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„Muskeln müssen entspannen können“

flw24-Kolumnist Joachim Keilholz.

Aus motorischer Sicht ist unsere Lieblingssportart eine richtig komplizierte Angelegenheit.

Zu den vielen Sprints, Sprüngen und plötzlichen Richtungswechseln kommen noch exotische Bewegungsabläufe wie Tackling und Fallrückzieher hinzu. Außerdem muss man Stürze aus vollem Tempo geschmeidig abfangen, wenn man sich nicht richtig wehtun will.

All diese Anforderungen benötigen eine optimale Koordination aller beteiligten Systeme. Da muss der eine Muskel maximal anspannen, während andere eher nachlassen müssen, um die Bewegung nicht zu hemmen oder ihr unnötigen (und vor allem unbrauchbaren) Widerstande entgegen zu setzen.

Genau hier haben jedoch viel Fußballer extreme Probleme. Durch einseitige Alltagsbelastungen und einseitiges Training sind viele Muskel so steif und verkürzt, dass sie solche Bewegungen einfach nicht mitmachen. So weigert sich ein verkürzter Muskel auf der Oberschenkelrückseite, beim Torschuss einfach locker zu lassen, wenn der Unterschenkel nach vorne in die Kniestreckung gezogen wird.

„Montag- der gefürchtete Tag „danach“

Ergebnis: auf eine zu schnelle Dehnung reagiert unsere Muskulatur aus Eigenschutz immer mit einem Reflex, der den betreffenden Muskel wieder anspannen lässt. Das ist sehr schlau, weil dadurch größeren Verletzungen, wie einer kompletten Muskelruptur vorgebeugt wird. Je kürzer der Muskel, desto früher setzt dieser Reflex ein. Die Folge sind Tonus- (Spannungs-) störungen, die wir allgemein als Zerrungen wahrnehmen. Eine Zerrung ist keine richtige Verletzung, weil in der Regel keine Strukturen reißen. Aber schmerzhaft ist sie allemal und an kicken ist einige Tage nicht zu denken. Auf diese fehlende Fähigkeit der Muskulatur sich entspannen zu können, kann man auch diese unspezifischen Montagmorgens-Probleme nach einem sonntäglichen Punktspiel zurückgeführt. Man fühlt sich eingerostet und alles tut irgendwie weh.

„Stretching bringt keine langfristige Beweglichkeitsverbesserung“

Wie also kann man seine Muskulatur in die Länge trainieren? Wie kann man seine Beweglichkeit verbessern und damit koordinierte Bewegungen überhaupt ermöglichen? Geht das überhaupt?

Im besten Fall wird im Fußballbereich mit Stretching gearbeitet. Selbst das hat Jahrzehnte gedauert, hat sich aber mittlerweile durchgesetzt. Es gibt aber kaum wissenschaftliche Studien zum Thema Stretching. Und der Nachweis, das Stretching auf Dauer eine verbesserte Beweglichkeit bringt, steht immer noch offen. Stretching hat sich durchgesetzt, weil sich die Sportler damit gut fühlen. Vielleicht führt das auch zu einer gewissen Verletzungsprophylaxe. Aber dauerhaft die Beweglichkeit verbessern, das kann Stretching sicher nicht leisten.

Das Zauberwort „Muskellängentraining“

Das neue Zauberwort heisst hier „Muskellängentraining“. Im Gegensatz zum Stretching, wird der Muskel hier nicht passiv in die Länge gezogen, sondern aktiv auf die größtmögliche Länge eingestellt und dann kommt eine maximale Anspannung auf diesen langen Muskel. Der Muskel lernt also, in der Länge Kraft aufzubauen. Dieser Trainingsreiz führt zu einer deutlich besseren und auch dauerhaften Beweglichkeit. Auch hier gibt es keine wissenschaftlichen Studien. Auch hier findet die Verbreitung dieses neuen Trainingskonzeptes eher über die positiven Rückmeldungen der Sportler statt.

Aus meiner Sicht ist dieses Konzept, dass auf den Freiburger Arzt Dr. Packi zurückgeht, im Moment einzigartig. Viele Spitzensportler beschäftigen sich bereits damit und auch in den Fitness- und Gesundheitsstudios hat dieses Konzept weltweit Einzug gehalten.

„Muskellängentraining und Faszientraining – wie Bruder und Schwester“

Neben den Muskeln steht auch das Bindegewebe (Faszien) im Fokus, wenn es um das Thema Beweglichkeit geht. Im Moment ist das „Rollen“ beim Faszientraining in aller Munde. Unser Bindegewebe verbindet alles, Muskeln, Organe usw. Auch hier gilt: verfilztes Bindegewebe verhindert ein optimales Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Systeme. Permanente Zugbelastungen auf das Bindegewebe sind notwendig, um die optimale Funktion und Beweglichkeit zu erhalten.

Ganz hervorragend ergänzen sich diese beiden Trainingskonzepte, die viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

„Besser fühlen, besser spielen“

Quasi „nebenbei“ verbessern sich übrigens viele Rücken- und Gelenkprobleme, wenn die Muskulatur wieder lernt, nachzulassen und über die komplette Bewegungsamplitude trainiert wird. „Steife“ Muskeln tun einfach weh. Zusätzlich gibt es mehr Bewegungsmöglichkeiten für die Sportler, wodurch sich die Koordination verbessert. Dies führt zu „runderen“ Bewegungsabläufen und zu einer verbesserten Spielleistung.

Der Zeitaufwand für ein solches Beweglichkeitstraining ist sehr begrenzt und kann somit in jede Trainingseinheit eingebaut werden. 2-3x/Woche für 10 Minuten bringen bereits deutliche Beweglichkeitsverbesserungen. Kompliziert Hilfsmittel sind nicht erforderlich. Standardisierte Übungsprogramme, die man auch beim Aufwärmen einsetzen kann, gibt es bereits.

Eine bewegte und verletzungsfreie Zeit wünscht Ihnen

Joachim Keilholz