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"Sauer-Zeit" war ein besonderes Highlight

Wilfried "Mike" Mehr ist seit 2004 1. Vorsitzender des SV Hausen. Nach der Gründung des FC Waldbrunn 2015 wählte die Versammlung ihn zum 1. Vorsitzenden. Foto: Claus Coester

Interview mit Wilfried (Mike) Mehr, geführt am 22.08.2017 in Dauborn.

flw24: Mike, lass uns eingangs über Deinen Namen rätseln. Alle Welt kennt Dich nur als Mike. Was steckt dahinter?

MM: Im Pass steht Wilfried. Aber solange ich denken kann, wurde ich immer Mike genannt. Mein Spitzname also.

flw24: Ich würde sagen „Markenname“. Mit Hausen bist Du seit ewigen Zeiten verbunden, kommst aber aus dem benachbarten „Ausland“ Rheinland-Pfalz.

MM: Ja, Neunkirchen, das liegt gerade um die Ecke drei Kilometer von Hausen entfernt und hat rund 500 Einwohner. Dort  habe ich als Kind auch mit dem Fußball angefangen. Mein Vater war 1958 der Initiator für die Gründung des TSV Neunkirchen.

flw24: Und wie kam es zum Wechsel nach Hausen?

MM: Der kam 1974. Nach einem Auswahlspiel haben die Hausener mich gefragt. Für vier Jahre blieb ich, um dann wiederum als Spielertrainer nach Neunkirchen zu wechseln. Wir schafften gleich den Aufstieg aus der B-Liga in die A-Liga.

"Vier Jahre sportlicher Leiter bei SF Eisbachtal"

flw24: Nach Deiner aktiven Zeit begann die bis heute andauernde ehrenamtliche Tätigkeit als Amtsträger, aber nicht immer bei Hausen/Fussingen.

MM: Das ist richtig. In Neunkirchen war ich 1. Vorsitzender des TSV, Anfang der 1990er Jahre rund vier Jahre sportlicher Leiter bei SF Eisbachtal. Wir spielten damals Oberliga Südwest. Unser Cheftrainer war Ex-Nationalspieler Matthias Herget.

flw24: Wann war denn in Deiner Ämterlaufbahn der Startschuss bei Hausen/Fussingen?

MM: Seit 2004 bin ich bis heute Vorsitzender des SV Hausen. Nach der Gründung des FC Waldbrunn 2015 wählte mich die Versammlung zum 1. Vorsitzenden. In diesem Jahr schenkten mir die Mitglieder erneut das Vertrauen.

flw24: Mit der Gründung des FC Waldbrunn wurde ein bedeutender Schritt für die beteiligten Vereine Hausen, Fussingen, Lahr, Hintermeilingen und Ellar getan. Da musste ja vieles unter einen Hut gebracht werden.

MM: Das ist in der Tat keine Selbstverständlichkeit. Aber wir sahen die Notwendigkeit des Zusammenschlusses. Und ich glaube, es ist uns gelungen, weil hier viele vernünftige Leute am Werk sind. Das fällt ja nicht alles vom Himmel. Um richtige Entscheidungen muss man manchmal auch vernünftig ringen.

flw24: Wie war das vorher, als Ihr noch allein ward?

MM: Auch da haben wir immer einen vernünftigen Weg beschritten. Erfolgreiche Vereinsarbeit ist ja immer ein Zusammenwirken von vielen Kräften. Ich möchte mich an dieser Stelle einmal für das große Engagement in all den Jahren bei allen bedanken, die ihren wichtigen Beitrag zum Erfolg geleistet haben. Und wenn ich stellvertretend zwei „graue Eminenzen“ wie Wilfried Hömberger oder Josef Pötsch nenne, so möchte ich eine Reihe von hier nicht ausdrücklich genannten Sportkameraden in diesen Dank miteinbeziehen.

flw24: Mike, wer Dich kennt, weiß, dass Du immer Dein Ohr am Puls des Vereins hast. Du hast das Fußballvirus in Dir.

MM: Das kann man so sagen. Fußball ist neben meiner Firma ein wesentlicher Faktor in meinem Leben bis heute. Ich fiebere beim Spiel mit. Vielleicht bin ich im Laufe der Jahre etwas ruhiger geworden. Aber mit dem Herzen bin ich immer dabei. Ich versuche nach Möglichkeit keinen Trainingsabend zu verpassen. Dann habe ich ja auch einen Eindruck von den Spielern und kann vielleicht mal das eine oder andere äußern. Außerdem hält mich der Kontakt mit den jungen Leuten jung.

"Wir werfen unsere Pfunde in die Waagschale"

flw24: Der FC Waldbrunn hat ja seit der Gründung mit Deinem Sohn Christian und Steffen Moritz ein gleichberechtigtes Spielertrainer-Duo. Das gibt es ja auch nicht so häufig. Wie funktioniert das?

MM: Offensichtlich gut. Aber ich bin auch kritisch. Und gegenüber meinem Sohn besonders. Wir haben nach dem Gründungsjahr den Aufstieg in die Verbandsliga geschafft und die Klasse gehalten. Das ist nicht einfach. Wir dürfen nicht vergessen, wir sind ein Landverein. Wir dürfen uns auch nicht mit den städtischen Vereinen wie Marburg oder dem einen oder anderen Klub aus Rhein/Main vergleichen. Wir sind eben der FC Waldbrunn und versuchen, uns auf unsere Weise den Respekt bei unseren Gegnern zu verschaffen

flw24: Was bedeutet das?

