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Flutlicht-Meier und Fußballprofessoren

Spitznamen haben im Fußball immer Konjunktur

Kleine Auswahl aus großer Fülle

Viel Phantasie entwickeln die Fußballfans, wenn es um ihre Lieblinge auf dem grünen Rasen geht. Viele der Kicker haben im Laufe ihres sportlichen Daseins einen Spitznamen verpasst bekommen, der diese auch noch lange nach der aktiven Laufbahn, ja meist ihr ganzes Leben begleitet.

Herkunft der Namen aus vielen Quellen

Es ist nicht immer ganz einfach, die „Geburtsstunde“ eines Spitznamens zu bestimmen, die ja meistens Ehrennamen bedeuten, in Ausnahmefällen auch den Beigeschmack des Negativen in sich tragen. Beckenbauers Ehrentitel „Kaiser“ ist sicher in direktem Kontext seines Vornamens und dann in der Verknüpfung mit dem Habsburger Kaiser Franz zu verstehen. Und es bedurfte natürlich der fußballerischen Genialität des Doppelweltmeisters. Die Tradition hat diesen Ehrentitel geschaffen. Hier gibt es keine „Taufurkunde“.

Jürgen Wegmann, der einstige Torjäger von Rot-Weiß Essen, Borussia Dortmund und Bayern München, gab sich quasi selbst seinen Spitznamen „Kobra“, als er in einem Interview die Selbsteinschätzung preisgab, „er sei giftiger als die giftigste Kobra“. Wer so viel Selbstsicherheit versprüht, muss ja viele Tore schießen.

Erscheinungsbild als Namensgeber

Vielfach sind es äußere Qualitätsmerkmale, die in einer phantasievollen Wortschöpfung Ausdruck finden. Fußballfans mittleren oder älteren Semesters erinnern sich noch gut an den hochgewachsenen und dünnen Wattenscheider und nachmaligen Schalker und Lauterer Hannes Bongartz. Ob der mit dem Titel „Spargel-Tarzan“ einverstanden war, wissen wir nicht. Hannes Löhr vom 1. FC Köln verdankt seinem offensichtlich überdimensionierten „Gesichtserker“ seinen Spitznamen. Die FC-Fans tauften den ehemaligen Saarbrücker kurzerhand „Die Nas“. Hans Schäfer, neben Horst Eckel der einzige noch lebende Weltmeister von Bern, hieß ganz einfach „Die Knoll“. Warum, weiß keiner mehr. Berlins „Funkturm“ Uwe Kliemann behielt stets den Überblick in der Hertha-Abwehr und überstand sogar einen mehrjährigen Umzug von der Spree an den Main und die Rückkehr in die Hauptstadt. Die Eintracht-Fans werden sich seiner noch erinnern. Harald Karger, der nach seiner schweren Verletzung im UEFA-Cup-Finale gegen Mönchengladbach bald zum Sportinvaliden wurde, sorgte mit seinen Kopfballtoren für Furore und musste wie mancher Mittelstürmer mal den Turban tragen. Den Qualitätsnamen „Schädel-Harry“ wird man immer mit dem vom FC Burgsolms an den Main gestoßenen Torjäger verbinden. 

Die Adler vom Riederwald hatten auch einen echten und unechten Doktor in ihren Reihen. Der regulär promovierte, aus Wetzlar stammende Zahnarzt Dr. Peter Kunter, vom Zweitligisten FC Freiburg gekommen, schaute werktags den Leuten auf die Zähne, am Wochenende stand er im Bundesligaspiel zuverlässig zwischen den Pfosten. Ob er in seinen 11 Frankfurter Jahren den Titel „Der fliegende Doktor“ bekommen hat, darüber schweigen die Annalen.

Verbrieft ist jedenfalls der akademische Titel für Bernd Nickel, der nie einen Hörsaal von innen gesehen hat. Mit seinem Linken lehrte der Gladenbacher nicht nur im Waldstadion die Keeper der Gegner das Fürchten. Deshalb promovierten ihn die Fans zum „Dr. Hammer“. Bei Nickels Altersgenossen und 74er Weltmeister Jürgen Grabowski beschränkte man sich auf „Grabi“, bei Bernd Hölzenbein lapidar auf „Holz“. Ob die Niederländer nach dem Münchener Finale einen Antrag beim Frankfurter Standesamt auf Umbenennung von „Holz“ auf „Schwalbe“ gestellt haben, keiner weiß es. Beinahe in Vergessenheit geraten ist „Flutlicht-Meier“. Der lief im Eintracht-Dress vorwiegend bei Abendspielen zu großer Form auf und war Linksaußen der 1959er Meistermannschaft, die im spektakulären Glasgower Finale gegen Real Madrid vor 130 Tausend Zuschauern 3:7 verlor. Erich Meier aus Breidenbach fand später weiteren Erfolg bei den Roten Teufeln am Betzenberg. 

