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KOLUMNE: Die Kluft wird immer größer

Georg "Schorsch" Horz. (Foto: Privat)

Regelmäßige Leser meiner Kolumnen werden festgestellt haben, dass ich keine Scheu davor habe, mich verbal deutlich zu positionieren, flankierende Maßnahmen anzumahnen und diese auch zu treffen. So habe ich vor mehr als 2 Jahren - am 30.10.2019 - auf Grund der Gewalt gegen Schiedsrichter die Kolumne "Ich streike zwei Wochen und erkläre meine Solidarität mit Niels Czekala" geschrieben.
Nils war der Schiedsrichter, der im Bereich Dieburg während eines von ihm geleiteten Kreisligaspiel mit einem gezielten Faustschlag niedergestreckt wurde und von einem Rettungshubschrauber besinnungslos abtransportiert werden musste.

Insofern hat der Schiedsrichter Nicolas Winter mit seinem Team Luca Schlosser und Fabian Schneider an den Seitenlinien meine vollste Unterstützung für den Spielabbruch beim Drittligaspiel MSV Duisburg gegen den VfL Osnabrück am 19.12.2021. Was war passiert? 34 Minuten waren gespielt, 0:0 der Spielstand. Es gab wohl für den VfL eine Ecke, die der farbige Spieler Aaron Opokul ausführen wollte und sich zur Eckfahne begab. In diesem Bereich schallten ihm Affenlaute entgegen. Nein, ich kann nicht beurteilen, wie sich der junge Mann fühlte. Mir ist es in meinem Leben noch nicht passiert, wegen meiner Hautfarbe erniedrigend angegangen worden zu sein. Ich billige Aaron zu, wegen diesem Vorfall, den auch der Schiedsrichterassistent hörte, total neben der Spur sein zu dürfen und das Spiel nicht fortsetzen zu wollen oder zu können.

Und, ich bin froh, dass mit dem Spielabbruch endlich mal konsequent gehandelt und ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt wurde.

Die beteiligten Vereine MSV Duisburg und der VfL Osnabrück und auch die DFB-Sportgerichtsbarkeit haben absolut angepasst reagiert und das Spiel neu angesetzt, wobei den Niedersachsen das größte Lob zu zollen ist, weil sie nicht versuchten, Kapital - 3 Punkte am grünen Tisch - aus dem Spielabbruch zu schlagen.

Der 55-jährige Täter wurde mit Hilfe der Zuschauer festgenommen. Sein geringer Intelligenzquotient darf keinesfalls als Entschuldigung gelten. Das gering macht sich daran fest, dass er ein Geständnis ablegte, er habe aber nicht den Aaron Opokul gemeint. In unmittelbarer Nähe stand noch die Nr. 5 von Duisburg, Leroy Kwadwo, auch er ist ein Farbiger. Herr „vollidiotischer Täter“, rassistische Beleidigungen sind gegen jedermann als auch jeder Frau verboten, egal, ob er in meiner oder der gegnerischen Mannschaft spielt.

Meine Hoffnung ist, dass sich ein Richter findet, der den Rassisten hart bestraft. Meine Hoffnung ist weiter, dass der Täter für die gesamten Kosten des neu angesetzten Spiels zivilrechtlich zur Kasse gebeten wird, da dürfte einiges zusammenkommen.

Also, Schiedsrichter Nicolas Winter, Du hast meinen Respekt für den Spielabbruch und mit diesem dem Fußball einen großen Dienst erwiesen.

Soweit, so gut. Eigentlich. Schiedsrichter Nicolas Winter, da war doch was? Moment. 

Richtig. Nicolas Winter war Schiedsrichter bei dem Spiel der 2. Liga zwischen Erzgebirge Aue und dem FC Ingolstadt. An diesem 04.11.21 unterstützen Patrick Schwenges und Roman Potemkin als Assistenten den Mann an der Pfeife. Auf Grund der Tabellenstände der Mannschaften war es ein Kellerduell.

Durch ein Tor in der 62. Minute führte Aue mit 1:0. Man schrieb die 88. Minute. Auf der linken Abwehrseite nahe des Ingolstädter Strafraums kam es zu einem Pressschlag zwischen zwei Spielern. In Folge ging der Ball ins Seitenaus. Eine für den Schiedsrichter und seine Assistenten „Scheiss-Situation“, weil man auf Grund des Pressballes nicht weiß, wer einwirft - jede Entscheidung kann nun also richtig oder auch falsch sein. Weit vom eigenen Strafraum ist eine möglicherweise falsche Einwurf-Entscheidung nicht so schlimm, hat sie doch keinen spielentscheidenden Charakter. Jedenfalls zeigte Schiedsrichterassistent Roman Potemkin Einwurf für Ingolstadt an. Worauf der Aue Spieler Clemens Fandrich auf den Assis einstürmte, sich ihm bis auf eine Distanz von 20 - 30 Zentimeter näherte und ihn mindestens anschrie, die plötzliche Bewegung des Kopfes / Mundes nach vorne lässt aber eigentlich auf ein vorsätzliches „Anspucken“ schließen. Herr Potemkin griff sich ans Auge. Schiri Winter wollte wohl dem Spieler Fandrich die gelbe Karte zeigen. Noch bevor es dazu kam, informierte Potemkin wohl den Schiedsrichter, dass er angespuckt worden sei. Die rote Karte für Fandrich war die einzige, aber leider auch letzte, richtige Konsequenz in diesem Verfahren, was sich zu einem Trauerspiel entwickelte.

