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„Volker Finke holte mich mit dem VW-Bus vom Bahnhof ab“

Interview mit Michael Guht

Am Riederwald gleich doppelt gehandelt – Original und Fälschung. Foto: Claus Coester

flw24: Hallo Michael, heute hast Du ein „Heimspiel“, denn wir befinden uns da, wo Du aufgewachsen bist und jetzt Deine Bleibe hast.

Michael Guht: Das ist richtig. Burgsolms ist mein Heimatort und da bin ich seit meinem festen beruflichen Engagement an der Johannes-Gutenberg-Schule in Ehringshausen vor Jahren dann wieder heimisch geworden.

flw24: Lass‘ uns über Fußball plaudern und das Pferd mal von hinten aufzäumen. Welche Rolle spielt der aktive Fußball noch bei Dir? Du bist fußballerisch ja ins Rentenalter gekommen und schreibst bald die doppelte 4.

Michael Guht: Ich freue mich, dass ich ohne Probleme dem Ball noch nachjagen kann. Heute Abend haben wir mit FSV Braunfels II ein Punktspiel in der Kreisliga A. Es macht Spaß, ohne Beschwerden spielen zu können. Vor Jahren hatte ich mit Knorpelschäden Probleme. Momentan bin ich beschwerdefrei.

flw24: Angefangen hat das Ganze ja hier in Burgsolms beim FC, bei dem ja so mancher gute Fußballer aktiv war.

Michael Guht: Ja, beim FC Burgsolms habe ich als Jugendlicher das Fußballspielen gelernt. Meine Trainer waren Dieter Hagner, der Vater von Matthias, und Manfred Bassel. Dort spielte ich mit Matthias jeweils eine Saison, da er zum jüngeren Jahrgang gehörte. Dort schaffte ich auch den Sprung in die Hessenauswahl.

"Ich kickte mit David Wagner bei der Eintracht"

flw24: Als B-Jugendlicher wurdest Du dann flügge und es ging in Richtung Frankfurt.

Michael Guht: Ab dem zweiten Jahr B-Jugend und beide Jahre A-Jugend spielte ich bei der Eintracht. Auch Dirk Wolf aus Marburg war dabei. Zudem kickte ich noch mit David Wagner, der momentan als Trainer bei Huddersfield Town für Furore sorgt.*

flw24: Mit der Seniorenzeit setzte bei Dir dann die große Wanderwelle ein. Kannst Du mir bei der Zusammenstellung helfen?

Michael Guht: Ich wechselte in meinem ersten Seniorenjahr zur Spvgg. Bad Homburg. Dort belegten wir in der damaligen Oberliga Hessen, der dritten Liga, den zweiten Platz. Dann bin ich wieder mehr im mittelhessischen Bereich aktiv gewesen. FSV Steinbach (heute Fernwald, Anm. der Redaktion) in der damaligen Landesliga Mitte (heute Verbandsliga Mitte, Anm. der Redaktion). Mit dem VFB Gießen sind wir 1994/95 in die Oberliga Hessen aufgestiegen.

flw24: Das war dann durch die Neuschaffung der Regionalligen die vierte Spielklasse.

Michael Guht: Das ist korrekt. Das Ergebnis war eine entsprechende Leistungsdichte unterhalb der Profiligen.

flw24: Man kann ja sagen, dass die Regionalligen bis zur Einführung der eingleisigen dritten Liga, die ja dann offiziell eine Profiliga wurde, mehr oder weniger vollprofessionell oder größtenteils halbprofessionell waren.

Michael Guht: Das ist zutreffend.

"Durch Michael Blättel kam ich an die Lahnkampfbahn"

flw24: Dann hat es Dich nach Limburg zum damals erfolgreichen VFR 19, ja soll ich sagen „verschlagen“. Wie kam das?

Michael Guht: Sagen wir so: Ich war Stürmer und schoss eben auch Tore. Das spricht sich ja rum. Und da kam eine Anfrage von Michael Blättel. Und so landete ich in der Lahnkampfbahn.

flw24: Brauchtest Du dazu einen Vermittler oder Berater? Heute haben ja manche Spieler in den gehobenen Amateurligen sogar schon einen Berater. Sogar Jugendspieler umgeben sich mit solchen.

