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Dem Bäckerhandwerk entsagt und die Hände woanders eingesetzt

Bernd Fuhr. Foto: Claus Coester

Das Interview mit Bernd Fuhr (BF) wurde geführt am 16.11.2018 in Heistenbach (Diez).

flw24: Hallo Bernd, jetzt hat’s ja endlich mal geklappt mit unserem Gespräch. Was lange währt, wird endlich gut.

BF: Ja, lass uns loslegen.

flw24: Es gibt sicher viel zu erzählen. Ich starte mal in Deiner Frühzeit. Weißt Du, was Du Rudi Völler altersmäßig voraus hast?

BF: Klar, wenn die Geburtstage so dicht beieinander liegen, hat man das natürlich im Hinterkopf. Rudi ist am 13.04.1960 geboren. Da habe ich zwei Tage Vorsprung.

flw24: Wie war das damals mit Euch jungen Burschen in Offenbach?

BF: Rudi kam ja aus Hanau und war schon da. Nach meinem Wechsel von meinem Stammverein VFL Freiendiez spielten wir beim OFC zunächst in der A-Jugend. Ich war im erweiterten Kader der Schülernationalmannschaft. Mit Rudi habe ich in einer solchen Auswahl nicht zusammen gespielt.

flw24: Was heißt Schüler?

BF: Ja, wir waren ja 16 bis 17 Jahre alt. Und da hieß das so. Die Namen U18, U17 usw. gab es noch nicht.

flw24: Wie kam der Wechsel von Freiendiez zum Bieberer Berg überhaupt zustande? Scouts im heutigen Sinne gab es ja noch nicht.

BF: Naja, so ausgeprägt wie heute natürlich nicht, wo ein ganzes Heer überall unterwegs ist. Das passiert ja heute professionell. Aber irgendwelche Späher waren auch damals schon da.

flw24: Und wer hat Dich erspäht?

BF: Nun, ich spielte als Jugendlicher in der Rheinlandauswahl. Und da kommen ja auch schon mal ein paar Leute gucken. Jedenfalls wurde die Verbindung hergestellt. In Offenbach spielte ich dann eben auch Hessenauswahl und rückte wie eben erwähnt in den erweiterten Kreis der Schülernationalmannschaft.

flw24: Hat Dein Stammverein denn beim Wechsel an den Main auch eine Scheibe bekommen?

BF: Ja, der VFL bekam damals 5000 DM.

flw24: Lass uns kurz über Deine Ausbildung zum Torwart sprechen. Hattest Du einen speziellen Torwarttrainer und wer war Dein Vorbild?

BF: Einen speziell ausgebildeten Torwarttrainer, der sich nur um diese Position kümmerte, hatte ich weder in der Jugend noch bei den Profis. Der Trainer oder die Spieler schossen auf die Kiste oder flankten. So ausgeprägt wie heute mit hauptamtlichem Torwarttrainer, meist einem ehemaligen Profitorwart, war das vor 30 bis 40 Jahren nicht. Natürlich machten wir Torhüter unsere speziellen Übungen. Aber heute hast du auf dem Trainingsplatz einen ganzen Stab von Leuten rumlaufen.

flw24: Und wer war Dein Held?

BF: Als ich Bub war, hing ein großes Poster von Petar Radenkovic von 1860 München in meinem Zimmer.

 

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flw24: Der machte doch die Riesenausflüge bis zur Mittellinie.

BF: Richtig. Später dann Uli Stein, den ich auch für den besseren Keeper als Harald Schumacher hielt. Nur der eine hat den Mund aufgemacht und den Beckenbauer als Kasper bezeichnet, der andere hat sich besser verkauft.

flw24: Okay. Wie war das jetzt beim OFC im Übergang zu den Senioren?

BF: Ich war im ersten Jahr als Amateur verpflichtet und bekam dann einen Profivertrag. Wir spielten ja in der zweiten Bundesliga. Im zweiten Offenbacher Jahr erfolgte dann die Wachablösung. Ich wurde als Nachfolger von Bernd Helmschrod die Nummer 1. Unser Trainer Franz Brungs baute auf mich und gab mir das entsprechende Vertrauen.

