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Eine wirkungsvolle Teamansprache

flw24-Kolumnist Michael von Kunhardt.

In der letzten Kolumne ging es um die Kommunikationskultur an sich und um Trainertypen. Heute widmen wir uns aus gegebenem Anlass komplett der wirkungsvollen Teamansprache.

Carsten Rump, Co-Trainer von Arminia Bielefeld, hat seine Jungs auf das Spiel gegen den Aufstiegsaspiranten Eintracht Braunschweig derart heiß gemacht, dass als Resultat ein zuvor nicht vorstellbarer 6:0 Sieg für Bielefeld als Sensationsergebnis heraus sprang. Einen Link zur Ansprache habe ich am Ende der Kolumne, für alle, die diese noch nicht gesehen haben, eingefügt.

Zugegeben: ich habe noch keine andere Ansprache von Carsten Rump gesehen bzw. gehört – diese war jedoch besonders, das ist zu spüren und es fällt einem sehr leicht anzunehmen, dass die Wortwahl und Art und Weise des verbalen Feuerwerks definitiv Einfluss auf den 6:0 – Kantersieg hatte.

Also bedeutete es doch, dass ein Trainer sein Team unglaublich über Emotionen mobilisieren kann! 

Werte und Ehre

Was hat Carsten Rump gemacht? Er ist ganz intensiv an das Thema Werte und Ehre heran gegangen, indem er die Frauen, Freundinnen, Kinder und Familien der Spieler in sein Statement eingebunden hat. Wer will sich da schon blamieren? Ein sehr geschickter Schachzug, der Bielefeld den Klassenerhalt bringen und Braunschweig den Aufstieg kosten könnte.   

Damit sind 2 ganz bedeutende Motivationsfaktoren für eine gelungene Ansprache bereits identifiziert. „Werte und Ehre“ sind extreme Kraft – und Leistungsturbos, wenn sie richtig genutzt und eingesetzt werden. Anzumerken ist hier zudem, dass die expliziten Teamwerte zu Beginn der Saison ebenso durch die Mannschaft festzulegen sind wie auch die Ziele festgelegt werden sollten. Hierauf kann auch in den Ansprachen immer wieder geeignet Bezug genommen werden.

Methodenwechsel vs. Inflation

Eine „Feuer- und Brand-Rede“ wie in Bielefeld muss besonders bleiben. Ein Trainer, der vor jedem Spiel stets in hoher Dezibel-Zahl auf seine Spieler einbrüllt, lässt viele Möglichkeiten aus, da für die Spieler durch die Inflationierung der „High-Emotional-Speech“ der entscheidende Kick so nicht mehr möglich ist. Es ist ab einem gewissen Punkt nichts Besonderes mehr und wird sogar langweilig. Damit eine Ansprache besonders wird, gilt es, die Methode immer wieder zu ändern. Die Spieler müssen überrascht sein - nur so bekommt der Trainer die volle Aufmerksamkeit und kann dann die relevanten Inhalte transportieren.

Dramaturgie

Es ist doch wie in einem Bühnenstück: eine starke Ansprache benötigt eine starke Dramaturgie. Erst kommt die Sensibilisierung (meist durch Betroffenheit), dann die Verwirrung und dann die Heilung. Man könnte auch sagen:

  • Aufmerksamkeit catchen
  • Glaubenssätze durcheinander werfen
  • Hoffnung geben und Erlösung

Ansprachetechnik & Methodik

Welche Möglichkeiten bieten sich über die Gestaltung einer inhaltlichen Dramaturgie hinaus zusätzlich, um eine wirkungsvolle Ansprache zu initiieren? Natürlich die Art und Weise der Ansprache, die wie folgt variierbar ist: 

  • Stimme: laut & leise, langsam und schnell
  • Körper: bewusster Einsatz von Gestik und Mimik
  • Storytelling: wirkungsvolle Geschichten erzählen, z.B. über ganz besondere Leistungen, die andere in vergleichbaren Situationen vollbracht haben
  • Erfolge memorieren: an die eigenen Teamerfolge erinnern, um das Selbstvertrauen zu stärken.
  • Visuelle Reize durch Fotos & Videos setzen oder Gedankenreisen
  • Zusätzliche akustische Reize durch Musik
  • Einsatz von haptischen Möglichkeiten, z.B. Umherreichen einer Pokalnachbildung
  • Bewusstes Schaffen eines Kreisschlusses: Die Rede endet damit, womit sie begonnen hat  
  • Keymotion: Der Trainer bedient sich einer Schlüsselemotion, die er z.B. entlang eines Parallelthemas aufbauen kann. Er könnte beispielsweise die komplette Ansprache anhand des legendären Boxkampfes „Rumble in the jungle“ zwischen Muhammad Ali und George Foreman in Kinshasa darreichen – als Ali, den damals für unbezwingbar geltenden Foreman durch eine taktische Meisterleistung ausknockte.
  • Humor: um eine vorhandene Überspannung zu reduzieren.
  • Zitate: merkfähig & prägnant
  • Interaktion: bewusstes Einbinden der Spieler in die Ansprache  - gedanklich und/oder durch Rollen
  • Botschaft: immer & wieder die Kern-Botschaft gezielt transportieren
  • Die Zeitachse verschieben. Einen Artikel vorlesen, den ein Journalist nach dem angenommen erfolgreichen Spiel beispielsweise schreiben würde. Den Artikel könnte das Team vorab auch selbst formulieren und dann auch aus den eigenen Reihen selbst vortragen. (Anm: diese Methode hat beispielsweise das Deutsche Hockeynationalteam vor dem Olympiasieg 2012 in London angewandt)
  • Ortwechsel: Die entscheidende Ansprache mal nicht in der Kabine halten, sondern an einem anderen geeigneten Ort

Darüberhinaus sind kreativen Weiterentwicklungen keine Grenzen gesetzt. Vielmehr geht es darum, die Grenzen der üblichen Ansprache ganz bewusst zu verschieben.

Ein wirklich starker Trainer besticht nicht nur durch Kompetenz und Modernität, sondern er ist zudem auch ein blendender Rhetoriker, Dramaturg, Entertainer & Motivator, der in der Lage ist, noch mehr aus seinem Team heraus zu holen, als dieses je von sich selbst gedacht hatte.

Ich wünsche allen Trainern und Teams einen hohen Anspruch an die eigene Entwicklung und bei der Umsetzung viel Freude und Erfolg.

Hier geht`s zu Ansprache von Carsten Rump:

Top-Motivation: Teamansprache Bielefeld vs. Braunschweig

Bis zu nächsten Kolumne, wir lesen uns! 

Herzlichst und sportlichst

Michael von Kunhardt