Michael Guht: Nein, nein, die Anfragen kamen telefonisch an mich persönlich. Es kam ggf. zu ein, zwei Treffen und wenn das Angebot für meine sportliche Laufbahn interessant, habe ich mich für einen Wechsel entschieden.

flw24: In Limburg war es ja nur eine Saison. Was war der Grund?

Michael Guht: Limburg konnte die vereinbarten Gelder nicht mehr zahlen. Das ist ja eine allseits bekannte Geschichte, dass es dann mit VFR 19 den Bach runter ging. Während der Zeit wurde ich vom SC Freiburg zu einem mehrtägigen Probetraining eingeladen. Man bot mir dann einen Vertrag für die zweite Mannschaft an mit zweimal pro Woche Training bei den Profis. Das Angebot habe ich ausgeschlagen. Witzig war übrigens, dass Volker Finke, der ja Cheftrainer der Profis war, mich damals mit dem VW-Bus persönlich am Bahnhof abholte.

flw24: Ja, in Freiburg ist eben alles anders. Wahrscheinlich pumpt heutzutage Christian Streich die Bälle auf. Dann wurdest Du jedenfalls in der Spielzeit 1996/97 zum „Gipfelstürmer“. Ich meine Deinen Wechsel zu Eintracht Frankfurt. Hattest Du einen Profivertrag?

Michael Guht: Nein, ich kam als ganz normaler Amateur zur Eintracht in die zweite Mannschaft, die in der viertklassigen Oberliga Hessen spielte. Später sprach man von U23.

flw24: Und die U23 gehört ja heute der Geschichte an. Wie landet man dann auf einmal bei den Profis?

Michael Guht: Ich steckte zu der Zeit mitten in den Prüfungen meines Lehramtsstudiums in Gießen. Die Amateure machten ein einwöchiges Trainingslager zur Vorbereitung auf die neue Saison. Und unser Trainer Bernhard Lippert gab mir die Telefonnummer von Stepanovic: „Ruf Stepi an. Du trainierst dann solange bei den Profis mit“. Ich rief also Stepi an und der sagte nur: „Komm dann und dann zum Training.“

flw24: Was war das Ergebnis dieser Woche?

Michael Guht: Stepi entschied, dass ich künftig vormittags bei den Profis mittrainieren und am Abend bei den Amateuren sein sollte.

"Hünerbein und Schuy trafen nach Belieben"

flw24: Du spieltest dann also zunächst bei den Amateuren. Und da gab es ja ein spektakuläres Spiel in Würges, an das Du Dich sicher erinnern wirst. 

Michael Guht: Klar. Spektakulär, das kann man sagen. Wir verloren mit Eintracht II 8:4. Hünerbein und Schuy trafen nach Belieben. Alex Schur war auch mit von der Partie.

flw24: Nach meiner Erinnerung hast Du auch getroffen.

Michael Guht: Ja, das müsste das 3:6 oder das 4:7 gewesen sein.

flw24: Ja und dann kam der Wechsel in die Profimannschaft.

Michael Guht: Insgesamt bin ich 21 Mal eingesetzt worden, davon dreimal in der Startelf. Häufig kam ich für Matthias Becker, Jonny Ekström oder Urs Güntensperger. In diesen Spielen bekam ich als Einwechselspieler sehr oft die Anweisung von Stepi, später auch von Ehrmanntraut, die defensive Laufarbeit für Maurizio Gaudino mit zu übernehmen.     

flw24: Die Trefferquote war nicht so berauschend.

Michael Guht: Stimmt. Mein einziges Zweitliga-Tor habe ich beim 1:1 in Jena erzielt.

flw24: Erzähle von der Besonderheit des Namens auf Deinem Trikot.

Michael Guht: Das ist kurios. Der DFB hatte in seiner Datenbank meinen Namen mit „th“ falsch geschrieben. So spielte ich dann zunächst unter „falschem Namen“. In dem Trikot habe ich auch mein einziges Tor erzielt. Das Ganze wurde dann korrigiert.

flw24: Ende der Saison war dann der nächste Wechsel angesagt.