Wir Amateurschiedsrichter sind angewiesen, bei einer Tätlichkeit gegen uns das Spiel sofort abzubrechen, womit mir bei Fehler 1 - kein Spielabbruch - wären. Als Gespannführer hat Herr Winter Verantwortung gegenüber seinen Kollegen inklusive dem 4. Offiziellen an der Linie. Nachdem die Spucke im Gesicht und an den Händen von Assi Potemkin von einem der anwesenden Polizisten gerichtsverwertbar gesichert worden wäre, hätte für Potemkin Waschen, insbesondere des Gesichtes, angestanden, womit wir bei den Fehlern 2 und 3 wären. Stattdessen wurde das Spiel inklusive einer Nachspielzeit von 3 Minuten noch insgesamt 5 Minuten gespielt. Wie man dann als Schiedsrichtergespann nach Spielschluss von einem "Eingriff in die Intimsphäre" statt "er hat mir ins Gesicht gespuckt" sprechen kann, stößt bei mir insofern auf Unverständnis, da man beim Vergeben der roten Karte dem Spieler letzteres gesagt hatte.

Wegen dieser Tätlichkeit - Anspucken ist Körperverletzung - verurteilte das DFB-Sportgericht unter der Leitung Hans E. Lorenz den Spieler Fandrich zu einer 7-monatigen Sperre. Der Sachverhalt des vorsätzlichen Anspuckens wurde nach Auswertung der Fernsehbilder als erwiesen angesehen. Mich störten schon damals die lächerlichen 7 Monate, denn die Rechtsordnung sieht für solche Vergehen ein Strafmaß von 6 Monaten bis 2 Jahre vor.

Ich habe gesucht, aber nichts gefunden, weder Aue noch Fandrich zeigten auch nur den Ansatz von Reue. Auch Lutz Michael Fröhlich blieb fröhlich - vom obersten Schiedsrichter hätte ich erwartet, dass er sich mal zu Wort meldet. Natürlich gingen Aue und Fandrich in Berufung. Und natürlich hatten sie beim stellvertretenden Vorsitzenden des DFB-Sportgericht, Herrn Oskar Riedmeyer, Erfolg. Aus der Tätlichkeit wurde "unsportliches Verhalten" und aus 7 Monaten 7 Spiele Sperre. Fandrich habe Potemkin aus kurzer Distanz angeschrien, wobei unbeabsichtigt Speichel ausgetreten sei und den Schiri-Assistenten getroffen habe.

Jeder Mensch weiß, dass beim Schreien, nein, schon beim Sprechen kann es auch mal feucht werden und bei kurzen Distanzen sogar der Gegenüber auch schon mal getroffen werden. Von daher handelte der Täter bedingt vorsätzlich. Wenn er aus kurzer Distanz anschreit, nimmt er billigend in Kauf, dass sein Gegenüber von Speichel getroffen wird. 

Die absolute Krönung dann nach dem zweitinstanzlichen Urteil. Die Delegation von Erzgebirge Aue kam zu dem Ergebnis, dass der Schiedsrichter mit der roten Karte einen Fehler gemacht habe, für dieses Vergehen "unbeabsichtigtes Anspucken" sei eigentlich eine gelbe Karte ausreichend gewesen.

Nur zur Erinnerung, wir leben in Zeiten der Corona-Pandemie. Es gelten die „AHA-Regeln“. Das 1. A steht für Abstand halten, das H für Hygieneregeln beachten und das 2. A für Alltagsmasken tragen. Die Berufsgruppe, denen in Covid-Zeiten die meisten Zugeständnisse gemacht wurden und werden, sind die Berufsfußballer. Und dann geht einer dieser Spezies hin und rotzt einem Berufskollegen - das sind Schiedsrichter - ins Gesicht? Sie sollten sich schämen, Herr Fandrich - und Ihr Verein Erzgebirge Aue gleich mit.

Schämen sollten sich auch die führenden Herren aus dem DFB-Schiedsrichterausschuss. Wenn sie sich aber schon nicht für ihre Profischiedsrichter verantwortlich fühlen, wie sollen sie sich dann schützend vor eine größere fünfstellige Zahl an Amateurschiedsrichter stellen, die Woche für Woche auf deutschen Sportplätzen unterwegs sind und zunehmend Opfer von verbaler und körperlicher Gewalt werden? Es ist gut, dass Ihr Spitzenschiedsrichter Euch jetzt auch noch selbstständig macht und wir bald mit Euch nichts mehr zu tun haben, auch wenn die Kluft zwischen Amateuren und Profis beim Fußball immer größer wird.

 

Schiedsrichter Nicolas Winter, für Deinen Spielabbruch in Duisburg kriegst Du von mir eine 1 mit Sternchen, Du hast ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt.

Leider muss ich Dir für Aue gegen Ingolstadt eine 6 minus geben. Du hast eine historische Chance, ein deutliches Zeichen für Gewalt gegen uns Schiedsrichter zu setzen, verpasst. 

 

Trotzdem liebe Grüße, Dein Schiedsrichterkollege Schorsch Horz aus dem Landkreis Limburg-Weilburg

 

PS: Alsbald darf ich mich beim Sportgericht unseres Kreises wieder mit Diskriminierungen auseinandersetzen.