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„Das hätten wir selbst nie gedacht“

Tobias Schneider im Interview mit den in Wetzlar spielenden Mädels

Kathrin Schermuly, Lea Hartmann und Julia Schermuly (v.l.). Foto: flw24

Was für eine Entwicklung: die Damen des FSV Hessen Wetzlar greifen nach dem Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga. Und mittendrin unsere heimischen Fußballerinnen Lea Hartmann aus Bad Camberg, Julia und Kathrin Schermuly aus Niederbrechen sowie Rebecca Konhäuser aus Elz und Selina Heinzeroth aus Weinbach. Lest im Interview mit Lea, Kathrin und Julia, was die Gründe für die positive Entwicklung sind, welche Ziele die drei noch haben, wieso das Berufliche trotzdem vorgeht und was es mit dem Motto der Wetzlarer Damen auf sich hat.

Lea: „Dass Hoffenheim besser war, muss man einfach anerkennen“
Acht Spiele in Folge waren die Wetzlarer Damen bis zur Vorwoche ungeschlagen, darunter sechs Siege. Dann stand die Reise zum souveränen Tabellenführer TSG Hoffenheim II an. „Da muss man einfach anerkennen, dass Hoffenheim besser war“, spricht Lea ganz offen über das 0:4. „Wir haben nicht unseren besten Tag erwischt und Hoffenheim hat richtig starke Spielerinnen, von denen einige nach der Saison in die Bundesligamannschaft hochgezogen werden.“ Trotzdem: Nachdem der FSV Hessen Wetzlar die Vorjahressaison als Neunter, einen Platz vor den Abstiegsrängen, abgeschlossen hat, ist die Mannschaft in diesem Jahr so richtig durchgestartet. Nach 17 von 22 Spielen steht Rang drei zu Buche. Vier Punkte trennen die Wetzlarerinnen vom Tabellenzweiten 1.FC Köln, der nach dem letztjährigen Abstieg die sofortige Rückkehr ins Fußballoberhaus anpeilt. Der Tabellenführer aus Hoffenheim kann nicht aufsteigen, da dessen erste Vertretung bereits in der Bundesliga spielt.

Kathrin: „Wir funktionieren als Team immer besser“
Wie kommt die plötzliche Wandlung vom Abstiegs- zum Aufstiegskandidaten? „Zum Ende der letzten Saison haben wir mit Achim Mohr einen neuen Trainer bekommen, mit dem die Chemie einfach stimmt“, erklärt Kathrin. „Zunächst haben wir gemeinsam den Klassenerhalt gesichert und in dieser Saison läuft es einfach. Zum einen funktionieren wir als Team immer besser, denn viele von uns spielen jetzt schon einige Jahre zusammen. Zum anderen hat sich die Mannschaft auch charakterlich weiterentwickelt, sodass wir einige Spiele in den letzten Minuten für uns entscheiden konnten.“

Julia: „Dass wir so weit vorne stehen, hätten wir vor der Saison nie gedacht“
„Wir spielen zwar noch gegen Köln, haben den Aufstieg bei vier Punkten Rückstand aber nicht mehr selbst in der Hand. Dass wir so weit vorne stehen, hätten wir vor der Saison aber nie gedacht“, ergänzt die 18-jährige Julia, die sich in ihrer ersten Saison bei den Wetzlarer Damen gleich einen Stammplatz erkämpft hat. Ihre Teamkolleginnen Lea und Kathrin sind jeweils 21. Und wenn nun tatsächlich der Aufstieg gelingt? „Die Lizenzen sind beantragt und erteilt, wir dürften also in die Bundesliga aufsteigen“, stellt Kathrin mit einem Grinsen klar, um dann hinzuzufügen: „Es wäre natürlich schon super, sagen zu können, dass man mal in der 1. Liga gespielt hat.“ Die anderen beiden nicken zur Bestätigung.

Wichtige Säulen der Wetzlarer Zweitligamannschaft

Ein Aufstieg hätte einen weiteren Vorteil, denn die nächste Zweitligasaison wird eine Übergangssaison zu einer eingleisigen Zweiten Liga, sodass man unter die ersten fünf kommen muss, um in diese neue eigleisige Liga zu kommen. „Das Ziel hätten wir auf jeden Fall erreicht, wenn wir nächstes Jahr in der Bundesliga spielen würden“, sagt Lea. „Wenn wir dann absteigen sollten, wären wir zumindest Teil der eingleisigen Zweiten Liga.“ Das ist aber freilich noch Zukunftsmusik. Was zählt ist die Gegenwart - und in der spielen Lea, Kathrin, Julia sowie die aus Elz stammende Rebecca Konhäuser und Selina Heinzeroth aus Weinbach tragende Rollen in der Wetzlarer Zweitligamannschaft: alle fünf gehören zu den Spielerinnen mit den meisten Einsätzen in der Mannschaft. Julia hat einige Minuten weniger absolviert, was daran liegt, dass „ich in der Hinrunde erstmal reinkommen musste, da es körperlich bei den Damen schon anders zur Sache geht.“

Bis zur C-Jugend in gemischten Mannschaften

Bei den Damen gibt es keine A-Jugend, sodass die Spielerinnen schon mit 17 oder 18 Jahren zu den Damen aufrücken. Aufgerückt ist Julia aus der B-Jugend des FSV Hessen Wetzlar. Nachdem sie bis zur C-Jugend in einer gemischten Mannschaft mit den Jungs des FCA Niederbrechen kickte, wagte sie den Sprung nach Wetzlar. Lea hat ihre ersten fußballerischen Schritte in Dauborn gemacht, bevor sie in der B-Jugend in das Mädchenteam des SV Erbach wechselte. Dort traf sie auf Kathrin, die wie ihre Schwester bis zur C-Jugend mit den Jungs des FCA Niederbrechen zusammenspielte. „Gemeinsam haben wir dann drei Jahre in Erbach gespielt (Kathrin mit Zweitspielrecht) und sind dann zur Frauenmannschaft des VfR 07 Limburg. Dort haben wir schon mit 15 in der ersten Mannschaft gespielt“, erklärt Lea. „Später sind wir dann gemeinsam nach Wetzlar“, ergänzt Kathrin.

