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Frauen-Trainer Niko & Christos Arnautis: „Wir sind Eintracht Frankfurt“

Die Arnautis-Brüder haben in Frankfurt eine klare Vision und Zielrichtung. Niko (links) und sein Bruder Christos. (Foto: Eintracht Frankfurt)

Eintracht Frankfurt hat eine weitere Bundesliga-Mannschaft: das Frauen-Team. Die beiden Trainer-Brüder Niko und Christos Arnautis sprechen über das verlorene Pokalfinale und glückliche Zufälle, über die Wertschätzung der Eintracht Frankfurt Fußball AG für die Adlerträgerinnen und über die Fusion mit dem 1. FFC Frankfurt.
 

Fußballer, Lehrer, echte Frankfurter: Das sind Niko (41) und Christos Arnautis (37). Die Brüder sind seit der Fusion des siebenmaligen Deutschen Meisters, viermaligen Champions League-Siegers und neunfachen DFB-Pokalsiegers 1. FFC Frankfurt (der 1998 aus der SG Praunheim hervorgegangen war und zu einem der erfolgreichsten Frauenfußballvereine Europas wurde) und der Eintracht am 1. Juli 2020 sportlich mitverantwortlich für die neue Eintracht-Profimannschaft. Und das in klar verteilten Rollen: Niko, der vom 1. FFC kam, ist Cheftrainer. Christos, der zuletzt in der Regionalliga Südwest beim FC Gießen tätig war, ist zusammen mit Kai Rennich Co-Trainer. Beide haben eine Eintracht Vergangenheit als Jugendtrainer (2014 bis 2016, Christos bis 2017). Und beide haben ein Ziel: Den traditionsreichen Frauenfußball-Standort Frankfurt, für den unter anderem die Welt- und Europameisterinnen Steffi Jones, Nia Künzer und Birgit Prinz stehen, wieder als Zentrum des deutschen Frauen- und Mädchenfußballs zu stärken. Über ihre Werdegänge, glückliche Umstände im Sportleben und eigene Ansprüche sprechen die sympathischen Fußballtrainer mit den griechischen Wurzeln im flw24-Interview. 

 

flw24: Die Arnautis-Brüder … klar, da klingelt bei vielen Fußballfans etwas. Aber, viele Leser*innen wollen Euch sicher erst einmal kennenlernen. Wie war Euer fußballerischer Werdegang? 

Niko Arnautis: Groß geworden bin ich in Hattersheim beim SV in der Jugend. Im A-Jugendalter sowie im Seniorenbereich habe ich dann in der Landes- und in der damaligen Oberliga für Rot-Weiss Frankfurt, den VfB Unterliederbach und den FSV Frankfurt gespielt und stand kurz vor einem Wechsel nach Griechenland in die 2. Liga.   

Christos Arnautis: Meine Stationen waren ebenfalls der SV Hattersheim, der SV Kriftel 07, Rot-Weiss Frankfurt und verschiedene andere Vereine im Main-Taunus-Kreis.

„Wir haben schon als Fußballer im Team eine Trainerrolle übernommen“

 

flw24: Das klingt nach einer hochklassigen Amateurfußball-Karriere ohne Profi-Ambitionen. Wie wird man dann Trainer in der Frauen-Bundesliga?

Niko Arnautis: Es gibt auf jedem Niveau Spieler, die schon in der aktiven Zeit entscheiden, Trainer werden zu wollen. Sie nehmen dann im Team als Spieler eine entsprechende Rolle ein und zeigen auf dem Platz ein ähnliches Denken wie Trainer. Unser Trainer in Unterliederbach, Jürgen Menger (Anm. der Red.: unter anderem Trainer in Diensten des RSV Würges zwischen 2003-2008), hat mich früh in dem Vorhaben unterstützt. 

Christos Arnautis: … so haben wir beide noch zu Spielerzeiten einen Trainerschein gemacht. 

