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Schmerzmittel im Sportalltag: Gefährliche Belastungsprobe für die Gesundheit

Sportmediziner und Knappschaftsexperte Markus Bruckhaus-Walter warnt vor unkontrollierter Selbstmedikation.

Sportmediziner und Knappschaftsexperte Dr. Markus Bruckhaus-Walter.

„Der Griff zum Schmerzmittel ist Fußballalltag bis in die Kreisliga, dokumentiert eine aktuelle Reportage.

Viele Amateurfußballer kicken offenbar regelmäßig unter Einfluss von Schmerzmitteln. Mögliche Nebenwirkungen werden wenig beachtet. Einer Umfrage unter mehr als 1100 Sportlern zufolge ist das nur für jeden Dritten ein Thema. Müssen Sportmediziner da nicht Alarm schlagen?

Markus Bruckhaus-Walter: Der Einsatz muss in jedem Fall kritisch beurteilt werden. Viele Pillen werden allerdings geschluckt, ohne den Sportmediziner zu Rate zu ziehen. Etliche Mittel sind frei verkäuflich. Ambitionierte Sportler betreiben Selbstmedikation.

Auch die Deutsche Schmerzgesellschaft (DGSS) geht davon aus, dass unter Freizeitsportlern regelmäßig zu Ibuprofen und anderen Mitteln gegriffen wird.  Bei einer Umfrage unter 4000 Marathon-Läufern gab die  Hälfte an, vor dem Start Schmerzmittel eingenommen zu haben – vielfach in der Hoffnung, besser durchhalten zu können.

Markus Bruckhaus-Walter: Am Ende mussten weniger Läufer wegen Muskelschmerzen abbrechen, dafür aber deutlich mehr wegen Darmkrämpfen oder Herz-Kreislaufbeschwerden. Einige Sportler kamen wegen temporären Nierenversagens sogar  ins Krankenhaus.  Bei Maximalbelastungen wie Marathonläufen hat  Medikamentenmissbrauch wiederholt schon zum Tod  geführt. Im Wettkampf reduziert sich im Körper die Durchblutung von Organen, die nicht der Belastungsprobe unterzogen sind, weil der Sympathikus (Fluchtreflex) erhöht  ist. Ibuprofen, das gängigste und bekannteste Schmerzmittel, oder Diclofenac (Voltaren) erhöhen das Herzinfarktrisiko um bis zu 50  Prozent.

Auch mehr als 40 Prozent der jetzt befragten Fußballer erhofften sich durch die Schmerzmitteleinnahme im Spiel eine bessere Leistung - unabhängig von Schmerzen oder Verletzungen. Ein Viertel der Befragten erklärten, ihre Belastbarkeit erhöhen zu wollen.

Markus Bruckhaus-Walter: Schmerzmittel sollten generell nur kontrolliert und bewusst eingenommen werden. Idealerweise um den Heilungsprozess zu fördern. Dabei können sie Entzündungen hemmen oder Fieber senkend wirken. Wer Präparate einnimmt, um im Zweikampf und bei Belastung schmerzfrei zu sein, legt die Warnsysteme des Körpers lahm. Die haben eine Schutzfunktion, um Überlastungen und drohende Schäden zu vermeiden. Werden die Schmerzen betäubt, steigt das Verletzungsrisiko zusätzlich. Fußballern drohen  Bänder- und Muskelfaserrisse sowie Gelenkschäden.

In der aktuell zitierten Umfrage gab jeder fünfte Fußballer bis in die Kreis- und Bezirksligen zu, mindestens einmal im Monat Schmerzmittel zu nehmen. 13 Prozent gaben gar als Motiv an, den Kopf frei haben zu wollen. Wann muss man von Doping sprechen?

Markus Bruckhaus-Walter: Da muss man meines Erachtens unterscheiden. Ein messbarer Doping-Effekt ist im Fußball nur schwer zu belegen. Schmerzmittel haben keine anabole Wirkung und ermöglichen wohl auf keine intensiveren Trainingseinheiten. Die meisten stehen auch nicht auf der Verbotsliste, im Gegensatz zu manchem Nasenspray, das Ephedrin enthält oder auch Aspirin Complex. In jedem Fall beobachten wir aber eine problematische und ungesunde Entwicklung, speziell im Amateurbereich.

Achten Sie auf die Packungsbeilage oder fragen Sie Ihren Apotheker. Unter Amateurfußballern hat  dieser Satz offenbar nur Phrasenfunktion. Zwei Drittel der Befragten haben sich gar nicht mit Nebenwirkungen auseinandergesetzt.  

Markus Bruckhaus-Walter: Schmerzmittelmissbrauch ist generell ein Problem in unserer Gesellschaft. Beim Breitensport kommt ein besonderer Aspekt hinzu, denn der soll  eigentlich die Gesundheit fördern. Das erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und mehr Sensibilität, gerade vor dem Hintergrund der Gefahr fataler Langzeitfolgen beim unkontrollierten Konsum. Um Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Organschäden auszuschließen, sollten Schmerzmittel für  sportliche Belastungssituationen zumeist gar nicht und darüber hinaus nur wenige Tage in Folge eingenommen werden.

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