Während die Fußballerinnen schon sehr früh bei den Damen mitmischen und dementsprechend sehr viele junge Spielerinnen in den Reihen der Wetzlarer zu finden sind, sucht man vergeblich eine Spielerin, die jenseits der 30 ist. „Woran das liegt? Hmm, gute Frage. Vielleicht verschieben sich einfach die Interessen oder der Aufwand für das leistungsorientierte Spielen wie in Wetzlar wird zu hoch“, haben die drei auch keine wirkliche Erklärung für dieses Phänomen.

„Das Berufliche geht erstmal vor“

Von der 30 sind Lea, Kathrin und Julia freilich noch weit entfernt. Zeit genug also für den einen oder anderen Schritt auf der Karriereleiter. Als Überraschungsmannschaft der Zweiten Liga rückt man ja sicher etwas mehr in den Fokus. „Klar träumt man davon, noch etwas aufzusteigen“, geben alle drei zu. „Aber im Damenfußball kann man nicht allzu viel Geld verdienen – von daher geht das Berufliche erstmal vor“, so Kathrin, die nach ihrem Weltmeistertitel mit der U20 des DFB in Gesprächen war mit einem Bundesligisten, aber erstmal ihre Ausbildung zur Steuerfachangestellten zu Ende bringen will. Im Mai hat sie ihre Abschlussprüfung. Lea studiert Sportmanagement und hat noch zwei Semester zu absolvieren. Julia macht eine Ausbildung zur Bäckerin. Das heißt: Arbeitsbeginn um 3 Uhr nachts, arbeiten bis 12 Uhr und dann vier Mal die Woche abends Training. Hut ab! „Und was den Rest angeht: Ich bin ja noch sehr jung und fühle mich in Wetzlar richtig wohl“, hält sich Julia die Zukunft off

Ein gelebtes Motto: „Wir sind eine große Familie“

Die drei sind nicht nur jung, sondern notgedrungen auch sehr flexibel. Lea und Julia haben schon auf außen verteidigt, im Mittelfeld auf den Außen gespielt und sogar im Sturm gewirbelt. Kathrin pendelt zwischen der 6er-Position, der 10er-Position und dem Sturm. „Leider haben wir dieses Jahr ziemliches Verletzungspech“, spielt Julia auf die drei Kreuzbandrisse im Team des FSV an. „Da nimmt sich natürlich jede von uns zurück und spielt dort, wo sie der Mannschaft am meisten helfen kann“, betonen alle drei gleichermaßen. Dass sie sich gerne in den Dienst der Mannschaft stellen, nimmt man ihnen ab – und es passt zu dem Motto der Wetzlarer Damen, das da lautet: „Wir sind eine große Familie“. Zum Wetzlarer Motto wurde dieser Slogan in der Aufstiegssaison vor zwei Jahren, als die Teamkollegin und Schlagerfreundin Jacqueline Klippert dieses Lied in der Kabine einführte (wer es sich anhören will: hier ist das Lied auf YouTube). Team-DJane Lea nahm das Lied in die Playlist auf und fortan eilten die Mädels von Sieg zu Sieg, wenn sie vor dem Spiel dieses Lied hörten.

Lospech im DFB-Pokal

Nicht von Sieg zu Sieg geeilt sind die Damen des FSV Hessen Wetzlar leider im DFB-Pokal – dafür aber der Gegner der Wetzlarerinnen, der SC Sand. Mit 1:3 ging das Erstrundenspiel unglücklich verloren. Nun steht der SC Sand im Finale gegen den VfL Wolfsburg. „Letztes Jahr sind wir mit Bayer Leverkusen auch an einer Bundesliga-Mannschaft gescheitert – wir haben auch ein bisschen Lospech“, ärgert sich Lea. Wer weiß, vielleicht klappt es in den nächsten Jahren ja auch mal mit einer Überraschung im DFB-Pokal, wenn die positive Entwicklung der Wetzlarer Damen sich fortsetzt. Jetzt heißt es erstmal Daumen drücken für den Kampf um den Aufstieg. Direkt nach unserem Interviewtermin machten sich Lea, Kathrin und Julia auf den Weg zum Heimspiel gegen den 1.FC Saarbrücken. „Wird schwer, aber sollte machbar sein“, so die Aussage der drei vorab. Und siehe da: Mit einem 1:0 behielt der FSV die Punkte zuhause und hat weiter vier Punkte Rückstand auf den 1.FC Köln. Das Tor erzielte übrigens die Elzerin Rebecca Konhäuser.

Wir sind gespannt, wohin die Reise für unsere heimischen Fußballerinnen noch geht und drücken alle zur Verfügung stehenden Daumen, dass der Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga noch gelingt!