiche Sandwich noch einmal bestellt und mit einem Taxi ging es dann spät wieder zum Flughafen und in der Nacht über Athen wieder zurück in die Heimat.

Fazit der Tour: eine sehr schöne Stadt und ein Land, das mich sicher nochmal wieder sieht. Wir haben uns zu keiner Zeit unsicher gefühlt (vom brüchigen Taxi zum Flughafen oder Tauben mit Durchfall mal abgesehen…), aber man darf auch die Augen nicht verschließen, das es immer noch verschiedene Viertel gibt. Muslimische Viertel (sunnitische und schiitische) und Christen. Dazu kommen die Flüchtlingslager im Süden der Stadt, in denen zigtausende großteils palästinensische Flüchtlinge leben - abgeschnitten vom schönen Leben der Flaniermeilen. Dass diese Parallelwelten zu einem Brandherd werden können, ist klar…