"Karlsruhe nahm damals viel Geld in die Hand"

flw24: Deine erste Phase in Offenbach bei den Senioren dauerte drei Jahre. Es folgten fünf Jahre in Karlsruhe. Dein Wechsel zum KSC hatte ja dann eine besondere finanzielle Note.

BF: Du spielst auf die Transfersumme an. Karlsruhe nahm damals viel Geld in die Hand und überwies 570.000 DM zu den Kickers.

flw24: In aller Bescheidenheit, noch nie war in Deutschland eine derartige Summe für einen Torwart bezahlt worden. Damit hast Du für eine bestimmte Zeit den Rekord der deutschen Torwarttransfers inne verloren.

BF: Offensichtlich war ich das dem neuen Verein wert.

flw24: Umso erstaunlicher war die geringe Anzahl Deiner Einsätze in den ersten zwei Jahren. Wie ist das zu erklären?

BF: Ich wurde als junger Torwart geholt für Rudi Wimmer. Der war in Karlsruhe so etwas wie ein Denkmal. Rudi war vorher bei Kickers Offenbach gewesen und hatte, als ich kam, in Karlsruhe mehr als 400 Spiele auf dem Buckel.

flw24: Das ist ja eine Hausnummer. Und Du solltest ihn beerben. Denn sonst gibt man ja nicht mehr als eine halbe Million für einen Keeper aus.

BF: Sollte man meinen. Aber unser Trainer Manfred Krafft, dessen Wunschtorhüter ich ja auch war, setzte zunächst noch weiter auf Rudi, obwohl Rudi selbst meinte, ich solle spielen. Jedenfalls förderte und motivierte Manfred Krafft mich nicht. Das ist eigentlich unverständlich. Aber Klaus Theiss ging es nicht anders. Ich kann sagen, dass Kraft es geschafft hat, mich in kurzer Zeit vom Bundesligatorwart zum Kreisligatorwart herabzuziehen. Das sagt ja alles.

flw24: Das ist eine deutliche Sprache. Dennoch bist Du dann in der dritten Saison durchgestartet.

BF: Ja, es gab den Abstieg des KSC in die zweite Bundesliga. In meiner ersten vollen Saison spielte ich dann alle 38 Punktspiele und wir stiegen zusammen mit Schalke wieder auf.

flw24: Und leider gleich wieder ab.

BF: Ja, so war es. Es folgte noch ein Jahr beim KSC in der zweiten Bundesliga, in dem ich komplett durchspielte.

flw24: Und dann bist Du zurück zum Bieberer Berg gewechselt. Die Kickers waren in die dritte Liga, die Oberliga Hessen abgestürzt. Alte Liebe?

BF: Da gibt es verschiede Gründe. Erstens hatte ich ein gutes Verhältnis zum OFC. In Karlsruhe wurde das Geld knapp. Und die Offiziellen des OFC, d.h. namentlich der Präsident Waldemar Klein bemühten sich um eine starke Mannschaft. Die Kickers sollten ja so schnell wie möglich wieder hoch.

"Der OFC baute eine starke Mannschaft zusammen"

flw24: Das gelang ja dann auch durch den direkten Aufstieg. Aber Dein Beruf war doch Fußballer. Da geht man als Profi doch nicht so mir nichts dir nichts in die dritte Liga. Gab es keine anderen Möglichkeiten?

BF: Doch. Ich hatte die Option Nürnberg. Aber der OFC baute eine starke Mannschaft zusammen. Dieter Müller kam von Bordeaux zurück. Und so spielten wir erfolgreich, auch im DFB-Pokal. Ich einigte mich also mit den Kickers. Andreas Köpke wurde Torwart beim 1. FC Nürnberg.

flw24: Wer liegt denn von den vielen Trainern, die Du hattest, im Ranking ganz oben?