Niko Arnautis: Bei mir kam zudem ein sehr glücklicher Umstand dazu: Nach meinem Studium der Sportwissenschaften an der Goethe-Universität wollte ich eigentlich promovieren. Ich saß eines Tages genau in dem Moment im Büro meines Dozenten Ulrich Frick, als das Telefon klingelte. Der Hessische Fußball-Verband suchte dringend einen Trainer für das Mädchenfußball-Projekt an der Carl-von-Weinberg-Schule, einer Eliteschule des Sports und des Fußballs, in Goldstein. Als ich das Büro verließ, war ich ein Lehrertrainer im Quereinstieg.       

flw24: Niko, Du bist dann - fast vorprogrammiert - 2016 zum FFC als Trainer der 2. Mannschaft in der Zweiten Bundesliga gestoßen und hast 2017 den Cheftrainerposten in der 1. Liga übernommen. 2019 wurde Dein Vertrag verlängert. Und durch die Fusion bist Du nun wieder ein Adlerträger. Wie und warum kam es zur Fusion des FFC und der Eintracht? Was blieb FFC, was wurde Eintracht? Gibt es Synergien oder eher Reibungspunkte? 

 

„Siggi Dietrich als Generalbevollmächtigter in der Fußball AG steht für Kontinuität“

 

Niko & Christos Arnautis:  Wie und warum es zur Fusion kam, darüber ist ja hinlänglich berichtet worden in den Medien. Axel Hellmann hat das in einem HR-Interview sehr gut dargestellt. Die Fusion wurde auf den Führungsebenen auf beiden Seiten, beispielsweise von Siggi Dietrich, Axel Hellmann und Fredi Bobic, sehr besonnen und strategisch geplant, vorangetrieben und umgesetzt. Das neue Dach, unter dem wir jetzt spielen und uns und den Verein präsentieren, ist die Eintracht Frankfurt Fußball AG. Siggi Dietrich, wie wir alle wissen einer der Macher des 1. FFC, steht als Generalbevollmächtigter für den Frauenfußball in der AG für Erfolg und Kontinuität. Das gilt auch für unsere Spielstätte, das Stadion am Brentanobad, wo wir ja auch weiterhin spielen. Auf allen Ebenen bekommen wir Unterstützung und sind in der Adler-Familie hervorragend aufgenommen worden: Wir sind jetzt Eintracht Frankfurt. Aber es geht im Kern um den Frauenfußball-Standort Frankfurt. Der FFC hat unter anderem das Frauenprofifußball-Know-How mitgebracht, und nun profitieren wir von den Strukturen und der Erfahrung der Eintracht – eine Win-Win-Situation. Dazu zählt ja auch das gesamte Trainerteam mit Kai Rennich als weiterem Co-Trainer, Marcel Schulz als Torwarttrainer, unseren beiden Athletiktrainern Fabian Meier und Torsten Schröder sowie der gesamte Staff, die uns insgesamt helfen, professionell zu agieren.  

flw24: Welches Ziel verfolgt die Eintracht Fußball AG mit dem Frauenfußball im Profibereich? 

Niko & Christos Arnautis: Die Eintracht steht für Spitzen- und Breitensport in vielen Sportarten. Sie steht für Jugendfußball auf höchstem Niveau. Und sie steht natürlich für den Profifußball – jetzt eben für beide Geschlechter. Es geht also auch um Frauen- und Mädchenfußball in der Breite und in der Spitze. Und damit geht es um gesellschaftliche Werte und um Signale in die Gesellschaft: Nämlich, dass Mädchen und Frauen auch im Spitzenfußball gefördert werden. Dass wir Menschen zusammenbringen und integrieren. Und dass wir Werte vertreten und vermitteln, bis in die Schulen.    

 

„Ich habe mir das Pokalfinale noch nicht angesehen“

 

flw24: Ihr seid gerade im Trainingslager zur Vorbereitung auf die Saison, die Ende August beginnt. Anfang August gab es ein Testspiel gegen RB Leipzig, davor wart ihr in Frankreich zum Test gegen Girondins Bordeaux. Sind die Bedingungen, unter denen die Adlerträgerinnen trainieren und spielen, Profibedingungen? Und hat die Corona-Pandemie daran etwas geändert?

