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Kimmichs Karriere-Knick

Jörg Andersson von der Knappschaft. (Foto: Knappschaft)

Corona und die Impfungen liefern weiter die Schlagzeilen im Fußball 


Anfangs dominierte in der Debatte um den Impfstatus eines Kicker-Idols der Imageschaden das Infektionsrisiko. Irgendwann gestand der Irritierte und zwischenzeitlich Isolierte seinen Irrtum ein. Und irgendwie nahm das Ganze für das Immunsystem des Impfzauderers Joshua Kimmich auch ohne Intensivstation-Behandlung kein gutes Ende.

 

Selbst der skandalös anmutende Fall um einen mutmaßlich gefälschten Impfpass im Bundesliga-Fußball vermochte Joshua Kimmich nicht aus der  Schusslinie zu bringen. Trainer Markus Anfang, der mit einem manipulierten Coronaschutz-Zertifikat ungeniert an der Seitenlinie dirigierte und sogar ohne Maske im dichten Trubel zum  Kölner Karnevalsauftakt posierte, hat die Spitzensport-Bühne vergleichsweise geräuschlos durch die Hintertür verlassen können.

Kimmich, kurz vor seiner Covid-Erkrankung als Impfskeptiker geoutet, steht in den Schlagzeilen, nachdem er sich in der Rolle als vermeintlicher Musterprofi in doppelter Hinsicht als Fehlbesetzung erwies. Anfang November musste er in Quarantäne. Seitdem hat er kein Spiel mehr bestreiten können. Kimmich erkrankte in der Folge an Corona - mit komplizierterem Infektionsverlauf. In der Lunge kam es zu  „Infiltrationen“, die eine Rückkehr in den normalen Trainingsbetrieb verzögern. Er rechne damit, „im Januar wieder voll dabei zu sein“, verbreitet der Nationalspieler ungeachtet seiner „sehr, sehr schwierigen Zeit“ Zuversicht.

Sportwissenschaftler Ingo Froböse warnt hingegen davor, zu früh in die Belastung einzusteigen. Nach einer leichten Lungenentzündung stecke „Kimmichs Karriere im Stau“, konstatiert der Professor für Prävention und Rehabilitation an der Sporthochschule Köln und verweist auf Post-Covid-Studien, denen zufolge jeder Zweite der betroffenen Hochleistungssportler ein halbes Jahr später noch  Muskelschmerzen und Müdigkeit verspüre.  Intensivmediziner Christian Karagiannidis warnt vor den  Covid-Fällen, die sehr lange brauchen, bis sie sich zurückbildeten, „selbst bei initial leichten Verläufen“. Mahnende Beispiele aus der Bundesliga gibt es: Freiburgs Jonathan Schmid, der im Sommer erkrankte, kämpft um den Anschluss. Oder Hertha-Keeper Rune Jarstein, der nach einer Corona-bedingten Herzmuskelentzündung vorübergehend sogar im Rollstuhl saß. Monate zuvor stöhnte Ilkay Gündogan von Manchester City, ihn habe das Virus heftig getroffen, gefühlsmäßig sei das Immunsystem komplett runtergefahren.

Manche Athleten werden womöglich nie wieder ihr altes Leistungsniveau erreichen, befürchten einige Experten. „Wir schätzen, dass zehn bis zwanzig Prozent der Gesamtinfizierten ein Long-Covid-Syndrom entwickeln, sagt Prof. Wilhelm Bloch, Leiter des Institutes für Kreislaufforschung der Sporthochschule Köln. Denn selbst ein  ausgeprägteres Immunsystem schützt Ausdauersportler nicht davor, „dass ihnen dann schneller die Puste ausgeht und nach Übertreten der anaeroben Schwelle Körper und Muskeln ermüden“, ergänzt Sportmediziner und Knappschaftsexperte Markus Bruckhaus-Walter.  „Um ihre Leistungsfähigkeit auf hohem Niveau zu erhalten, ist gerade für Sportler die Corona-Schutzimpfung wichtig, betont Mediziner Karagiannidis.

