Anzeige

Fragt doch endlich mal die Betroffenen!

Es ist schon wieder geschehen

Diejenigen, die sich Sorgen um mich gemacht haben, kann ich beruhigen. Ich kann Euch berichten, dass ich nach meinem Schiedsrichterstreik am 03. und 10.11.2019 am 17.11.2019 in der Kreisliga A Wetzlar das Spiel Eintracht Wetzlar gegen Waldsolms gepfiffen habe. Das Spiel endete 2 - 4, das Ergebnis hielt über die gesamte Spielzeit die Spannung hoch, beide Vereine brauch(t)en dringend Punkte. Ja, auch das gibt es, ich bin ohne jegliche persönliche Bestrafung ausgekommen. Es lag nicht daran, dass der Schwarzkittel Schorsch Horz milde gestimmt war. Alle Spieler inklusive denen, die auf der Bank saßen, und die Trainer und Betreuer an den Seitenlinien haben sich ordentlich benommen. Zuschauer konnten sich keine daneben benehmen, es waren keine da. Pessimisten werden argumentieren, dass der durchgehende nasskalte Regen hitzige Gemüter kühl gehalten hat. 

Ihr erinnert Euch: Ende Oktober 2019 war mein Kollege Niels Czekala bei einem Spiel in Münster / Dieburg mit einem Schlag niedergestreckt worden. Der Täter flüchtete unmittelbar nach der Tat. Niels wurde ins Krankenhaus geflogen. Ich hoffe, er ist zumindest körperlich wieder gesund. Heute ist das Urteil ergangen. Der Schläger darf 3 Jahre und seine Mannschaft 6 Monate nicht spielen.

Jetzt hat es den Schiedsrichter Turgay Sukan getroffen. Er leitete in der C-Klasse Offenbach das Spiel der 2. Mannschaften SKG Rumpenhain gegen Sparta Bürgel. Die Tathandlungen gegen ihn waren noch wesentlich schlimmer als gegen Niels Czekala. Vier Spieler und der Co-Trainer beleidigten, bespuckten, schlugen vor die Brust, traten gegen den Oberschenkel, stießen mit dem Kopf und stachen mit dem Regenschirm. Gravierende Verletzungen blieben wohl deshalb aus, weil dieses Mal der Schiedsrichter in die Kabine flüchtete. Das noch viel Schlimmere an dieser Angelegenheit ist, dass sich niemand fand, dem Schiedsrichter in seiner Not zu helfen. Bei der strafrechtlichen Würdigung bin ich bei denen, die Turgay körperlich attackiert haben, bei einer gefährlichen Körperverletzung, weil sie gemeinsam begangen wurde und weil mit dem Schirm ein gefährliches Werkzeug eingesetzt wurde. Alle anderen, die nicht eingegriffen haben, sind wegen unterlassener Hilfeleistung zu belangen. Wenn ich in der FNP vom 20.11.2019 noch lesen muss, dass sich der Vereinsvertreter von Rumpenhain noch unterschwellig damit rühmt, dass die 6 Ordner noch gut gehandelt hätten, ihr Nichteinschreiten hätte noch größere Eskalationen zur Folge gehabt, könnte ich kotzen. Genau, schaut zu, wie ein Schiedsrichter im Zweifelsfall totgeschlagen wird, aber schreitet bitte nicht ein, damit die Situation nicht eskaliert. Handelt getreu dem Motto "Einer gegen Alle".

Aber, was sollte uns Schiedsrichter im Kreis Limburg-Weilburg veranlassen, uns mit Niels oder Turgay soledarisch zu erklären? Oder mit den anderen Schiedsrichtern in Niedersachsen, in Frankfurt/Main, im Saarland, in Berlin oder Köln? Bei uns hat doch noch kein Schiedsrichter was ordentlich auf die Schnauze gekriegt, die kürzlichen Tätlichkeiten gegen Tim Graulich und Tobias Barthelmes fielen doch gimpflich aus. Außerdem haben wir mit den genannten Fußballkreisen keinen Austausch.  

