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„Bevor ich ins Tor kam, war ich Linksaußen“

flw24-Interview mit Lars Ziemer

Lars Ziemer (li.) im Gespräch mit flw24-Redakteur Timm Henecker.

Unser heutiger Gesprächspartner gehörte zu seiner aktiven Zeit zu den besten Torhüter im Fußballkreis Limburg-Weilburg. Viele Jahre hütete der aus Oberbrechen stammende Lars Ziemer das Tor des RSV Weyer in der Gruppenliga Wiesbaden. Heute ist der 42-jährige, der im bürgerlichen Leben im Personalbereich bei Provadis im Industriepark Höchst arbeitet, als Torwart-Trainer für den hessischen Fußballverband unterwegs. Zudem trainiert der 1,92-Hüne auch die Torhüter des A-Ligisten FSG Dauborn/Neesbach und steht, wenn es die Zeit zulässt, im Tor der Alten Herren seines Heimatvereins TSG Oberbrechen. Sein Vorbild auf der Keeper-Position war früher Andreas Köpke, die langjährige Nummer 1 seines Lieblingsvereins 1. FC Nürnberg. Wir haben mit dem zweifachen Familienvater über seine aktive Laufbahn zwischen den Pfosten, seine Lieblingsgegner auf dem Platz und seine heutige Tätigkeit als Torwarttrainer gesprochen.

flw24: Hallo Lars, kannst du den flw24-Lesern mal die Stationen deiner aktiven Karriere nennen?

Lars: Begonnen habe ich mit dem Fußballspielen bei der TSG Oberbrechen, im zweiten Jahr C-Jugend bin ich dann zur SG Höchst gewechselt und habe dort bis zur A-Jugend gekickt. Mit Höchst haben wir in der Hessenliga gespielt u.a. gegen Mannschaften wie Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach oder Hessen Kassel.  Nach der A-Jugend bin ich dann zum VfR Limburg 19 gewechselt, der damals in die Oberliga Hessen aufgestiegen ist und somit die beste Adresse im Landkreis war. Limburg 19 hatte mich als damals 18-Jährigen unter dem damaligen Trainer Michael Blättel als dritten Tormann verpflichtet. Dort spielten seinerzeit neben Michael Blättel auch Fußball-Koryphäen wie Ali Cakici, Norbert Hönnscheidt oder Ronny Weimer. Das war eine super Truppe und eine tolle Erfahrung für mich als Jungspund.

flw24: Bist du dann auch schon in jungen Jahren in der Oberliga zum Einsatz gekommen?

Lars: Nein, nicht wirklich. Anfangs saß ich als Nummer zwei auf der Bank, weil der etatmäßige Reserve-Torhüter gesperrt war. Allerdings bekam ich nie die Möglichkeit zu spielen, außer bei einem Freundschaftsspiel gegen Eintracht Frankfurt. Die Eintracht hatte damals mit Tetra Pak denselben Sponsor wie wir und so kam es zu einem Freundschaftsspiel zwischen beiden Teams, wo ich zwischen den Pfosten stehen durfte. Das Spiel fiel damals in die kurze Amtszeit von Jupp Heynckes als Eintracht-Coach und sie spielten mit der legendären Truppe um Gaudino, Yeboah und Furtok. Bei der Eintracht stand übrigens Oka Nikolov im Tor und wir haben 0:6 verloren. Dennoch war es natürlich ein tolles Erlebnis gegen Eintracht Frankfurt,  abends unter Flutlicht vor 2000 bis 3000 Zuschauern an der Lahnkampfbahn, zu spielen.

flw24: Das glauben wir dir aufs Wort. Was ist aus der Oberliga-Zeit hängen geblieben?

„Eckchen“ und „Alt gegen Jung“

Lars: An was ich mich noch gut erinnern kann ist, dass wir im Training meistens ein „Eckchen“ ausgespielt haben und danach ging es meist im „Alt gegen Jung“  um eine Kiste Bier. Das hat gefruchtet: wir haben die Saison im vorderen Mittefeld der Oberliga Hessen beendet, es war die beste Saison von Limburg 19.

flw24: Wie ging es dann für dich weiter?