BF: Das ist schwierig. Also Manfred Krafft jedenfalls nicht. Nun,  fachlich war sicher Lothar Buchmann außergewöhnlich gut. Franz Brungs war, wie er mit den Spielern umging, bestimmt eine sehr positive Erscheinung. Mir hat er auf jeden Fall den Rücken gestärkt.

flw24: Gab es außer Nürnberg zwischendurch andere Interessenten?

BF: Ja. Leverkusen und HSV.

flw24: Die Spielzeiten 87/88 und 88/89, die dem Aufstieg aus der Oberliga Hessen folgten, waren für Dich ja außerordentlich erfolgreich. Von 76 möglichen Punktspielen hast Du 75 bestritten. Mehr geht ja kaum.

BF: Ja, wir hatten als Aufsteiger gleich einen einstelligen Tabellenplatz, im zweiten Jahr standen wir am Ende immerhin auf einem Nichtabstiegsplatz.

flw24: Und dann kam die Insolvenz mit dem erneuten Abstieg in die Oberliga Hessen.

BF: Richtig. Ich hängte ein Jahr bei den Kickers dran, um dann in die zweite Bundesliga nach Münster zu wechseln. Es folgte dort schnell der Abstieg und ich hatte einen Zweijahresvertrag für die zweite Liga.

flw24: Das Ende in Münster war dann etwas konfus. Kannst Du das etwas erläutern?

BF: Wie gesagt, hatte ich einen Zweijahresvertrag und da ergab sich die Frage der Reamateurisierung, wenn ich in der dritten Liga irgendwo spielen sollte. Lothar Buchmann wollte mich in der Saison dann für Egelsbach haben. Vom RSV Würges kontaktierte mich Dirk Krämer. Irgendwie haben sich die Vereine dann geeinigt und ich wurde für 5.000 DM von Münster abgelöst. Das Arbeitsgericht hat dabei auch eine Rolle gespielt.

flw24: Im Herbst Deiner Karriere warst Du dann also wieder in der Oberliga Hessen, in der gerade der RSV Würges spielte.

BF: So ist es. Würges hatte leider ein zu dünnes Punktekonto, so dass wir am Ende wieder in die Landesliga abstiegen.

flw24: Über Deine Trainerkarriere wollen wir jetzt nicht sprechen. Vielleicht erinnerst Du Dich an das eine oder andere Highlight.

 

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BF: Da gab es schon einige. Kickers Offenbach ist ja bekannt als erfolgreiche Pokalmannschaft.

flw24: Erzähle bitte.

BF: Im DFB-Pokal 1989/90 haben wir nach dem 1:1 nach Verlängerung dann im Wiederholungsspiel beim MSV Duisburg 1:0 gewonnen und kamen in Halbfinale. Bei Duisburg spielte auch Ewald Lienen mit.

flw24: Wer schoss das goldene Tor?

BF: Ralf Haub. Im Halbfinale sind wir gegen den 1. FC Kaiserslautern ausgeschieden mit 0:1. Bei Lautern war alles an Bord: Bruno Labbadia, Stefan Kuntz usw. Kaiserslautern wurde dann gegen Werder Bremen Pokalsieger.

flw24: Bernd, ein buntes Fußballerleben ist das ja. Was hat Dir der Fußball gegeben? Licht und Schatten?

BF: Das Licht überwiegt bei Weitem. Meine Laufbahn war für mich die beste Lehre fürs Leben. Im Jugendbereich hast du schöne Erlebnisse. Den Übergang zum Profidasein muss man natürlich gut organisieren. Es hätte schlechter kommen können. Unterm Strich war es eine Superzeit. Natürlich gibt es auch die Schattenseite. Beide Hüftgelenke mussten erneuert werden. Der Rücken ist arg strapaziert. Deswegen habe ich ja mit dem Leistungssport für einen Torwart relativ früh aufgehört. Aber trotz allem: Ich bedaure nichts.

flw24: Bernd, vielen Dank für den Einblick in Dein sportliches Leben. Ich wünsche Dir alles Gute.