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Von der Schatzkammer bis ins Armenhaus

Fotos: Claus Coester

Vergleiche - so sagt man – hinken oft. Aber es lassen sich beim Vergleich des europäischen Staaten- und Fußballhauses ein paar Parallelen feststellen. Etwas schief ist er auf den ersten Blick. Die Mitglieder der UEFA sind zahlreicher vertreten als die der politischen Union. Geht man auf die Qualität und die wirtschaftliche Macht in beiden Bereichen ein, tritt sogleich die eine oder andere Analogie zu Tage. Reiche Staaten, arme Staaten, reiche Fußballverbände, arme Fußballverbände.

Fußballelite und die Big Five

Deutschland bildet, was die Verbände betrifft, die absolute Spitze auf dem ganzen Globus. Der DFB ist der reichste und mitgliedsstärkste Verband auf der Welt. Was die Profivereine betrifft, so muss Deutschland sich auch nicht verstecken. Man ziehe nur das Abschneiden in den UEFA-Wettbewerben der letzten fünf Jahre heran. Jeder weiß natürlich, dass es zwischen dem Gipfel Bayern München und Darmstadt 98 innerhalb des eigenen Landes ein unglaubliches wirtschaftliches Gefälle gibt. Das wirtschaftliche Gefälle besteht aber auch zwischen der Bundesliga und der angeblich teuersten Liga der Welt, der Premier League. Sind es in Deutschland, wo Bayern München auf der Basis des Hoeneß-Konzepts über drei Jahrzehnte seine heutige Weltgeltung erlangt hat, Industriekonzerne wie der Chemieriese Bayer und der Autogigant VW, die Spitzenteams produzieren und unfreiwillig diesen Klubs in der öffentlichen Wahrnehmung gelegentlich den Stempel “Werksklub“ verpassen, so schert sich auf der britischen Insel niemand um die Finanzquellen, die den einen oder anderen Klub auf ein schier unglaubliches wirtschaftliches Polster betten. Allerdings sind es im Mutterland des Fußballs wie bei Manchester City keine Unternehmen, die spendierfreudig sind. Hier frönen  wie bei Manchester City arabische Ölprinzen oder wie beim Chelsea FC russische Oligarchen ihrem Hobby. Das führt zu ungeahnten Höhenflügen. Jüngstes Beispiel ist der Transfer eines flämischen Weltklassespielers mit einem Lausbubengesicht aus der Autostadt. Aber auch in Frankreich hat orientalische Großzügigkeit seit geraumer Zeit den Hauptstadtklub PSG zur unumschränkten Führungsmacht erhoben. Aber wehe, wenn die Scheichs einmal launig werden und den Hahn zudrehen! Gehört das deutsche Hoffenheim nicht auch in diese Kategorie? Nein, das wäre ein nicht berechtigter Einwand. Im Kraichgau hat der einstige SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, der auch in vielen anderen Bereichen mäzenatisch aktiv ist, kontinuierlich einen Provinzklub gefördert und damit eine ganze Region, die fußballerisch verwaist war, vitalisiert. Hopps Engagement hat eine andere Qualität als die von Ölmagnaten. 

Wohin driftet die europäische Dreiklassengesellschaft?

Eine Dreiklassengesellschaft haben wir in Europa, was die fußballerische Qualität angeht, die mit der ökonomischen Potenz einhergeht. Da sind die Big – Five - Staaten, zu denen Klubs der Premier  League, der Bundesliga, der Primera Division, mit Abstrichen der französischen Ligue 1 und der italienischen Serie A zählen. Österreich, die Schweiz, die skandinavischen Länder, vielleicht auch noch Griechenland spielen quasi in Liga Europa II, der Osten mit der einen oder anderen Ausnahme wie Shachtor in Liga III.

In Deutschland und England sind die Stadien im Allgemeinen allwöchentlich prall gefüllt, in Frankreich und Spanien ist das zumindest bei den Spitzenvereinen der Fall. Auf der iberischen Halbinsel ziehen die Massen hauptsächlich ins Nou Camp oder Bernabeu, vielleicht nach zu Atletico. Italien klagt -  u.a. wegen der relativ veralteten Stadien mit der einen oder anderen Ausnahme – über große Lücken auf den Tribünen.

Unlängst trat in der Qualifikation zur Europa League mehr als deutlich die spielerische wie wirtschaftliche Differenz in Fußball-Europa zutage. Einem knappen, aber dennoch hochverdienten 4:3-Erfolg am Oslo-Fjord über Odds BK ließ die internationale Auswahl von Borussia Dortmund im Signal Iduna Park ein lockeres 7:2 folgen. Auf beiden Seiten agierten selbstverständlich Vollprofis. Aber hier spielten in der überschaubaren Skagerak-Arena vor 12.000 Besuchern „normal“ verdienende Profis, in der Dortmunder High-Tech-Arena vor 65.000 Besuchern hochdotierte Stars.

Es hat sich hier um den Versuch einer bescheidenen Bestandsaufnahme allgemeiner Art gehandelt. Wie wird die europäische Fußball-Landschaft in vielleicht zehn Jahren aussehen? Werden bei einem Marco Reus oder einem Mesut Özil oder welchem ehemaligen Superstar auch immer, die heute millionenschwere junge Männer sind, wenn sie dann als Experten bei Fernsehsendern auftreten, die weiter hochgeschnellten Transfersummen und Gehälter zu Schwindelanfällen führen? Warten wir auf das, was kommen wird.

Erläuterung zur Bildserie: Beschaulichkeit und Überschaubarkeit im wirtschaftlich öl- und gasreichen Wikingerland Norwegen. Die Fußballwelt bei den Nordmännern eher bescheiden, aber dennoch mit Begeisterung wie beim Stabaek IF, dem nach 22 Spielen aktuellen Zweiten der ersten Profiliga, der Eliteserien. Impressionen aus dem maroden Nadderud-Stadion (Kapazität 10.000).