Manche „Taufpaten“ sind bekannt

Rudi Völler darf sich nicht beschweren, dass ihm sein Nationalmannschafts-Team-Kollege Thomas Berthold ob seiner Lockenpracht den Namen „Käthe“ gab. Die Presse fütterte später zu „Tante Käthe“ auf. Der zu früh verstorbene Wolfram Wuttke (Schalke, Mönchengladbach, HSV) machte während seiner Station am Bökelberg in der Glühbirnenproduktion eine Namensanleihe. Jupp Heynckes, damals am Beginn seiner großen Trainerlaufbahn, hieß dank Wuttke wegen seiner häufigen Gesichtsröte plötzlich „Osram“. Das hinderte „Don Jupp“ nicht daran, im Laufe der nächsten 30 Jahre in die Gilde der europäischen Startrainer aufzusteigen.

Bei Trainern neuerdings auch Selbsternennungen

Tief im Archiv finden wir den „Alten Fritz“. So wurde Fritz Langner in den Hochadel aufgenommen, der vor Gründung der Bundesliga das heute fast verschollene Westfalia Herne in die Endrunde zur deutschen Meisterschaft führte und später u.a. bei Schalke und Werder Bremen den Taktstock schwang. Otto Knefler wiederum, am Betzenberg verantwortlicher Übungsleiter, war der „Eiserne Otto“. Es gibt keine Nachricht darüber, dass einer seiner Spieler das harte Training nicht überlebt hätte. Auch die Bergtouren von „Quälix“ Felix Magath haben dem Vernehmen nach alle überlebt. Otto Rehhagel stieg vom Essener Malermeister zum „König Otto von Griechenland“ auf.

Dann gibt es da auch gelehrte Menschen in der Branche, die in erster Linie von den Presseleuten wegen ihres dozierenden Gestus den akademischen Grad verliehen bekamen. In der Urzeit zählt dazu der vor nicht langer Zeit verstorbene Dettmar Cramer. Als „Fußballprofessor“ führte er Bayern München zum Sieg im Europapokal der Landesmeister (= Champions League). Zu den Hochschuldozenten zählt heute auch RB Leipzigs Coach Ralf Rangnick. Irgendwann dürfte auch der diesbezüglich noch namenlose Neu-Dortmunder Thomas Tuchel in diese Sphäre aufsteigen.   

Eine besondere Spezies stellen die Selbsternannten dar. Deren Gründungsvater ist Chelseas aktueller Übungsleiter Jose Mourinho. Der Portugiese heftete sich persönlich das Prädikat „The Special One“ ans Revers. Jüngst folgte ihm wohl eher in Selbstironie der Neu-Liverpooler Jürgen Klopp mit „The Normal One“ und Stefan Effenberg komplettierte dies im versteckten Paderborn  mit „The New One“ zur Anti-Klimax. 

Die Ungenannten

Es gibt da noch ein großes Heer von hier nicht Genannten, aber nicht Vergessenen. Die Fußballfans werden mit ihnen immer bestimmte Erinnerungen verbinden, ob es sich nun um „Hammer-Ali“ handelt, welches Attribut Jörg Albertz vom HSV mit auf die britische Insel nahm. Die Supporter des Rangers FC wandelten dieses bald in „Jörg the Hammer“ um. In der Warteschlange stehen da noch Guido „Diego“ Buchwald, Horst „Kopfball-Ungeheuer“ Hrubesch, Trainerlegende „Riegel-Rudi“ Gutendorf, Gerd „Der Bomber der Nation“ Müller, „Terrier“ Berti Vogts, Helmut „Boss“ Rahn u.v.a.m. Die Hanseaten belohnten ihren größten Spieler einst mit dem liebevollen Namen „Uns Uwe“, ein Bestand für die Ewigkeit.