Während Kimmich noch darauf vertraute, sich im Profibetrieb mit Abstandsregeln und Tests schützen zu können, häuften sich in Sportarten wie Eishockey oder Handball bereits die Spielabsagen. Mannschaften, deren Teams sich teils geschlossen in den Krankenstand oder die Quarantäne verabschiedeten, mussten wochenlang pausieren und manövrierten das Tabellenbild in Schieflage.

Kimmich begründete seine Impfskepsis unter anderem mit fehlenden Langzeitstudien zu Nebenwirkungen des mRNA-Impfstoffs. Wissenschaftler verweisen darauf,  dass dieser binnen 50 Stunden im Körper abgebaut werde, ohne in den menschlichen Zellkern einzudringen. Nebenwirkungen des milliardenfach verabreichten Impfstoffs würden – wenn, dann innerhalb weniger Stunden oder Tage auftreten.

In seltenen Fällen kann durch den mRNA-Impfstoff eine Herzmuskelentzündung ausgelöst werden. Das Risiko einer sogenannten Myokarditis ist im Zuge einer Corona-Infektion aber offenbar weitaus größer, zeigen Studien. Eishockey-Profi Janik Möser verzeichnete  einen Covid-Krankheitsverlauf ohne größere Beschwerden, ehe ihm beim routinemäßigen Belastungs-EKG eine Herzmuskelentzündung  diagnostiziert wurde.

Parallel verläuft die Diskussion um die Vorbildfunktion von Bundesligaprofis, die in der  Pandemie vielfach von Ausnahmeregeln und großem Aufwand profitieren, um das Fußballgeschäft am Laufen zu halten. „Wenn ein Spieler überhaupt nicht geimpft ist, ist er eine ständige Bedrohung für uns alle“, sagt Liverpool-Trainer Jürgen Klopp und fügt hinzu: „Die Profis sind schon moralisch in der Pflicht, sich impfen zu lassen.“

Dennoch sind aktuell kaum mehr als zwei Drittel aller Premier-League-Spieler doppelt geimpft. Die Corona-Fälle häufen sich. Am Wochenende vor Weihnachten mussten deshalb mehr als die Hälfte der Spiele abgesagt werden.

In Deutschland, Spanien und in Italien sind jeweils mehr als 90 Prozent der Spitzenspieler  zweifach geimpft und vielfach sogar schon „geboostert“, heißt es.  Die Debatte um eine Impflicht für Profis, die der Fall Kimmich auch angesichts von 2G-Auflagen für Zuschauer ausgelöst hatte, ist nur kurz entbrannt.

Eine endgültige Güterabwägung um Selbstbestimmungsrechte, Berufsfreiheit oder körperliche Unversehrtheit in Betracht auf die Grundrechte für den Einzelnen und die Allgemeinheit bleibt offen.

Dafür haben offenbar zwischenzeitlich Vereine von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,  ihren hochdotierten Angestellten, die sie aufgrund von Corona-Komplikationen ohne Impfschutz nicht einsetzen können, die Bezahlung zu kürzen. Angeblich auch Kimmich, der sich zwischenzeitlich reumütig zeigt und bald impfen lassen will.

Unter dem Eindruck der hohen Inzidenzzahlen und der bevorstehenden Omikron-Welle ist jetzt auch die Diskussion um Populismus und Wettbewerbsverzerrung verpufft.

50000 Zuschauer in Köln, die dicht gedrängt und enthusiastisch ohne Maske den Rheinischen Derby-Triumph herausbrüllen, derweil in anderen Stadien um die zugelassene Zuschauermenge gestritten wurde. Solche Bilder und Debatten um mögliche Corona-Hotspots und den Heimvorteil des Fanpotenzials sind vorerst Vergangenheit. In der Bundesliga stehen wieder Geisterspiele auf dem Programm.

 „Überregionale Großveranstaltungen dürfen ab dem 28. Dezember nicht mehr mit Publikum stattfinden, das betrifft insbesondere Fußballspiele“, verlautet drei Tage vor Heiligabend. Zu Beginn des zweiten Corona-Winters sind die Fantribünen auf noch nicht näher bestimmte Zeit wieder verwaist.