MM: Wir werfen unsere Pfunde in die Waagschale, d.h. fußballerisch kommen wir mehr über den Kampf. Das war hier immer so. Dazu unsere Umgebung: Unser Waldsportplatz in Fussingen z.B. muss immer ein Plus sein und natürlich unser heimisches Publikum, dessen Atem die Spieler spüren. Dessen Wirkung sollten wir hervorheben. Die Gastmannschaften sollen, wenn sie in den Westerwald kommen, den nötigen Respekt vor uns haben.

flw24: Blättern wir im Geschichtsbuch des Vereins mal etwas zurück. Vor Jahren war Michael Sauer als Spielertrainer bei Euch. Das war für die Öffentlichkeit schon eine Überraschung. Wie war es dazu gekommen und welche Bedeutung hat die Sauer-Zeit für den Verein?

MM: Mein Sohn Christian hatte ja eine Zeit lang beim SV Wehen gespielt. So kam die Verbindung zustande. Michael stand dort am Karriereende und ich habe ganz einfach bei ihm angefragt. Das erschien zunächst ungewöhnlich, von Wiesbaden zu den Trainingsabenden in den Westerwald zu fahren. Aber es wurden ein paar tolle Jahre für den Verein.

Die „Sauer-Zeit“ war ein besonderes Highlight

flw24: Kannst Du das etwas erläutern?

MM: Nun, Michael war als ehemaliger Profi, der außer seinen langen Jahren auf dem Halberg auch etwa zwei Jahre in der 2. Bundesliga bei Mainz 05 gespielt hat, natürlich eine besondere Attraktion für uns. Michael gelang es, aus den etablierten und den jungen Spielern ein gutes Team zu formen, das nicht mehr nur um den Klassenerhalt spielte. Und über die außergewöhnliche Schussgewalt von Michael muss ich ja nicht reden. Es kamen tatsächlich Zuschauer nicht nur zu den Spielen, sondern auch zum Training, nur um seine besonderen Schüsse zu bewundern.

flw24: Also stellt die „Sauer-Zeit“ ein besonderes Highlight unter den nicht wenigen des Vereins dar?

MM: Würde ich schon sagen. Ich wollte sie nicht missen.

flw24: Mike, welche besonderen Höhepunkte und Tiefpunkte fallen Dir spontan ein?

MM: Lass mich überlegen. Da gab es ja doch einige. Auf jeden Fall die Saison mit dem ersten Aufstieg in die Verbandsliga unter Herbert Leus, wenn es auch nur ein einjähriges Abenteuer war und wir uns von Hubi Leus bald trennen mussten. Und natürlich unser Aufstieg als FC Waldbrunn und der Verbleib in der Verbandsliga.

flw24: Tiefpunkte?

MM: Die gab es. Aber man vergisst ja auch. In der Saison 2014/15 gab es allerdings einen bitteren Tag, als wir in Wallrabenstein mit einer ganz desolaten Leistung untergingen. Der ist mir heute noch präsent und da musste ich mit mir ringen. Mein Sohn Christian war der verantwortliche Spielertrainer und ich glaubte, wir müssten die Reißleine ziehen. Das hätte dann bedeutet, meinen eigenen Sohn zu entlassen. Und ich war dazu bereit, es im Sinne des Vereins zu tun.

“Mach langsam. Wir schaffen das.“

flw24: Aber?

MM: Auf der Heimfahrt haben mich Jörg Guckelsberger und Georg Dietl überzeugt, noch einmal darüber zu schlafen. Sie sagten: “Mach langsam. Wir schaffen das.“ Sie sollten Recht behalten.

flw24: Hast Du Deinen Sohn eingeweiht?

MM: Ja, natürlich. Man muss doch in solchen Dingen immer offen miteinander umgehen.

flw24: Mike, darf ich Dich abschließend bitten, etwas über die Entwicklung des heutigen Fußballs sowohl bei den Amateuren als auch bei den Profis zu sagen?

MM: Also ich bin nicht der, der sagt: “Früher war alles besser.“ Aber manches in der Entwicklung in den letzten Jahren gefällt mir nicht. Das geht schon in der Jugend los. Mehmet Scholl hat mit seiner Kritik nicht Unrecht, dass alles zu einer Wissenschaft gemacht wird. Lasst die Kinder doch Fußball spielen und steckt sie nicht in Schablonen. Und die Väter, die aus ihren Kindern alle kleine Schweinsteigers machen wollen. Das geht mir zu weit. Und noch etwas: Bei vielen jungen Leuten, aber auch bei verantwortlichen Funktionären gilt ein gegebenes Wort nicht mehr. Du hast die Zusage für die neue Saison und kannst Dich nicht mehr drauf verlassen. Es kommt jemand und macht irgendwelche Versprechungen. Und schon fällt er um. Das ist mehr als bedauerlich.

flw24: Und die Profis?

MM: Eine Überkommerzialisierung. Das erleben wir doch jeden Tag. Es geht immer mehr ums Geld. Es muss doch nicht interessieren, welches Aftershave ein Fußballstar nimmt. Was auf dem Platz passiert, ist wichtig.

flw24: Aber Interesse am großen Fußball ist noch bei Dir noch vorhanden?

MM: Das schon. Aber ins Stadion zieht es mich nicht mehr. Auf Einladung eines guten Freundes war ich allerdings noch einmal bei einem Bundesligaspiel in Mainz. Nach 25 Jahren wieder einmal. VIP-Loge und so. Aber ich muss ehrlich sagen: So richtig wohlgefühlt habe ich mich nicht. Das ist nicht meine Welt.

flw24: Mike, ich darf mich herzlich für Deine Offenheit und Geduld bedanken und Dir persönlich und natürlich Deinem Verein alles Gute wünschen.