Lars: Nach dem einen Jahr auf der Ersatzbank bei Limburg 19 bin ich für zwei Jahre zum RSV Weyer, dann für ein Jahr zum FCA Niederbrechen und danach in die Landesliga nach Wörsdorf gewechselt. Nach der Winterpause musste ich in Wörsdorf jedoch aufhören, weil ich beruflich zu sehr eingespannt und der Job so mit der Trainingsarbeit nicht mehr zu vereinbaren war. Ich habe dann ein halbes Jahr pausiert und bin in der neuen Saison schließlich wieder zum RSV Weyer gegangen, wo ich dann viele Jahre später meine Karriere auch beendet habe.

flw24: Was war das Besondere an deiner Zeit in Weyer?

„Als Gegenspieler mochte ich ihn nicht besonders“

Lars: In Weyer hatte ich stets starke Trainer, ich spielte dort unter Andy Schuy, Adem Bülbül, Friedel Müller und zuletzt Markus Schmiedl. Legendär waren in Weyer immer die „Kameradschafts-Abende“ donnerstags nach dem Training mit Mitspielern wie Mike Schuh und Konsorten.  Fußballerisch waren die Highlights die Duelle gegen Hausen/Fussingen (heute FC Waldbrunn) – da ging es immer heiß her und meistens flog mindestens einer von Platz. Den Markus Schmiedl habe ich als Gegner auf dem Platz zu seiner Fussinger-Zeit übrigens nicht wirklich gemocht und als es dann hieß er kommt als Spieler-Trainer zum RSV Weyer, da dachte ich nur „Oje“.  Aber als ich ihn dann näher kennenlernen durfte, hat sich herausgestellt, dass er ein Supertyp ist und zudem noch ein richtig guter Trainer. Wir haben uns super verstanden und eine richtig gute Zeit zusammen gehabt.

flw24: Kannst du dich auch noch an Gegenspieler erinnern, die du mit deinen Paraden zur Weißglut gebracht hast?

Lars: Da fällt mir spontan Peter Steinebach ein (Anmerkung der Red.: grinst), der heute mit Dir und mir zusammen in der AH der TSG Oberbrechen spielt. Peter ist meist an mir verzweifelt und hat es oftmals nicht geschafft, mich zu überwinden. Das haben wir dann nach den Spielen bei einem Bierchen immer lachend ausdiskutiert. Nur eines Tages hat er mit dem TuS Beuerbach in Weyer gespielt und dann doch zweimal getroffen. Das war aber auch das einzige Spiel an das ich mich erinnere, wo er gegen mich getroffen hat.

flw24: Was waren deine größten Erfolge als Spieler?

„Zweimal das Pokalfinale verloren“

Lars: Mit Weyer haben wir all die Jahre Gruppenliga gespielt, das war unser größter Erfolg, denn wir sind trotz großer Konkurrenz und einer stets hohen Anzahl an Absteigern nie abgestiegen. Zweimal standen wir darüber hinaus im Kreispokal-Finale. Einmal unterlagen wir nach 2:0-Führung noch mit 2:3 gegen den RSV Würges, Heiko Brands erzielte seinerzeit den entscheidenden Treffer für die Würgeser.  Und ein anderes Mal unterlagen wir nach schwacher Leistung als großer Favorit dem SV Elz mit 0:1, so hat es für mich leider nie zu einem Titel gereicht.

flw24: Kommen wir zu deinem Beruf – du arbeitest im Industriepark Höchst.

