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Hände weg von Fußballweisheiten!

flw24-Kolumnist Claus Coester

Der Journalist und Publizist Rolf Seelmann-Eggebert hat solchen, denen das Herz bei Majestäten aller Art aufgeht, Könige, Prinzessinnen und Erlauchte in unzähligen Fernsehreportagen nahegebracht. Wer sich für den unumschränkten Weltenherrscher König Fußball interessiert, braucht solche TV-Beiträge nicht. Er geht vielmehr auf den Fußballplatz oder ins Stadion oder setzt sich mit einem kühlen Blonden auf die Couch. Dann freut er sich an 90 Minuten, manchmal 120 Minuten, in denen 22 Spieler oder Spielerinnen einem Ball nachlaufen, um diesen möglichst oft ins Tor zu schießen.

Weisheiten des Fußballs

Alle oder fast alle, die  für diese größte Nebensache der Welt etwas übrig haben, kennen gewisse Grundweisheiten dieser Sportart, die angeblich unsere europäischen EU-Noch-Brüder von der Insel erfunden haben und von der – ja weswegen eigentlich? – ja doch wegen ihrer wunderbaren Unberechenbarkeit eine so faszinierende Anziehungskraft ausgeht. 

Herberger, Paul, Otto und andere

Zu den Grundweisheiten zählen spätestens seit Sepp Herberger „Der Ball ist rund“, „Das nächste Spiel ist das wichtigste“ oder „Grau is alle Theorie. Wischtisch is auf’m Platz.“  Urheberrecht auf das letztgenannte, im Übrigen herrliche Zitat kann Adi Preißler erheben, der Kapitän der Meistermannschaft von Borussia Dortmund 1956 und 1957. Otto Rehhagel, der König von Griechenland, hat da immer wieder eine Anleihe gemacht.  Richtig gut klingt dieser Spruch dann auch nur bei denen, die wie die beiden Genannten den Ruhrpott-Slang perfekt beherrschen. „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ gehört auch zum Grundrepertoire des Fußballkenners. Da hatte der Überlieferung nach abermals Sepp Herberger seine Hände, nein seine Füße, nein seine Zunge im Spiel. „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, eine sprachlich absurde, aber intelligente Fußballweisheit, stammt auch vom Bundes-Sepp. So wie im Zweifelsfalle alles entweder von Schiller oder Goethe ist. 

Da lacht die Geometrie

Niemals Fußball geschaut hat der, der nichts anzufangen wüsste mit der Regel „Der Ball muss in vollem Umfang die Linie überschritten haben“. Dass diese geometrisch betrachtet natürlich potenzierter Unsinn ist, versteht man schnell, wenn man weiß, dass nach den allgemeinen Bestimmungen der Verbände ein Fußball für Seniorenspiele zwischen 68 und 70 Zentimetern Umfang haben soll. Gemeint ist natürlich der Durchmesser des Balles. Das Spielgerät müsste bei Anwendung dieser falschen Formulierung „auf’m Platz“ folglich mehr als einen halben Meter die Linie überschritten haben, bevor der Linienrichter die Fahne hebt. Da hätte selbst der Schiedsrichterassistent beim Hannoveraner „Handballspiel“ in Köln noch nicht einmal die Brille benötigt, die FC-Coach Peter Stöger diesem angeboten hat. Träfe diese Regel dem Wortlaut nach zu, könnte man übrigens das Hawk-Eye, das gerade aus dem Fußball-Ei gesprungen ist, schnurstracks ins Museum stecken. Auch die sog. Punkteteilung, die nach einem Unentschieden zum allgemeinen Grundwortschatz zählt, ist fußballarithmetisch spätestens seit der Drei-Punkte-Regel überholt, wird aber dennoch zurecht auf immer Bestand haben.

Solidarität mit Nummer 1

Lang ist sie, die Liste der Fußballweisheiten. Ganz oben in dieser Hitparade, wenn nicht On The Top in der „Ewigen Tabelle“, steht ein Spruch, den jeder kennt, aber dessen Urheber auf ewig unbekannt bleiben wird. Ob er tatsächlich dem untergetauchten Kaiser, wenn er ihn auch oft zitiert hat, zuzuordnen ist, halten wir für zweifelhaft. Einem aber muss er ja irgendwann zum ersten Mal überhaupt über die Lippen gekommen sein. In der Bibel steht er jedenfalls nicht. Damals war der Fußball ja noch nicht erfunden. Wie dem auch sei. Auf jeden Fall soll an dieser Stelle dem anonymen Schöpfer dieser Erkenntnis posthum der Fußball-Nobelpreis verliehen werden. „Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.“ Treten wir dafür ein, dass diese Weisheit unter Artenschutz gestellt wird! Das sollen sich besonders die Herren Bierhoff und van Basten hinter die Ohren schreiben! Denn: Fußball ohne abseits ist wie Curry ohne Wurst. Einmal abseits, immer abseits!