Bevor ich am vergangenen Sonntag nach Wetzlar aufgebrochen bin, habe ich mir den Sport1-Stammtisch angesehen. Gast war auch der Komiker Serdar Semuncu, der offensichtlich ein Problem mit seiner Sexualität hat. Im Zusammenhang mit den Tätlichkeiten Abraham kontra Streich und Freiburger Ersatzbank und Grifo kontra Abraham kamen auch die Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter der untersten Klassen zur Sprache. (Fast) O-Ton Semuncu: "Was kann einen vernünftigen Menschen veranlassen, Fußballschiedsrichter zu werden? Der Job ist genauso langweilig, wie anderen beim Geschlechtsverkehr zu zusehen!" Später wollte dieser Fußballexperte noch wissen, mit wem Stefan Effenberg in die Kiste gestiegen ist, als ihm das Länderspiel zu langweilig wurde. Auch mit Rücksicht auf seine Co-Moderatorin Ruth Hofmann und die vielen weiblichen Zuschauer hätte ich Thomas Helmer den Mut gewünscht, den Semuncu raus zu schmeißen und zur Sexualtherapeutin Erika Berger zu schicken. Sichtlich betroffen zu sein, reicht nicht aus.90 Minuten, nachdem Semuncu das Problem und uns Schiedsrichter lächerlich gemacht hat, wurde Schiedsrichter Turgay Sukan in Offenbach-Rumpenhain Opfer der oben geschilderten Attacken.

Noch jemand hat sich zu Wort gemeldet. Ein Innenminister meinte, man sollte die Schläger als Schiedsrichter Spiele pfeifen lassen. Erstens hat der Politiker keine Ahnung von der Schiedsrichterei. Zweitens sollte er mal mit seinem Ressortkollegen Justiz Kontakt aufnehmen und dort einen Feldversuch starten. Verurteilte Mörder / Totschläger richten über neuerlich in Erscheinung getretene Mörder / Totschläger. Gelingt der Versuch, darf er sich gerne noch mal bei mir melden.

Ihr wisst, ich hatte einen offenen Brief an den DFB (veröffentlicht auf FLW24 am 05.11.2019) und dort an 4 maßgebliche Herren geschrieben. Thema war die Gewalt gegen Niels Czekala. Das Schriftstück ist auch angekommen, ich hatte keine Fehlermeldung auf dem Schirm. Bei Herrn Keller hat sich gegenüber seinem Vorgänger Grindel nicht geändert, ich habe keine Antwort erhalten.

Strafen gegen Spieler und auch Vereine müssen sein. Es nützt dem Fußball aber nicht, wenn wegen der Gewalt Mannschaften zurückgezogen werden und / oder Vereine dicht machen. Es nützt auch nichts, wenn "unvernünftige" Schiedsrichter, die Opfer von verbaler oder körperlicher Gewalt wurden, die Pfeife an den Nagel hängen. Das Credo muss sein: heißt Gewalt verhindern und nicht Gewalt hart bestrafen.

Es wird Zeit, dass betroffene Schiedsrichter mit am Tisch sitzen, wenn über Gewalt auf den Fußballplätzen gesprochen wird. Es muss nicht unbedingt der Schorsch Horz sein, er hätte aber einige umsetzbare Lösungsansätze (bessere Schiedsrichterausbildung, Videoüberwachung auf den Amateursportplätzen, Änderung von Vorschriften ("der Schiedsrichter muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, einen Spielabbruch zu verhindern" ersetzen durch "der Schiedsrichter hat alle Rechte, gesund wieder nach Hause zu kommen!") zu bieten.

Zum Schluss: Kollege Turgay, ich wünsche Dir (und jedem anderen verletzten Schiedsrichter) vollständige körperliche und psychische Gesundung und hoffe, dass Du irgendwann wieder mit der Pfeife auf dem Fußballplatz stehst.

Ich bin gerne Schiedsrichter, es macht mir Spaß, auf dem Platz Teil des Spiels zu sein, ich habe viele Freundschaften geschlossen. So lange, wie ich es gesundheitlich noch kann, wird es irgendwelchen geistigen Tieffliegern nicht gelingen, mir diesen Spaß zu nehmen.

Wir sehen uns auf einem Sportplatz.

LG von Schorsch Horz