Michael Guht: Die Eintracht sprach hinsichtlich einer Verlängerung nicht mit mir. So kam ich dann zum FSV Frankfurt, der von Herbert Dörenberg und später von Ronny Borchers trainiert wurde. Zu dem Zeitpunkt bekam ich ein Angebot von St. Pauli, das ich allerdings nicht wahrnehmen konnte.

flw24: Warum nicht?

Michael Guht: Ich hatte im Vertrag mit dem FSV eine Ausstiegsklausel bis zu einer bestimmten Frist. Die war abgelaufen. Mit dem FSV stiegen wir dann in die Regionalliga Süd auf. Der Vertrag mit dem FSV war auf drei Jahre ausgerichtet. Doch nach einer Saison wechselte ich erneut zum SV Wehen in die Regionalliga Süd.

flw24: Es folgen ja dann noch ein paar Stationen wie Wörsdorf, Eschborn und FSV Steinbach. Die vernachlässigen wir jetzt. Wann war dann im oberen Bereich Schluss?

Michael Guht: Eigentlich nach dem Aufstieg mit dem FSV Steinbach (Fernwald) in die Oberliga. Ich zog mir in der Rückrunde einen Knorpelschaden zu und musste drei Jahre pausieren. Allerdings hatte ich noch ein kurzes Intermezzo bei Eintracht Wetzlar in der Oberliga Hessen. Dort half ich sechs Spiele meinem ehemaligen Mitspieler Claus-Peter Zick zuliebe für den Rest der Saison aus, leider verbunden mit dem Abstieg.

"Und schließlich eineinhalb Jahre als Spielertrainer bei der SG Kubach/Edelsberg"

flw24: Für Dich als Spielertrainer stand dann Volpertshausen auf dem Programm.

Michael Guht: Richtig. Und schließlich eineinhalb Jahre als Spielertrainer bei der SG Kubach/Edelsberg.

flw24: Wird man Dich mal als Trainer wiedersehen?

Michael Guht: Man soll nie nie sagen. Aber das ist problematisch. Wenn Du als Trainer engagiert rangehst und hast keine gute Trainingsbeteiligung, das enttäuscht dann natürlich. In den unteren Spielklassen trifft folgender Spruch zu: „Die, die wollen, können nicht und die, die können, wollen nicht.“ Am Wochenende steht man dann als Trainer vor der schwierigen Aufgabe: Nach Trainingsbeteiligung aufstellen oder die qualitativ bestmögliche Mannschaft aufzubieten, um zu gewinnen? Das ist Woche für Woche ein Ritt auf der Rasierklinge.

flw24: Bei einer solchen Mammuttour durch die verschiedensten Vereine, hast Du mit überproportional vielen Spielern zusammen gekickt. Gibt es da noch Kontakte? Und wenn Du eine Bilanz unter die nicht alltägliche Laufbahn  ziehst, wie fällt diese aus?

Michael Guht: Zum einen läuft man sich mal über den Weg, zum anderen spiele ich gelegentlich in der Traditionself von Wehen-Wiesbaden mit. Kontakte: Frank Wilde, Roland Gisinger, Sascha Amstätter oder Nasir Saridogan. Was die Gesamtbeurteilung betrifft, so können das ja andere vielleicht besser tun. Ich selbst kann sagen, dass ich es genauso wieder machen würde. Ich bin froh, dass ich in den Profifußball reinschnuppern durfte und zudem mein Studium nicht aus den Augen verloren habe und heute gesünder bin als vor 15 Jahren.

flw24: Michael, herzlichen Dank für das interessante Gespräch. Bleibt mir, Dir privat und beruflich alles Gute zu wünschen. Und bleib noch weiter am Ball.

Claus Coester führte das Interview mit Michael Guht am 23.05.2017 in Burgsolms.

* Huddersfield Town siegte gestern Nachmittag im Endspiel der Playoff-Runde der Championchip gegen FC Reading im Wembley Stadion und steigt somit in die Premier League auf (Ergebnis: 4:3 im Elfmeterschießen nach 120 Minuten 0:0).