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INTERVIEW mit Markus „Max“ Stillger zur WM 2022

Markus "Max" Stillger teilte uns seine Meinung zur WM 2022 mit. (Foto: privat)

Am Mittwoch, 16.11.2022 trafen sich Ingo Frink und Dieter Bäbler von FLW24 mit Markus „Max“ Stillger im „Max Value Tower“ zu einem Interview im Hinblick auf die WM in Katar vom 21.11.2022 – 18.12.2022. Gerade in den letzten Wochen ist nochmal viel über diese WM diskutiert worden, obwohl die Vergabe bereits am 02. Dezember 2010 in Zürich bekanntgegeben wurde. Seit gut elf Jahren dominieren „nicht-sportliche“ Themen diese WM (sehr schade, gerade für unsere „kleinen Kicker“, die immer noch die Basis bilden; Anm. d. Red. DB), sondern es geht um Stimmenkauf, Ausbeutung und Tod von Arbeitern auf den Baustellen und Missachtung von Menschenrechten.

Auch Markus, allen in unserem Fußballkreis bekannt als „Max“ Stillger und Kenner des nationalen und vor allem internationalen Fußballs hat zu dieser WM eine ganz klare Meinung.

 

Viel Spaß bei unseren Fragen und den Antworten von Max.    


 

FLW24: Wie bewertest Du die Vergabe der WM nach Katar – wie ist hier Deine Meinung dazu?

Max Stillger: Der Fehler wurde bereits bei der Vergabe begangen, das ist Fakt. Hinzu kommt weiterhin, dass das Ganze nicht im Sommer stattfindet, sondern im Winter – zudem ist Katar absolut keine Fußballnation, da fragt man sich doch schon, was das Ganze soll. Was mich einfach ärgert ist, dass uns Fans eine WM quasi gestohlen wurde, denn so etwas braucht kein Mensch. Bisher waren die Weltmeisterschaften einfach grandiose Fußballfeste, Wenn ich mich an Italien 1990, Frankreich 1998 oder unser Fußballmärchen im Sommer 2006 im eigenen Land erinnere, blutet mir das Herz. Aber auch die früheren Weltmeisterschaften habe ich als Kind vor dem Fernseher aufgesaugt, wie ein trockener Schwamm das Wasser. Da hat man sich drei Jahre vorher schon drauf gefreut.

Gianni Infantino kann man zu der Vergabe noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn zu dieser Zeit war er noch nicht mal im Amt. Alles weitere zu seiner Rolle später im Verlauf dieses Interviews. Die Kameraleute könnten uns jedoch allen einen Gefallen tun, indem sie sein Gesicht nicht so oft ins Bild stellen. Es erzeugt – nicht nur bei mir – Brechreiz.

 

Ich konnte von allen 16 Mannschaften den Kader auswendig runter beten"

 

FLW24:  Inwieweit bist Du schon im WM-Fieber?

Max Stillger: Es plätschert so dahin. Früher, in jungen Jahren als Kind oder Jugendlicher (Max lacht schelmisch, Anm. d. Red.) hätte ich längst 4 Wochen vor der WM das damalige Kicker-Sonderheft „durchgearbeitet“.

Ich konnte von allen 16 Mannschaften (damals war das Teilnehmerfeld ja noch kleiner) den Kader auswendig runter beten. Da stand der Fußball noch im Mittelpunkt - auch wenn die damalige FIFA-Exekutive genauso korrupt war, wie seit eh und jeh. Das hat keinen interessiert! Und die politischen Verhältnisse in Argentinien damals? Da hätte man nach heutigen Maßstäben niemals spielen dürfen.

Googelt mal den Begriff "Militärjunta" – gibt es heute nur noch vereinzelt in versprengten afrikanischen Provinzen. Aber wenn damals einer gefordert hätte, "boykottiert diese WM" - der wäre zwangseingewiesen worden. Es ging um Fußball - wo der gespielt wurde war zweitrangig! Und - in dem Fall leider – wurde auch Fußball-Geschichte geschrieben, über die heute noch diskutiert wird. Der Begriff „Cordoba“ ist mir ungefähr genauso sympathisch wie der Name „Infantino“

 

FLW24: Wie wirst Du die WM verfolgen und wie stehst Du zu einem Boykott?

