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Dranbleiben statt zu versumpfen – Gedanken zur Winterpause im Fußball

Joachim Keilholz (Foto: privat).

Der Fußball muss auch mal raus aus dem Kopf, aber…

Der Begriff der Periodisierung kommt klassischerweise aus der Leichtathletik. Grundsätzlich geht man davon aus, dass es nicht möglich ist, die sportliche Form über einen langen Zeitraum auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Das Leistungsniveau unterliegt (wie fast alle anderen physischen und psychischen Vorgänge auch) natürlichen Schwankungen. Man ist halt nicht immer gleich fit.

Die Leichtathleten richten Ihre Saisonplanung in der Regel auf einen einzigen Saisonhöhepunkt aus.

Ob Olympia, Welt- oder Europameisterschaft, immer geht es darum, zu einem bestimmten Datum die optimale Form zu haben. Entsprechend wird das Training detailliert geplant.

In der Regel unterscheidet man die Vorbereitungs-, Wettkampf- und Übergangsperiode. Während der Vorbereitungsperiode werden die allgemeinen und speziellen körperlichen Grundlagen gelegt, um in der Wettkampfperiode gute Ergebnisse zu erzielen und die Leistung kontinuierlich zu steigern. Während der Übergangsperiode werden die sportliche Form und die erlernten Bewegungsmuster dann teilweise bewusst „gestört“, indem man eine bestimmte Zeit völlig andere Trainingsinhalte wählt, die nicht unbedingt etwas mit der eigenen Sportart zu tun haben. Dabei geht es in erster Linie darum, das allgemeine körperliche Niveau einigermaßen zu halten, um dann während der nächsten Vorbereitungsphase die sportartspezifische Leistung auf höherem Ausgangsniveau erneut aufzubauen.

Auf Deutsch: man muss auch mal Abstand gewinnen und sich mit anderen Dingen (Sportarten) beschäftigen.

Der körperliche Verfall um die Weihnachtszeit macht den Neuanfang schwer

Beim Kicken sieht das etwas anders aus. Die Wettkampfphase ist deutlich länger und es gibt niemals einen einzigen Termin, an dem man das Leistungsmaximum ansteuern möchte. Schließlich wird jedes Wochenende um Punkte gekämpft.

Trotzdem lassen sich auch einige Gemeinsamkeiten feststellen. Auch im Fußball gibt es eine Vorbereitungsperiode (in der Regel sogar zwei innerhalb einer Saison), Wettkampf- und Übergangsperiode.

Die letzte Übergangsperiode liegt nun gerade hinter uns. Nach Beendigung der Vorrunde irgendwann vor Weihnachten, haben viele Mannschaften erstmal komplett Pause. Der Trainingsbetrieb wird oftmals komplett eingestellt, auf Grund der Platzsituation auch zwangsweise. Mehrere Wochen passiert nichts. Keine Bewegung, dazu reichlich Nahrung, besonders über die Weihnachtszeit. Trägheit und Müßiggang breiten sich aus.

Die F- bis C-Jugendlichen haben vielleicht noch das Glück, während des Winters einmal in der Woche eine Hallenzeit zu bekommen und einige Turniere zu spielen. Aber auch hier kann man überall beobachten, wie diese Zeiten teilweise mit sinnfreien Torschussübungen in einer 20-iger Schlange vergeudet werden. Sicher kann man diese überaus „wertvollen“ Trainingszeiten besser nutzen, indem man die Kids einfach spielen lässt. Aber bitte nicht 10 gegen 10 über die ganze Halle in einer Art Anarchie-Zufalls-Fußball, sondern einfach in sinnvoller Gruppenstärke mit mehreren Mannschaften und ständigem Wechsel.

Mit Beginn der zweiten Saisonvorbereitung im Januar/Februar ist das körperliche Ausgangsniveau der meisten Hobbykicker völlig am Boden. Man startet sozusagen „weit unter Null“, aber dafür mit einigen Pfunden an Körpergewicht mehr. Auch diese ungünstige Konstellation kann zu vermehrten Verletzungen beitragen. Außerdem fällt es dann richtig schwer, sich wieder in den normalen Trainingsbetrieb einzufinden.

Es gibt genügend Alternativen, die machbar sind, wenn man sich traut

Was kann man als Verein oder Trainer tun, um die Spieler über die Weihnachts- und Winterzeit körperlich einigermaßen fit zu halten? Ich denke, ein gewisser Abstand zum Fußball ist auf jeden Fall notwendig und sinnvoll. Aber Training an sich sollte durchaus weiterhin regelmäßig angeboten werden.

Hier sind der Phantasie der Verantwortlichen kaum Grenzen gesetzt. Tennishallen, Soccerhallen, Schwimmbäder, Saunen- und Wellnesstempel, Fitness-Studios gibt es wie Sand am Meer. Es ist halt alles nur eine Frage der (rechtzeitigen) Organisation. Auch Kooperationen mit anderen Sportarten und –vereinen halte ich für absolut geeignet, gut über den Winter zu kommen. Gerne darf der Fußballverein sicherlich auch mal in einer Halle Basketball spielen. Die Körbe hängen doch!

Vielleicht kann man nach Absprache auch in einer Soccerhalle mal ein 2-stündiges mannschaftinternes  Handballturnier unter „fachlicher Anleitung“ eines befreundeten Handballtrainers durchführen.

Tennisturniere am (belegungsschwachen) Samstag-Abend machen einfach Spaß und halten bei Laune.

Viele Fitness-Studios können entsprechende Angebote in Form von (Aerobic-) Kursen oder Zirkeltraining machen.

Und einmal die Woche einfach eine Stunde schwimmen zu gehen, tut ebenfalls jedem Kicker gut und stärkt die Gemeinschaft.

Kurzum: Vielfach fehlt im Fußball einfach ein wenig die Kreativität und die Experimentierfreude. Wenn man wirklich will, findet man immer Mittel und  Wege, um fit zu bleiben. Vielleicht ist es in der kommenden Winterpause für manchen Trainer einen Versuch wert, mal andere Weg zu gehen, neue Kontakte zu knüpfen (auch über Sportarten hinaus) und neue Erfahrungen zu sammeln.

Kloppo hat es vorgemacht

Übrigens wurde Jürgen Klopp auch belächelt, als er zur 2004er-Saisonvorbereitung mit seiner Mainzer-Außenseiter-Aufstiegstruppe in die skandinavische Einöde zum Zelten fuhr, während die anderen in Luxushotels auf Rasenplätzen trainierten, die mit der Fingernagelschere geschnitten wurden.

Innovativ war sicherlich auch der Versuch des TSV 1860 München, der die Spieler vor Jahren in Kleingruppen im Wald aussetzte, mit der Aufgabenstellung, irgendwie wieder zurückzufinden. Nun, es haben wohl alle geschafft, aber da die Trainer als Erste im Hotel ankamen, ergoss sich Hohn und Spott über die Spieler. Und ein Kommentator, der wirklich gar nichts verstanden hat, wünschte sich ob dieser fußballfremden Kuriosität Werner „Beinhart“ Lorant zurück. Unter dem hätte es so etwas nicht gegeben, was unzweifelhaft richtig ist.

Herzliche Grüße

Joachim Keilholz