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75 und kein bisschen müde

Ehrenvorsitzender des RSV Würges Karl Bermbach. Foto: Claus Coester

Der Fußball ist für Karl Bermbach offensichtlich ein Jungbrunnen. Seit mehr als sieben Jahrzehnten ist der Ehrenvorsitzende des RSV Würges mit seinem Verein verbunden und steht nach wie vor mit Rat und Tat zur Verfügung. Seit mehr als 50 Jahren spielt der Lehrer im Ruhestand in der Würgeser Pfarrkirche die Orgel. Claus Coester führte am 26.09.2017 im Würgeser Vereinsheim das folgende Gespräch mit dem langjährigen Vorsitzenden.

flw24: Karl, ich möchte mit Dir über Dein Leben reden, d.h. natürlich, über Dein Leben mit dem Fußball. 75 Jahre hast Du auf dem Buckel. Wie war das in der Urzeit?

KB: Mein Fußballerleben hat sich bis auf einen kurzzeitigen Ausflug tatsächlich hier in Würges abgespielt. Hier, wo wir jetzt sitzen, war schon in meiner Kindheit der Sportplatz. Er war kleiner. Später wurde Land dazu erworben und so vergrößerte sich das Gelände. Heute präsentiert es sich so, wie wir es sehen.

flw24: Wie war das mit Dir als Fußballer?

KB: Ganz früher spielte man ja bis zum Alter von 13 Jahren in einer einzigen Mannschaft mit einer großen Altersspanne. Von 14 bis 18 war wiederum alles zusammengefasst. Irgendwann kam dann eine Neuordnung der Altersklassen, wie wir sie heute kennen. Ich selbst hatte es nicht weit zum Sportplatz, da unser elterlicher Hof ja quasi im Schatten des Fußballplatzes in der Schulstraße lag.

flw24: Wann begann denn der Aufstieg des RSV in höhere Regionen?

KB: Gut. Das fiel nicht vom Himmel. Ende der 1950er Jahre stieg der RSV Würges dann aus der B-Klasse (heute A-Liga) in die A-Klasse auf (heute KOL). Da waren z.B. Hagen Zimmer, Oswald Eufinger, der Vater von Bernd, oder Bruno Hess dabei.

flw24: Und wo warst Du?

KB: Ich kam dann 1960 als junger Seniorenspieler dazu. Es folgten nach dem Aufstieg 10 Jahre in der A-Klasse. Dann schafften wir den Aufstieg in die damalige Bezirksklasse, die heutige Gruppenliga.

flw24: Hatte sich die Mannschaft entwickelt?

KB: Das auch. Aber den entscheidenden Schub gaben dann junge Spieler, die in Würges nachkamen, wie Erich Brands oder Lothar Löw.

flw24: Wie lief es bei Dir?

KB: Ich war Läufer, wie das damals hieß, und spielte bis zum 31. Lebensjahr aktiv in der 1. Mannschaft. Dann war ich kurzzeitig als Spielertrainer beim benachbarten SV Walsdorf. Es war allerdings nur ein Intermezzo und lief nicht nach meinen Vorstellungen, ohne darauf jetzt näher einzugehen.

flw24: Also erfolgte die baldige Rückkehr in den Heimatort, aber kein aktiver Fußball mehr?

KB: Der Meniskus machte Probleme und die Belastung im Seniorenbereich war zu hoch.

flw24: Aber dennoch schoss Karl Bermbach weiter gegen den Ball.

KB: Das ist richtig. Hagen Zimmer, Erwin Selzer und ich riefen die SOMA ins Leben. Hagen hat diese Abteilung dann ja Jahrzehnte akribisch organisiert, wie jeder weiß.

34 Jahre 1. Vorsitzender des RSV Würges

flw24: Dein Aktionsfeld wurde dann für Jahrzehnte ein anderes. Du hast  Dich in die Vorstandsarbeit eingearbeitet. Die hat Dich so schnell nicht mehr losgelassen.