Max Stillger: Eine 14-tägige Reise nach Katar hätte mich mit allen Nebengeräuschen (Flüge, Karten, Hotel, Verpflegung) 50.000 Dollar gekostet. Das steht in keinem Verhältnis und das Geld gebe ich dann lieber in meine Stiftung, als dass ich es irgendwelchen Ölscheichs in den Rachen werfe. Ich habe aber „Follow Your-Team-Germany“ Finaltickets und werde – falls die deutsche Mannschaft das Finale erreicht - dann mit ein paar Kumpels einen Tagestrip nach Doha machen.

Zu der ganzen TV-Boykott-Situation kann ich nur sagen: Absolute Blödsinn-Diskussion, hauptsächlich geführt von Leuten, die mit Fußball nicht viel am Hut haben. Was ändert das = Nichts !!!

Wie viele Leute fahren in die Emirate oder nach Nordafrika in den Urlaub? Da regt sich kein Sch. . . drüber auf. Die "Welt-Klima-Konferenz" wird nach Ägypten vergeben. Da hat sich keiner auf der Straße nach Sharm-El-Sheikh festgeklebt. Eins ist klar: Nach dieser WM gibt es nur ein Ziel: Die grinsende, korrupte Glatze aus dem Wallis muss in die Wüste gejagt werden – von seinem jetzigen Wohnort in Katar ist das ja kein weiter Weg - aber vorher wird Fußball gespielt.

 

FLW24: Hätten die Länder nach der Vergabe die WM boykottieren sollen/müssen?

Max Stillger: Politik und Sport soll man generell trennen!!!

Erkläre einem Kind mal, dass es nicht die WM schauen darf, denn es versteht die Zusammenhänge doch noch gar nicht. Kinder wollen zusammen Spaß haben und Fußball spielen und sich keine Gedanken um Menschenrechtsverfehlungen etc. machen.

Alle Spiele sind im Free-TV zu sehen und dann soll diese WM boykottiert werden? In einem ganzseitigen Interview mit Theo Zwanziger, das vor ein paar Tagen in der NNP erschien, wurde auch nicht ansatzweise über Sport geredet, sondern nur über Politik diskutiert. Da muss doch auch mal die Frage gestellt werden „Wer wird denn aus Ihrer Sicht Weltmeister?“, denn nur darum geht es.

Im Fußball gelten in jedem Land die gleichen Regeln. Und das ist es ja gerade, was „unseren geliebten Fußball“ ausmacht. Kinder aus verschiedenen Nationen ´, die sich sprachlich nicht verständigen können, denn wirft man einen Ball hin und die spielen miteinander. Das ist Fußball!
 

Die Politik soll sich hierbei heraushalten und einfach den Sport auch mal Sport sein lassen"

 

Natürlich sehe ich die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs kritisch - Trikots, TV Abo, um nur ein paar wenige Faktoren zu nennen - aber auch hier gilt: Es wird keiner gezwungen etwas zu kaufen oder abzuschließen, jeder kann frei entscheiden was er wann und wie macht.

Ich möchte jetzt aber auch nicht der Heilsbringer sein und sagen, dass die Kritiker nun mal für vier Wochen die Füße stillhalten sollen und danach kann man wieder über politische Sachen reden, aber es soll doch bitte in den kommenden 4 Wochen sportlich bleiben und um den Fußball gehen.

 

FLW24: Hättest Du von Deutschland ein klares Statement zu den Missständen im Gastgeberland erwartet?

Max Stillger: Die Statements gibt es doch – aus meiner Sicht aber völlig unkoordiniert aus allen Richtungen. Und wer da alles meint seinen Senf dazugeben zu müssen…

Wie bereits gesagt: Es wird keiner gezwungen die Spiele zu schauen. Aber manchmal denke ich, dass hier ja sogar den Leuten ein schlechtes Gewissen gemacht werden soll, wenn man es trotzdem tut.

Eigentlich fehlt in der ganzen Diskussion nur noch der profilierungssüchtige Hinterbänkler im Bundestag, oder der übereifrige Journalist, der fordert die Berichterstattung in den öffentlichen Medien einzustellen.

