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Ernährung – Ein undurchdringlicher Dschungel

flw24 Kolumnist Joachim Keilholz

Jeden Tag wechselnde Empfehlungen

Wer sich mit dem Thema Ernährung beschäftigt, merkt sehr schnell, dass es nicht einfach ist, allgemeingültige Empfehlungen zu bekommen, wie man sich gesund ernährt. Da auf diesem Gebiet viel geforscht wird, kommen fast täglich neue Studien, mit teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Das, was gestern noch gut war, ist heute plötzlich schlecht.

Natürlich, die Forschung geht vorwärts, das ist auch in anderen Bereichen so und völlig normal. Doch warum ist das „Chaos“ ausgerechnet in der Ernährungslehre so groß? Das hat sicher damit zu tun, dass unser Körper einfach unheimlich komplex ist. Unzählige Stoffwechselprozesse laufen gleichzeitig ab und dreht man an einer Schraube, drehen sich (teilweise völlig unbeabsichtigt) unzählige andere Schrauben mit. Man erhält ein komplett anderes Ergebnis als erwartet. Außerdem liegt es mit Sicherheit auch daran, dass wir viele Vorgänge im menschlichen Körper einfach noch nicht kennen und verstehen.

Offene Knie beim Beeren sammeln

Von „low carb“ („wenig Kohlenhydrate“) über „no carb“ bis zur Steinzeit-Diät, nach der wir uns hauptsächlich von Beeren, Wurzeln und Kräutern ernähren sollen (ich bin jetzt mal gehässig), gibt es jede Menge Autoren, die scheinbar den Stein der Weisen gefunden haben. Für mich ist wichtig, dass eine vernünftige Ernährungsstrategie ins 21. Jahrhundert passt. Unser Alltag hat sich nun mal verändert, und die Rückkehr zu Ackerbau und Viehzucht oder zum Beeren- und Pilze sammeln ist für mich nicht realistisch. Trotzdem lohnt es sich natürlich, vor berechtigten Argumenten nicht die Augen zu verschließen.

Bei verdrecktem Benzin stottert halt der Motor

Einigkeit herrscht mittlerweile darüber, dass unsere Ernährung einen wesentlichen Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Man „ist“, was man „isst“. In gleichem Maße, wie das Bewusstsein über die Bedeutung der Nahrungsmittel für die eigene Gesundheit steigt (Bioprodukte boomen ohne Ende), entwickelt sich die Nahrungsmittelindustrie in Richtung „Design-Food“.  Natürliche bzw. naturbelassene Lebensmittel kommen immer seltener auf den Tisch. Die industriell verarbeitete Nahrung ist zum Standard geworden, weil wir völlig gestresst beim Essen (und der Vorbereitung) Zeit sparen wollen oder müssen. Und billig müssen die Lebensmittel natürlich auch sein.

Wir verzehren Nahrungsmittel, deren Zutatenliste sich liest wie das Chemiearbeitsblatt aus der 11. Klasse. Kein Gericht mehr ohne Zucker, Weizen und diverse Zusatzstoffe. Letzten Endes weiß niemand, wie unser Körper auf diese definitiv unnatürlichen Kreationen reagiert. Nur eines ist klar: eine evolutionäre Anpassung unseres Stoffwechsels an diese Art Nahrung gibt es sicherlich nicht.

30 km laufen für eine Mahlzeit

An welche Nahrung sind wir denn nun eigentlich angepasst? Auch darüber herrscht wenig Einigkeit. Wie sah die Nahrung früher aus? Uns Menschen gibt es seit ca. 2,8 Millionen Jahren. 99,9% unserer Zeit waren wir Jäger und Sammler. Seit ca. 8000 Jahren gibt es Ackerbau und Viehzucht. Die industrielle Produktion von Lebensmittel gibt es seit ein paar Jahrzehnten. Wenn man bedenkt, welcher Zeitraum für eine genetische Anpassung an veränderte Lebenssituation notwendig ist (Forscher sprechen von mehreren Zehntausend Jahren), dann wird klar, dass unser Organismus  durchaus Probleme mit der aktuellen „Fast-Food“  und „Design-Food“-Ernährung haben könnte. Dazu kommt noch das Problem des Überflusses. Nahrung ist für (fast) jeden (fast) permanent verfügbar. Unvorstellbar für unsere Vorfahren, die täglich 30km umhergelaufen sind, um etwas Essbares zu finden. 2010 lag unsere durchschnittliche Gehstrecke pro Tag bei 400m, Tendenz fallend (!).

Zuviel – und unangepasste Nahrung, zu wenig Bewegung. Das ist der Cocktail, aus dem die Zivilisationskrankheiten gemacht sind.

Eigenständigkeit statt Altersheim

Es geht für uns kein Weg daran vorbei, uns mit den Themen Ernährung und Bewegung zu beschäftigen, wenn wir „gesund“ und selbstbestimmt älter werden wollen. Das sollte jedem bewusst werden. Die dazu notwendige Eigenkompetenz wird uns leider kaum in der Schule oder der Ausbildung vermittelt. Man ist also auf sich selbst gestellt.

Viele Dinge werden noch diskutiert, viele Zusammenhänge sind uns noch völlig unbekannt. Aber die Lage ist nicht hoffnungslos. Es gibt viele Ernährungs-Erkenntnisse, die heute nicht mehr angezweifelt werden und eine gute Orientierung bieten. In meine nächsten Kolumnen möchte ich Ihnen einiges davon näher bringen. Wir sprechen über die Zucker-Problematik, Allergene in Getreide und Milch, Alkohol und Fasten. 

Meine Großmutter kann helfen

Abschließend möchte ich mit Michael Pollan einen bekannten Kolumnisten und Buchautor zitieren, dessen wichtigste Grundempfehlung lautet: „Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht auch als Essen erkannt hätte“. 

Herzlichst

Joachim Keilholz