KB: Das kann man in der Tat so sagen. 1976 wurde ich als Nachfolger von Anton Löw, dem Vater von Gregor und Eberhard zum Vorsitzenden gewählt. Dass daraus 34 Jahre wurden, war damals natürlich nicht abzusehen.

flw24: Mitte der 1970 Jahre setzt dann ein etwa 35jähriger Höhenflug des RSV Würges ein.

KB: Das ist richtig. Die erste Mannschaft bewegte sich in diesem Zeitraum zwischen Landesliga (heutige Verbandsliga) und der Oberliga Hessen bzw. Hessenliga.

flw24: Den direkten Vergleich mit heute kann man natürlich nicht direkt anstellen, da sich die Struktur der Ligen im Laufe der Jahrzehnte mehrfach änderte. Und die Athletik hat sich ebenfalls geändert.

KB: Richtig. Wenn man Vergleiche ziehen will, liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. In den 1980 und bis in die frühen 1990er Jahre war die Oberliga noch die dritte Klasse. Heute ist es die fünfte.

flw24: Würges war damals in Hessen eine Hausnummer.

KB: Wir waren von der Struktur her ein Dorfverein, boten aber den Fußballfreunden in der Region attraktiven Sport. Zwei Hessenpokalsiege und schöne Spiele im DFB-Pokal stehen auf der Liste. Dazu die Aufstiege in die Oberliga.

"Sage und schreibe 3.500 Zuschauer sahen einen 3:1-Sieg des RSV"

flw24: Entsprechend waren die Zuschauerzahlen.

KB: Das hat sich aus verschiedenen Gründen total gewandelt. Die Zuschauerzahlen brachen schon in den 1990er Jahren ein. Zu den Oberligaspielen in den 1980ern kamen nicht selten weit mehr als 1.000 Zuschauer. Einen Höhepunkt stellt das Punktspiel gegen den SV Wiesbaden dar. Das musste, da der Würgeser Platz renoviert wurde, ins benachbarte Erbach verlegt werden. Sage und schreibe 3.500 Zuschauer sahen einen 3:1-Sieg des RSV. Im ersten Aufstiegsjahr 1983/1984 hatten wir einen Zuschauerschnitt von 1.200.

flw24: Mit dem gestiegenen sportlichen Anspruch änderte sich doch wohl auch die wirtschaftliche Seite. Geld musste generiert werden.

KB: Ja, ohne Geld geht es nicht. In den besten Zeiten hatten wir einen Sponsorenring von 130 Mitgliedern und die o.g. Zuschauerzahlen trugen ja ebenfalls zu einer gesunden Lage bei.

flw24: Und das Spielerpersonal war ja in den frühen Jahren der Oberliga noch sehr heimatlich.

KB: Im Kader der Oberligamannschaft der frühen 1980er Jahre waren 8 oder 9 Würgeser Spieler.

flw24: Nun folgten in den 1990er Jahren und im neuen Jahrtausend zwei erfolgreiche Perioden in der Oberliga, in der Spieler aus der weiteren Umgebung geholt wurden.

KB: Einerseits stimmt das. Es kamen Spieler aus Eisbachtal wie Andy Schuy oder Frank Weisbrod, aus dem Frankfurter und Wiesbadener Raum andere Spieler. Aber es wurden auch junge Spieler aus der Würgeser Jugend integriert wie Heiko Brands, Michael Morawiec oder Krisztian Szekely, um nur ein paar zu nennen.

flw24: Wir wollen einen kleinen Sprung machen in das Krisenjahr 2012, in dem eine lange Ära zu Ende ging. Nach dem Abstieg  aus der Oberliga im Jahr 2011 hatte die Mannschaft immerhin in der Landesliga Platz 6 belegt. Dann erfolgte der Absturz. Was war passiert?