Viele der Diskussionen, die jetzt geführt werden, hätten vor 12 Jahren – nach der Vergabe - geführt werden müssen. Auf DFB-Seite waren wir in den letzten Jahren aber auch zu sehr mit internen Problemen beschäftigt und keiner konnte auf den Tisch hauen. Einen Reinhard Grindel hat sicherlich keiner ernst genommen, er wurde auch erst 2016 DFB-Präsident und war nur 3 Jahre im Amt.  Ein Wolfgang Niersbach hatte sicherlich internationale Reputation, war aber 2010 noch nicht im Amt. Und der damalige Präsident Theo Zwanziger weiß bis heute nicht, ob unser damaliger Vertreter im FIFA-Exekutivkomitee Franz Beckenbauer für oder gegen Katar gestimmt hat.

Aber lasst mir bitte den Franz in Ruhe – was mit dem medial veranstaltet wurde, war schlichtweg eine Sauerei. Für mich ist der Franz nach wie vor die Kaiser und die Lichtgestalt des deutschen Fußballs und nur ihm hatten wir die WM 2006 zu verdanken – und selbst wenn er sie für „nur“ 6.7 Millionen gekauft hat ´, war das eine wirtschaftliche Glanzleistung. Hierfür gebührt ihm höchster Respekt und definitiv nicht die „Kreuzigung“

Ein Fritz Keller - menschlich sicherlich absolut spitze - kommt auch nur auf knapp 2 Jahre im Amt des DFB-Präsidenten. Bernd Neuendorf wurde am 11. März 2022 zum 14. DFB-Präsident gewählt und macht bisher einen guten Job. Er muss sich aber sicherlich erstmal einen Namen im immer „fieser“ werdenden Geschäft des „Welt“-Fußballs erarbeiten. Das ist das Problem, denn hier ist derzeit keiner in der Lage der „Glatze“ (Infantino) mal zu sagen „Stopp! So geht es nicht weiter“ Aber lasst uns jetzt über Fußball reden!

 

FLW24: Was traust Du dem deutschen Team zu?

Max Stillger: Die Vorrunde werden wir auf jeden Fall überstehen, und ich habe auch nichts dagegen, wenn die FIFA mir das Geld für die Finaltickets nicht zurückzahlt und ein Finale mit deutscher Beteiligung stattfindet. Möglich ist das. Wenn es in die K.o.-Runde geht, wird auch die Stimmung im Land mit Sicherheit zunehmen. Das kann ich mir sehr gut vorstellen.  Allerdings werden wir keine Euphorie wie 2006 oder 2014 erleben, denn in den letzten Jahren wurde das Image der Nationalmannschaft durch teilweise fragwürdige Vermarktungsaktionen doch etwas beschädigt und angekratzt. Mit Hansi Flick sind wir wieder auf einem guten Weg, für Jogi Löw gilt aus meiner Sicht das gleiche wie für Angela Merkel - das erste Drittel, der Amtszeit überragend – das zweite Drittel war o.k. und das dritte Drittel hätte nicht sein gemusst. Jetzt gilt es abzuwarten, wie sich die DFB-Elf entwickelt und welche Begeisterung sie an uns mit ihrem Spiel weitergeben kann. Normalerweise war Deutschland immer eine Turniermannschaft und diese Tugend muss wieder belebt werden.

 

FLW24: Wer zählt Deiner Meinung nach zu den Favoriten und warum?

Max Stillger: Grundsätzlich ist es immer schwer den „Richtigen“ zu tippen. Aus meiner Sicht können 10 Mannschaften Weltmeister werden und wenn 10 Teams Weltmeister werden können, kann man im Umkehrschluss auch sagen, dass auch im Achtelfinale bereits Favoriten aufeinandertreffen und einer von beiden ausscheidet. Aus meiner Sicht WM fängt die WM (seitdem 32 Mannschaften mitspielen) eh erst im Achtelfinale an. Die Gruppenphase ist eher eine Art erweiterte Qualifikation.

