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Der mit dem Ball tanzte

Von der Kölner Fußball-Legende Heinz Flohe

Heinz Flohe lebensgroß Statue in Bronze vor dem Rhein Energie Stadion. Foto: Creative Commons / Marco Verch

Im Geißbockheim saßen Mitte der 1960er Jahre die Altherren-Fußballer des TSC Euskirchen nach einem Spiel mit der AH des 1. FC Köln bei Kölsch und Klaren. Unter ihnen auch der Vater des späteren Fußballexzentrikers Heinz „Flocke“ Flohe. Die Mitspieler ermutigten Flohe Senior, seinen hochbegabten 17jährigen Sohn, der beim Landverein TSC Euskirchen spielte, den FC-Oberen, die am Nachbartisch saßen, für den Kölner Bundesligaklub zu empfehlen. Vater Flohe nahm sein Herz in beide Hände und ging zu Franz Kremer, dem allgewaltigen Präsidenten, der ihm offenbarte: „Herr Flohe, uns ist Ihr Sohn längst aufgefallen. Er soll ab der nächsten Saison bei uns spielen.“ Der Vater war baff.

„Gold im linken Fuß“

Ein Jahr später, in der Spielzeit 1966/67 startete die 13 Jahre währende Erfolgsstory eines begnadeten Fußballers, eines der ganz Großen in der Geschichte des Klubs aus der Rheinmetropole. „Flocke“ Flohe wuchs neben dem bereits etablierten Wolfgang Overath schnell zu einer spielprägenden Fußballpersönlichkeit heran. Vollendete Ballversiertheit, Schnelligkeit, blendende Übersicht, hohe fußballerische Improvisationskunst gepaart mit perfekter Schusstechnik und Torjägerqualitäten waren die herausragenden Markenzeichen dieses Ausnahmefußballers. Alle, die je das Glück hatten, mit oder gegen Heinz Flohe gespielt zu haben, oder das Vergnügen hatten, ihn im Stadion erlebt zu haben, überhäufen den Begabten mit dem „Gold im linken Fuß“ mit Superlativen. Für Jupp Heynckes war er einfach nur ein „Artist“. Laut Günter Netzer machte Flohe Dinge am Ball, „die keiner von uns konnte, auch die ganz großen Spieler nicht.“ Franz Beckenbauer bezeichnet das Kölner Juwel als einen der „besten Techniker der Welt“ zu seiner Zeit. Flohes Fußballgenialität war zeitlos. Solche Typen passen zu allen Zeiten in jedes Fußball-Ballett. Aus der Gegenwart kommt mit seiner Ballästhetik vielleicht Mesut Özil einem Flohe nahe, ohne allerdings dessen Explosivität zu erreichen.

Weltmeister 1974

„Flockes“ Bilanz von 13 Jahren in der Domstadt kann sich sehen lassen. Mit seinem Klub feierte er drei DFB-Pokalsiege (1968, 1977, 1978) sowie eine deutsche Meisterschaft (1978). Sein Name stand bald im Notizbuch von Bundestrainer Helmut Schön. Auf internationalem Parkett bewegte sich der Ballkünstler mit der gleichen Eleganz. Mit den Geißböcken scheiterte er 1979 erst im Halbfinale des Europapokals der Landesmeister (heute Champions-League). Das Trikot mit dem Adler streifte er 39mal über bei acht Treffern. Auf der Liste finden sich der Weltmeistertitel 1974 (drei Einsätze), die Vize-Europameisterschaft 1976 (Finale in Belgrad gegen die CSSR) sowie die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien.

Wechsel zu 1860 München

Die tragische Seite im Lebensbuch des Heinz Flohe wurde 1979 aufgeschlagen. Es kam zum Zerwürfnis mit den Mächtigen im Geißbockheim. Der Rheinländer wurde übereilt an die Isar transferiert. Bei den Münchener Löwen sollten es gerade 14 Spiele mit vier Toren werden. Dann schlug das Fußballschicksal unerbittlich zu. Im Bundesligaspiel gegen den MSV Duisburg machte ein brutales Foul dem Filigranen einen Strich durch die Rechnung.

Schien- und Wadenbeinbruch - Invalidenrente

Ein komplizierter Schien- und Wadenbeinbruch setzte Flohes großer Karriere abrupt ein Ende. Dass Foulspieler Paul Steiner nicht lange danach auf Jahre zu einer Säule in der Abwehr des 1. FC Köln wurde, ist unbarmherzige Ironie des Schicksals. Die 79. Minute am 1. Dezember 1979 sollte den grandiosen Ballartisten zum ersten Fußball-Profi machen, der eine Invalidenrente bezog.

Vorzeitig wie die sportliche Laufbahn endete auch das Leben des Heinz Flohe. Nach zwei Herzoperationen seit Beginn des neuen Jahrtausends wurde er in ein künstliches Koma versetzt, aus dem er in ein Wachkoma verfiel. Die Erlösung kam für den 65-Jährigen am 15. Juni 2013.

Hall of Fame

In der Domstadt werden die Fußballfreunde diesen ruhigen, etwas unnahbaren, meist in sich gekehrten Ballartisten nie vergessen. Längst war Heinz Flohe wie Hans Schäfer oder Wolfgang Overath in die Hall of Fame des 1. FC Köln aufgenommen. Vor der Südkurve des Rhein-Energie-Stadions steht lebensgroß in Bronze getrieben die Statue des einstigen Ballvirtuosen, der der Fußballwelt so viele schöne Augenblicke geschenkt hatte.