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Die Unverbrüchlichen

Vereinstreue oder nur einfach eine andere Zeit?

flw24 Kolumnist Claus Coester.

Fußballprominente gab es in Deutschland und anderswo im Ausland zu allen Zeiten, seitdem 22 Spieler auf einem Rechteck gegen das runde Leder treten oder köpfen.

In den 1930er und 1940er Jahren waren Andreas Kupfer und Albin Kitzinger von Schweinfurt 05 oder Fritz Szepan und Ernst Kuzorra magische Namen des deutschen Fußballs. Der nachkriegsgeborene Verfasser dieser Zeilen hörte von seinen Altvorderen Erzählungen über diese und hatte eine vage Ahnung von diesen Stars der alten Zeit. Wenn heute junge Zeitgenossen von Haller, Overath, Dörfel, Grabowski oder Seeler hören, geht es ihnen ähnlich wie dem Verfasser vor 60 Jahren.

Wir wollen eine kleine Reflexion anstellen und dabei in Deutschland bleiben, wiewohl es in England, Frankreich oder anderen großen Fußballnationen ähnlich sein dürfte. Dabei sind wir weit davon entfernt, die gute alte Zeit herauf zu beschwören und etwa dem Satz zu frönen „Früher war alles besser“. Das wäre in diesem Kontext wie auch in vielen anderen Bereichen potenzierter Unsinn.

Fritz Walter, Uwe Seeler oder Wolfgang Overath u.v.a.m. gehörten in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Krieg zu den Superstars ihrer Zeit. Der Begriff wurde damals allerdings kaum angewendet. Was haben die genannten Spieler gemeinsam? Nun, sie spielten von der Pike auf, wenigstens in der Karriere als Seniorenspieler bei ein und demselben Klub.

Fritz Walter trat im Alter von acht Jahren den Roten Teufeln vom Betzenberg bei und blieb dem 1. FC Kaiserslautern 31 Jahre treu. Auch „Uns Uwe“ hat ausnahmslos das Vereinstrikot mit der berühmten Raute getragen, seit er im Alter von zehn Jahren zum Hamburger SV kam. Schon  sein Vater Erwin hatte rund 200 Spiele für die Hanseaten bestritten. Große Angebote hatte der einstige Weltklassestürmer, der nach Fritz Walter der zweite Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft ist, noch vor Beginn der Bundesliga. Selbst bei der für damalige Verhältnisse schier unglaublichen Verlockung von 1,2 Millionen DM, die Inter Mailand 1961 dem Torjäger von der Waterkant geboten hatte, war Uwe Seeler nicht schwach geworden. Um allerdings bei der Wahrheit zu bleiben. Uwe wurde damals von seinem Freund Adi Dassler immerhin die spätere Position als Repräsentant der Weltmarke Adidas angeboten, die er nach seiner aktiven Zeit dann auch lange Zeit einnahm.

Sepp Maier, die Katze von Anzing, hat in seiner Seniorenkarriere von 1962 bis 1979 nur die Bälle für den FC Bayern München gehalten. Und natürlich in der Nationalmannschaft. 17 Jahre Bayern München machen Maier, der auch als Nationaltorhüter mit 95 Einsätzen der Spitzenreiter ist, mit 699 Pflichtspielen zum  Rekordspieler des deutschen Rekordmeisters. Er hat durch seine phänomenale Leistung in der zweiten Halbzeit des Münchener Finales 1974 einen Riesenanteil daran, dass unsere Elf dem niederländischen Ansturm von Johan Cruyff und Co. standgehalten hat.

Wolfgang Overath und Wolfgang Weber, zwei  Ikonen des 1. FC Köln, trugen in rund 15 Jahren nur das Trikot mit dem Geißbock. Die Identifizierung mit dem eigenen Verein war fast selbstverständlich. Es bedurfte, um beim Torjubel die Loyalität zu seinem Klub zu dokumentieren, nicht, wie heute oft üblich der theatralischen Geste, dass man sich das Vereinsemblem fast aus dem Trikot riss, um es zu küssen.

Damit kein Missverständnis entsteht. Hier soll natürlich über keinen Fußballer der Stab gebrochen werden. Die Verlockungen sind heute so immens, dass man keinem verdenken kann schwach zu werden. Vereinswechsel gab es übrigens schon immer. Damals vornehmlich ins Fußballparadies Italien.  Dass der kürzlich 80 Jahre altgewordene Karl-Heinz Schnellinger, der durch seinen Last-Minute-Treffer dem Halbfinale bei der WM 1970 gegen Italien erst zum Adelstitel „Jahrhundertspiel“ verhalf, oder der schon verstorbene Helmut Haller nach Bella Italia wechselten, um dort beim AC Mailand und Juventus Turin Weltkarrieren zu starten, ist doch wunderbar. Auch Fußballdeutschland hat durch deren Länderspiele profitiert.

Ein Schmankerl zum Schluss. Sepp Herberger, der kürzlich als erster Bundestrainer in die Hall of Fame des DFB gewählt wurde, gilt ja vielen als das Sinnbild deutscher Fußballsolidität. Als aktiver erfolgreicher Fußballer spielte er die längste Zeit in seiner pfälzischen Heimat bei den Mannheimer Klubs SV Waldhof und dem VFR. Später wechselte er in die Reichshauptstadt zu Tennis Borussia Berlin. Das hat natürlich besondere Gründe. Dem nachmaligen Erfolgstrainer des „Wunders von Bern“ wurde durch seinen Förderer und Vorgänger Otto Nerz die Chance eröffnet, auch ohne Abitur die Hochschule für Sport in Berlin zu besuchen. Herberger hat dies einmal als die Chance seines Lebens bezeichnet. Er und Fußballdeutschland haben diesen Wechsel nach Berlin nie bedauert.