Wir haben mit Deutschland, Frankreich, England, Argentinien, Spanien und Brasilien einige Top-Teams am Start mit denen man bei großen Turnieren immer rechnen muss. Polen mit Lewandowski, der ein Spiel alleine entscheiden kann, wäre auch im erweiterten Kreis. Natürlich nicht zu vergessen die Niederlande oder Portugal, die natürlich auch zum erweiterten Kreis der Titelkandidaten zu zählen sind. Gespannt bin ich auf das Auftreten der afrikanischen Teams. Eines kann ich sicher vorhersagen: Italien wird dieses Mal kein Weltmeister.

 

FLW24: Welche deutschen Spieler könnten bei der WM eine herausragende Rolle spielen?

Max Stillger:  Youssoufa Moukoko von Borussia Dortmund könnte für mich einer der Überraschungen bei der WM werden. Aber natürlich auch Jamal Musiala vom FC Bayern München kann einer der absoluten Topspieler dieser WM werden, obwohl beide ja noch keine 20 Jahre alt sind. Bei Thomas Müller könnte nach einem guten Start auch noch das Ziel „ewiger WM-Rekordtorschütze“ zu werden in den Fokus geraten – die notwendigen 7 Buden traue ich ihm zu.

 

FLW24: Hättest du Mats Hummels mit zur WM genommen?

Max Stillger: Ich habe zwar ein Faible für den BVB, denke aber eher nicht, denn dann hätten

wir drei Innenverteidiger vom BVB gehabt. Und wenn man das letzte Spiel gegen Gladbach beurteilt - wie Hummels dort teilweise schwindlig gespielt wurden- kommt man zu einem eindeutigen Ergebnis – NEIN. Die Schwachstelle bei uns (Nationalmannschaft) sind die Abwehrspieler. Getreu der alten Fußballweisheit: „Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften.“ hoffen wir mal, dass sich die Abwehr stabilisiert und in diesem Turnier über sich hinauswächst.

 

„Ich persönlich finde es eine sehr gute Chance für die Vereine"

 

FLW24: Wie stehst du zu Public Viewing in diesem Jahr?

Max Stillger: Was die wenigsten wissen: Public Viewing war selbst im Sommer in der Vergangenheit immer ein wirtschaftliches Zuschussgeschäft gewesen, die richtig großen PV´s würden gerade im Winter ein Fiasko werden.

Ich persönlich finde, es ist eine sehr gute Chance für die Vereine, hier in die Lücke zu stoßen. Macht die Vereinsheime auf und schaut zusammen Fußball wenn ihr könnt. Dort sind die echten und wahren Fußballfans unter sich – denn hier geht es nicht um Politik, sondern um des Deutschen liebstes Kind – den Fußball.

 

FLW24: Zum Abschluss eine Frage, die nicht direkt zur WM gehört. Was sagst du zur anstehenden Wahl des FIFA-Präsidenten und der Tatsache, dass Deutschland keinen Kandidaten stellt?

Max Stillger:  Meiner Meinung nach brauchen wir in der FIFA eine Persönlichkeit, die auch früher mal gespielt hat und international einen Namen hat. Ich denke da z.B. an Luis Figo, der ja bereits 2015 über eine Kandidatur nachgedacht hat. In Deutschland haben wir sicherlich mit Rudi Völler, oder Karl-Heinz Rummenigge Persönlichkeiten, die dieses Amt auch ausüben könnten. Gianni Infantino ist für mich noch schlimmer als Blatter - der Typ muss ganz einfach aus dieser Position abgewählt werden. Aber am vergangenen Mittwoch ist die Frist für die Bewerbung abgelaufen und auf dem nächsten FIFA-Kongress Anfang 2023 steht er wieder ohne Gegenkandidat da.

Schade, dass eine so große Fußballnation wie Deutschland nicht dazu im Stande ist, hier Paroli zu bieten!

 

Zum Schluss haben wir Max noch gefragt, ob er uns wieder mit einem WM-Tagebuch begleiten würde.
„Das mache ich doch sehr gerne“, antwortete der sympathische Unternehmer und Geschäftsmann.

 

Wir bedanken uns bei Max für die Zeit die er sich für uns genommen hat und vor allem für die ehrlichen Worte.

Vielen Dank schon jetzt an die zahlreichen Leser und viel Spaß mit dem WM-Tagebuch und unseren Berichten und Anmerkungen zur WM 2022!!!

 

Euer Team von FLW24