Niko & Christos Arnautis: Auf jeden Fall arbeiten wir unter Profibedingungen. Wir trainieren fast jeden Tag. Unsere Spielerinnen sind Profis, wenngleich einige natürlich nebenbei studieren oder noch zur Schule gehen. Und natürlich beschäftigen sich die Spielerinnen immer auch mit einem Plan B und mit dem Leben nach der Karriere. Wir stellen ja auch zahlreiche Nationalspielerinnen ab, zuletzt unsere Brasilianerin Letícia Santos für die Olympischen Spiele in Tokio. Wir alle sind Profis und haben beste Bedingungen. Während Corona hatten wir als Profimannschaft das Glück, trainieren und Fußball spielen zu dürfen. Wir sind uns bewusst, in einer privilegierten Situation gewesen zu sein. 

flw24: Welche Privilegien meint Ihr?   

Niko & Christos Arnautis: Wir durften auch während der pandemiebedingten beiden Lockdowns unserer Arbeit nachgehen. Wenn auch unter schwierigen Bedingungen. Das muss man zu schätzen wissen.

flw24: Pokalfinale in Köln. Verlängerung. Überzahl. Der übermächtige VfL Wolfsburg. Und dann: 0-1, kurz vor Schluss. Habt ihr das schon verdaut?

Christos Arnautis: Also, ich habe mir das Spiel noch nicht komplett in der Wiederholung angeschaut. Bei uns richtet sich der Blick nach vorne, wir können stolz auf die Leistung sein und haben aus diesem Auftritt alle Kraft für die Zukunft gezogen.

             

„Axel Hellmann hat uns das Gefühl gegeben: Ihr seid Eintracht Frankfurt“

 

flw24: Was auffiel, war das große Interesse im Vorfeld sowie die Berichterstattung nach dem Finale in den und über die Social-Media-Kanäle der Eintracht. Man hatte das Gefühl, da wird ein neues Adler-Flaggschiff präsentiert. Wie habt ihr das Interesse empfunden?

Niko & Christos Arnautis: Also, es war ein tolles Erlebnis für alle, die in Köln dabei waren. Und dazu gehörte beispielsweise Aufsichtsratschef Philip Holzer und der AG-Vorstand, der generell ein großes Interesse an uns zeigt und den Austausch fördert. Vorstandssprecher Axel Hellmann und Präsident Peter Fischer haben uns rund um das Spiel das Gefühl gegeben: Ihr repräsentiert die Eintracht, ihr seid Teil von Eintracht Frankfurt. Und wir hatten, so viel darf ich verraten, einen am Ende mit Stolz erfüllten Abend im Hotel, trotz der Niederlage.   

 

 „Wir haben hier ein ambitioniertes Projekt: Man kann zwei Adler auf dem Trikot tragen“


flw24: Niko, Du hast bis 2024 verlängert. Wie sind Eure sportlichen und persönlichen Ansprüche und Zielsetzungen für die Saison 2021/22 und für die nahe Zukunft?

Niko & Christos Arnautis: Über den Frauenfußball-Standort Frankfurt haben wir uns bereits ausgelassen. Wir wollen hier ein längerfristig angelegtes Projekt verfolgen: Die Förderung junger Spielerinnen, die teilweise ja auch einen anderen Adler – den des DFB – auf dem Trikot tragen und bereits Nationalspielerinnen sind oder werden können. Wir wollen Gesichter entwickeln, diese zu gereiften Spielerinnen und Persönlichkeiten weiterbilden. Darüber hinaus ist es ein Ziel, attraktiven Offensivfußball zu präsentieren und die Eintracht mit ihren Werten entsprechend zu vertreten. Und: Ein weiteres Pokalfinale ist ebenfalls ein realistisches Ziel, Frankfurt hat eine Pokaltradition. Und es wäre schön, wir hätten bald wieder Zuschauer im Stadion am Brentanobad bei den Spielen.        


Das Interview für flw24.de führte Alex Reichwein. 


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