Lars: Ja, beruflich bin ich seit 25 Jahren bei Provadis tätig, der Aus- und Weiterbildungsstätte der ehemaligen Höchst AG, die es ja nicht mehr gibt. Wir sind ein Ausbildungszentrum für den ganzen Industriepark, aber mittlerweile auch für das ganze Rhein-Main-Gebiet. Pro Jahr suchen wir bis zu 400 Auszubildende. Ich bin dort in der Personalabteilung und wähle die Auszubildenden aus, mache Einstellungstest und führe Vorstellungsgespräche.

flw24: Also, alle flw-Leser, die sich nach Jobs oder Ausbildungsplätzen umschauen, können sich an dich wenden beziehungsweise sich auf der Internetseite von Provadis informieren. Die Zusammenarbeit mit jungen Menschen schlägt sich auch in deinem „Zweit-Job“ nieder, denn du bist zudem als Torwarttrainer beim hessischen Fußballverband angestellt. Wie kam es dazu und welche Torhüter betreust du da?

Lars: Ja, genau. Beim HFV bin ich seit 2012 als Torwarttrainer tätig. Ich hatte mich damals nach einem Hinweis von meinem  früherer Förderer Karl-Heinz Meister ganz normal auf die vakante Stelle beworben und den Job letztendlich nach einem Bewerbungsverfahren bekommen.

„Ich trainiere die Torhüter der U16-Hessenauswahl“

Aktuell bin ich im Trainerteam der U 16-Hessenauswahl  (speziell der Jahrgang 2002) und trainiere dort Torwart-Talente aus ganz Hessen. Die Trainingslehrgänge finden in der Sportschule Grünberg statt, meist an Wochenenden oder in den Ferien. Unter der Woche trainieren wir dann noch in den Regional-Einheiten. Letztens waren wir mit der U16 noch in Irland unterwegs und haben Freundschaftsspiele gegen irische Regionalauswahlen bestritten. Im vergangenen Jahr haben wir mit unserer Truppe zunächst das Süddeutsche Turnier und dann in Duisburg den deutschen Länder-Pokal gewonnen, also sozusagen das Double geholt.

flw24: Hast du auch Talente aus dem flw-Land unter deinen Fittichen?

Lars: Ja, mit Elias Bördner aus Haintchen haben wir auch einen äußerst begabten jungen Keeper aus unserer Region dabei, der derzeit bei Eintracht Frankfurt spielt und wirklich ein Riesentalent ist. Elias ist jetzt schon seit der U14 in der Hessenauswahl dabei und er hat seit er bei Eintracht Frankfurt ist nochmal einen großen Entwicklungs-Sprung gemacht und sich prächtig entwickelt. Er hat zudem Größe bekommen und in den letzten Spielen in der Hessenauswahl, zum Bsp. in Irland, überragend gehalten.  Er hat Potenzial und ist ein cleverer Junge, ich bin gespannt, wo sein Weg hinführen wird. Bis zur U19 werde ich ihn hoffentlich begleiten.

„Ein Torwart muss mutig sein“

flw24: Das klingt interessant, wir werden die weitere Entwicklung von Elias auch verfolgen. Was macht denn für dich eigentlich einen guten Torhüter aus?

Lars: Das Wichtigste ist, dass ein Torwart mutig ist und Entscheidungen trifft. Reflexe oder das Rauslaufen kann man sich antrainieren, aber Mut muss man einfach mitbringen. Gerade bei den jungen Torhütern, die ich trainiere, ist es jetzt in der goldenen Lernphase besonders wichtig, Erfahrungen zu sammeln und Entscheidungen zu treffen. Auch negative Entscheidungen sind in dieser Phase wichtig, um die richtigen Schlüsse zu ziehen und später eben die bessere Wahl zu treffen.

flw24: Ihr Torhüter seid ja auch eine ganz spezielle Spezies (Anm. der Redaktion: lacht). Max Merkel, der Meistertrainer deiner „Clubberer“ hat einmal gesagt: „Torhüter und Linksaußen haben eine Macke“.

Lars: Ja, das stimmt wohl,  man sagt Torhüter und Linksaußen sind etwas verrückt. Weißt du welche Position ich vor meiner Zeit als Torhüter gespielt habe (lacht)… natürlich Linksaußen.

flw24: Das merkt man dir aber wirklich nicht an, Lars. Besten Dank für das aufschlussreiche Gespräch und alles Gute für die Zukunft.

Das Interview führte Timm Henecker.