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Nur die Tribüne ist noch Zeuge

Tribüne auf der Westkampfbahn Düren (älteste intakte Tribüne in Deutschland).

Mal wieder was aus der Welt des Fußballs gefälligst? Aber ja doch! Es muss ja nicht immer Nou Camp, Anfield Road oder Allianz-Arena sein. Schon mal was von Düren gehört? SG Düren 99? Die gibt es leider nicht mehr. Ja, so treibt der Fußballgott sein Spiel mit seinen Geschöpfen.

Auf der Westkampfbahn, der Spielstätte der SG Düren von 1899, fanden in den 1950er und 1960er Jahren die Meisterschaftsspiele der in der zweiten Liga West beheimateten 99er statt. Die Nobelklubs tief im Westen wie Borussia Dortmund, Schalke 04 und 1. FC Köln spielten in der darüber liegenden Oberliga West, die die höchste war. Davon gab es im Norden, Südwesten und Süden eine entsprechende. Und in West-Berlin die sog. Stadtliga, in der z.B. Hertha BSC kickte.
Apropos Köln. Die Geißböcke, die viel jünger waren als die 99er – erst 1948 aus der Taufe gehoben - bedienten sich 20 Jahre selbst bis in die Bundesliga der 1960er und 1970er Jahre der Talente aus dem knapp 40 Kilometer entfernten Düren. Georg „Schorsch“ Stollenwerk, Teilnehmer am olympischen Fußballturnier 1952 in Helsinki und bei der Weltmeisterschaft 1958 in Schweden aktiv, schnürte ein Jahrzehnt als rechter Verteidiger seine Stiefel für die Domstädter.

Der berühmteste Spross von der Westkampfbahn ist ohne jeden Zweifel Karl-Heinz Schnellinger, der mehr als eine Dekade lang Verteidiger von Weltformat war. Er fand aus der niederrheinischen Provinz über das Müngersdorfer Stadion, das römische Olimpico zum Gipfel seiner Karriere ins Mailänder San Siro. Mit dem AC Mailand, in dessen Diensten er an der Seite von Cesare Maldini, Giovanni Trappatoni oder Gianni Rivera neun Jahre spielte, räumte er mehrfach europäische Titel ab. Der Rotschopf aus Düren, der als junger Vertragsspieler mit dem Fahrrad zum Training fuhr, sorgte durch sein Ausgleichstor im Halbfinale gegen Italien (4:3 für die Squadra Azurra) bei der WM in Mexiko 1970 erst dafür, dass dieses Match als „Jahrhundertspiel“ in die Geschichte eingegangen ist.

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In der 1970er Ära fand auch Harald Konopka aus Düren nach Köln. Jahrelang war er beinharter Verteidiger der Kölner, zum Ausklang bei Borussia Dortmund. Ein weiterer namhafter Profi hat seine Wurzeln in Düren. Harald „Toni“ Schumacher wechselte als Nummer 1 der U-18-Naionalmannschaft am Ende der Jugend ins Müngersdorfer Stadion und wurde zum Weltklassetorwart. Aber der Toni kam vom tieferklassigen Konkurrenzverein Schwarz-Weiß Düren, der im Jugendstadion seine Heimat hatte.

Die Westkampfbahn und das Jugendstadion haben ihre Vereine überlebt. Die vor mehr als 100 Jahren gebauten architektonisch verwandten Tribünen stehen unter Denkmalschutz. Die Westkampfbahn war Schauplatz bedeutender Pokalspiele, in denen die SG Düren 99 ligahöhere Gegner wie Fortuna Düsseldorf oder Borussia Mönchengladbach mit dem jungen Jupp Heynckes oder Torjäger Bernd Rupp das Fürchten lehrte und aus dem Pokal warf.

Das absolute Highlight allerdings erlebten rund 16 Tausend Zuschauer am 2. August 1954 im überfüllten Stadion an der Mariaweilerstraße. Fünf frischgebackene „Helden von Bern“ gaben in der Industrie- und Verwaltungsstadt an der Rur ihre Visitenkarte ab. Der 1. FC Kaiserslautern mit Fritz und Ottmar Walter, Werner Liebrich, Werner Kohlmeyer und Horst Eckel gaben den Vertragsspielern aus der 2. Liga West beim 5:2 in der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde das Nachsehen.