KB: Das neue Vereinsheim war entstanden. Es waren bestimmte Belastungen zu tragen. Inzwischen war Hermann-Josef Löw zum ersten Vorsitzenden gewählt worden. In dieser Phase brach nun der Hauptsponsor weg, was für den RSV natürlich einen schweren Schlag bedeutete.

flw24: Bekanntlich bildeten sich nun zwei Lager und auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung ging es heiß her. Wie war Deine Position?

KB: Nun, wir hatten sportlich einen 6. Platz belegt in der Landesliga. Der Etat musste angesichts der neuen finanziellen Situation drastisch gekürzt werden. Aber nach meinem Dafürhalten hätten wir bei einem stark reduzierten Etat durchaus das Wagnis Landesliga eingehen sollen. Bei einem Abstieg wären wir immerhin noch Gruppenligist gewesen.

"Wir müssen uns zunächst einmal in der Gruppenliga etablieren"

flw24: Es folgten 5 Jahre in der Kreisoberliga und 2017 gelang dann wieder der Aufstieg in die Gruppenliga. Wie kann das Ziel lauten?

KB: Wir müssen uns zunächst einmal in der Gruppenliga etablieren. Das ist bei 6 Absteigern schwer genug. Zunächst kann die Devise also nur lauten, Würges zu einer festen Größe in der Gruppenliga zu machen.

flw24: Ich möchte auf ein anderes Thema kommen. Der RSV ist im Bereich FFH-Fußballschule in den letzten Jahren sehr aktiv.

KB: Die Initiative dazu habe ich vor 11 Jahren ergriffen. Die Schule wurde inzwischen zu einem festen Programmpunkt. Der RSV ist von Anfang an dabei. Die Vereine stellen jeweils ehrenamtliche Trainer und Helfer. Den Kindern soll in den Ferien eine sinnvolle Beschäftigung geboten werden. Das soziale Verhalten wird auch bewertet. Ein Kind wird am Ende zum „Fair-Play-Kid“ der Woche ausgezeichnet.

flw24: Karl, wir konnten natürlich aus den reichen Erfahrungen eines Vereinsvorsitzenden nur einige Aspekte herausgreifen. Lass mich abschließend fragen: Was würdest Du in der Rückschau heute anders machen und was war in der langen Zeit das absolute Highlight?

KB: Das Erste ist nicht einfach zu beantworten. Man muss sich ja vor Augen halten, dass die Leute im Verein alle ehrenamtlich arbeiten. Und ich habe lange versucht, den Verein hoch zu halten – manche sagen vielleicht zu lange. Und wenn dann seitens der Behörden, speziell des Finanzamts, Steine in den Weg gelegt werden, ist das nicht gerade angenehm. Würges wurde im Laufe der Zeit zu dem am meisten kontrollierten Verein in der Region. Es fanden regelmäßige Betriebsprüfungen statt. Das ging so weit, dass man den Kaffeeumsatz im Vereinsheim mit abgemessenen Tassen überprüfte, um daraus Umsätze hochzurechnen. Irgendwo hört das ja wohl dann auf. Und dass den Ehrenamtlichen zwischendurch auch mal Eigenverbräuche zustehen müssten, darüber brauchen wir nicht zu reden. Kommen wir lieber zu den angenehmen Seiten.

flw24: Und was wäre da zu nennen?

KB: Ein unvergessliches Erlebnis war für mich das Pokalspiel 1980 bei Bremerhaven 93, das wir 2:0 gewonnenen haben. Wir waren mit vier Bussen bis zu vier Tagen unterwegs, haben den Sieg auf der „Seute Deern“, einem Restaurant-Schiff, gefeiert und auf der Rückfahrt 50 neue Mitglieder gewonnen.

flw24: Und von der „Seute Deern“ die Schiffsglocke mitgenommen…

KB: Ja. Nach langen Verhandlungen konnten wir dem Bootseigner diese für 700 DM abkaufen und mit nach Würges nehmen. Die hängt schon lange im Glockenturm des Stadions.

flw24: Und wurde und wird, wenn der RSV Rückenwind braucht, sturmgeläutet. Karl, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute.