No one likes us, we don’t care

Ein Besuch beim Londoner Kultverein Millwall FC

Auf Gleis 14 an der London Bridge Station geht es eng zu. Hier tummeln sich die Supporter von Colchester United, die gleich den Zug nach South Bermondsey nehmen wollen. Um 15 Uhr ist Kick Off in THE DEN, der Heimstatt des Millwall Footballclub. Schaubühne: Dritte Liga im Mutterland des Fußballs. Die heißt hier League One. The Lions, die Profis des gastgebenden MFC, schnuppern momentan an den Play-Off-Rängen zur Championship (Zweite Bundesliga), aus der sie vergangene Saison abgestiegen sind.

Underdogs mit Namen

Millwall, das ist keine No-Name-Adresse. Das Team, das zwei Meilen südlich der Themse beheimatet ist, kann nicht mit den großen Londoner Nobel-Klubs wie Chelsea, Arsenal oder Tottenham konkurrieren. Es zählt  in den letzten Jahrzehnten zu den klassischen Zweitliga-Mannschaften. Das jetzige Stadion mit seiner Kapazität von gut 20.000 Besuchern wird im Durchschnitt von sechs bis acht Tausend Enthusiasten  besucht. An diesem trüben-kalten Novembertag sind es rund 7000, die am Ende das souveräne 3:1 der Blau-Weißen bejubeln können.

Es geht zivilisiert und fair zu. Gut, die Schlachtrufe gehen hin und her. Das gehört dazu. Wir sind ja nicht auf dem Zentralfriedhof. Aber es brennen keine Fahnen, die die Fans den Sportfreunden aus  der 65 Meilen entfernten Stadt in Essex geklaut hätten. Wer zündelt, randaliert, sich rassistisch äußert oder gar den Rasen betritt, hat in Old England schlechte Karten. Erwischt man ihn, das weiß ein jeder, hat er das Stadion das letzte Mal von innen gesehen. Da kennen unsere Freunde von der Insel kein Vertun.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Wenn Millwall FC auf einen direkten Londoner Konkurrenten aus welcher Liga auch immer trifft, kann es lebhafter werden. Geht es gar gegen das geliebte Westham United, dann ist doch schon Vorsicht oder Alarmstufe 1 angesagt. Die Stadien, ob THE DEN oder der Upton Park, die nur wenige Meilen trennen, sind dann zum Bersten gefüllt. Jetzt müssen die Bobbies schon mal ein paar Pferde mehr aus den Ställen holen und man wähnt sich fast bei einem Reitturnier. Den Zuschauerrekord verzeichneten die Blau-Weißen 1994 im FA-Cup-Match gegen Arsenal. Vor einigen Jahren gab es vor dem Boleyn Ground im benachbarten Westham nördlich der Themse unschöne Jagdszenen. Am Ende hatte die Polizei alles im Griff.

Auch Promis in South Bermondsey

Dass THE DEN nicht die schlechteste Adresse in der Londoner Fußballszene ist, verraten die Namen von Spielern, die irgendwann einmal für die Lions aufgelaufen sind. Nationaltorhüter wie Alex Stepney, der Ex-Gladbacher Casey Keller oder aktuell David Forde, der im EM-Quali-Spiel 2014 in Gelsenkirchen beim 1:1 das irische Tor hütete, klingen gut. Tim Cahill oder Teddy Sheringham, der im Mai 1999 in Barcelona zum Bayern-Trauma beitrug, streiften für Jahre das blaue Shirt der Lions über. Mit Uwe Fuchs verirrte sich in der Mitte der 1990er Jahre auch ein Bundesligaprofi in THE DEN.

Auch am 28. November geht es wieder sportlich-friedlich zu. Die Colchester-Fans werden am Abend noch in die Londoner Pubs gehen, bevor sie die Metropole heimwärts verlassen. Die Supporter des gastgebenden Klubs, der 1885 von Arbeitern einer schottischen Konservenfabrik nahe den Millwall-Docks gegründet wurde, haben weiterhin die Option auf den Wiederaufstieg in die Championship. Die Supporter stimmen ein letztes Mal für heute ihren Schlachtruf nach der Melodie von Rod Stewarts Sailing an: „Niemand mag uns, uns ist das egal.“