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Der schöne Kopf ist noch in der Schlinge

flw24 Kolumnist Claus Coester.

Neubeginn nach dem Desaster
Vorab: It’s only Soccer. Es geht nur um Fußball. Zudem sind die Protagonisten lauter Jungmillionäre und deren Betreuerstab nagt auch nicht am Hungertuch. Deswegen muss keiner von uns ein schlechtes Gewissen haben, wenn nachher die eine oder andere Leiche am Wegesrand liegt.

Endloses „Geeiere“

Bis kommenden Donnerstagabend war es nach der größten, dazu noch selbst produzierten Enttäuschung einer deutschen Fußballnationalmannschaft ein wochenlanges, inhaltsleeres Geplappere von DFB-Funktionären. Der Bundestrainer hatte kurz nach dem Waterloo in Russland lapidar tiefgreifende Veränderungen angekündigt. Auf der letztwöchigen Pressekonferenz, die die Öffentlichkeit mit Heißhunger erwartete, gebar der Berg dann eine Maus. Nichts Neues. Und vor allen Dingen nichts Substantielles wie massive strukturelle Veränderung im Betreuerapparat und vor allem beim spielenden Personal. Gut, Joachim Löw geißelte sich selbst mit dem Bekenntnis  zu Fehleinschätzungen und gar zur Arroganz. Dazu hatte er sich durchgerungen. Aber das war’s dann auch.

In München wird gewogen

Morgen Abend geht es nun gegen den Weltmeister im neu entstandenen Nations Cup. Der ist zwar einerseits überflüssig wie ein Kropf. Andererseits kommt er in der akuten Situation der deutschen Nationalmannschaft zum rechten Zeitpunkt. Es geht ja um Punkte und die Einordnung in Qualitätsgruppen der Auswahlteams. Und die Equipe Tricolore kommt nicht mal kurz über den Rhein, um Lessaiz-faire zu demonstrieren. Für die DFB-Elf ist es also eine schnelle Möglichkeit, sich zu rehabilitieren und wieder etwas an den Kreis der Großen heranzukommen. Denn die Kluft klafft ganz schön.

Es gibt für den Bundestrainer, der am Donnerstag in der Allianz-Arena mit seinem demolierten BMW zum TÜV muss, drei Möglichkeiten des Ausgangs:

Erstens: Die Mannschaft präsentiert sich außerhalb des Platzes und insbesondere auf dem Rasen in diametral veränderter Verfassung und schneidet gegen die französischen Gäste vom Ergebnis und der Spielqualität her gut ab. Dann ist der erste Schritt– wohlgemerkt aber erst der erste – gelungen.

Zweitens: Die Mannschaft tritt positiv, engagiert und mit Herz und Leidenschaft auf. Auch das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das Spielergebnis ist dann sekundär.

Drittens: Die DFB-Elf zieht den Kürzeren und hat, was Einstellung, Auftreten und Spielqualität betrifft, seit Kazan nichts dazugelernt.

Ende Gelände

Bei den ersten beiden Optionen steht Jogi weiter auf dem Prüfstand. Bei Option drei wird es für den DFB sehr teuer. Denn dann muss der Verband, um nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit einzubüßen, die Reißleine ziehen und Löw und Bierhoff in die Wüste schicken. Das Verbandskonto wird zwar dann einen Schlag mitbekommen. Aber das kann der größte und reichste Sportverband der Welt wegstecken. Den Hut von sich aus nehmen wird  der Bundestrainer, der bis zur Weltmeisterschaft 2018 ein Vorzeigetrainer war, jedenfalls nicht. Erleben wir in München den worst case, weiß man nicht, ob die Gnadenfrist noch bis zum Peru-Spiel verlängert wird.