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Das Date mit Kevin Keagan vermasselte ihm der Trainer

Interview mit Werner Orf, geführt am 18.02.2017 in Eltville

Claus Coester mit Werner Orf. (Fotos: Claus Coester)

Werner Orf mit dem Trikot der Spvgg. Greuther Fürth.

Werner Orf mit dem Trikot der Mainz 05 Traditionsmannschaft.

Werner Orf unter der TOP Twenty in der ewigen Einsatzliste von Mainz 05.

Werner Orf, geb. 7. Mai 1957 in Mainz, aktiv unter anderem bei Mainz 05, Spvvg. Fürth (Greuther Fürth), SV Wehen, in der ewigen Einsatzliste von Mainz 05 unter den TOP Twenty (15. Platz unter 1.400 Spielern, 384 Spiele, in der Liste sind nur die Pflichtspiele aufgeführt).

flw24: Hallo Werner, zu allererst: Wie geht es Dir?

Werner Orf: Danke, mir geht es gut.

flw24: Wir sitzen hier im Rheingau in Eltville und trinken einen Kaffee. Eigentlich gehörst Du ja auf die andere Rheinseite.

Werner Orf: Das stimmt. Ich bin ja von Mainz.

flw24: Also von dribbedebach.

Werner Orf: So ist das. Ich bin „en Meenzer“. Das heißt meine Eltern stammen aus der Altstadt und ich bin groß geworden in Gonsenheim in der Finnensiedlung.

flw24: Das musst Du mir erklären. 

Werner Orf: Die Finnen haben kurz nach dem Krieg geholfen, die Holzhäuser für die Leute, die in der Kernstadt ausgebombt waren, zu bauen. Die waren stabil und stehen heute noch. Natürlich renoviert. 

"Ich war so ein kleiner Giftiger"

flw24: Und in Gonsenheim, pardon, Du würdest nie Gonsenheim sagen, also in „Gunsenem“ hast Du dann das Fußballspielen gelernt?

Werner Orf: Nein, mein erster Verein war der TSV Schott. Da habe ich als Kind angefangen.

flw24: Wer hat Dir das Fußballspielen beigebracht?

Werner Orf: Was soll ich sagen? Eigentlich ich selbst. Weißt Du, ich war so ein kleiner Giftiger. Als C-Jugendlicher spielte ich schon in der A-Jugend.

flw24: Wie kam dann der Wechsel von Schott an den Bruchweg zu den 05ern zustande? 

Werner Orf: Mainz 05 war 1976 als Zwölfter der 2. Bundesliga Süd freiwillig in die 3. Liga abgestiegen. Ich glaube, es fehlten 600.000 Mark. Einige von den Profis wie Herbert Scheller, Gerhard „Bimbo“ Bopp, Herward Koppenhöfer oder Franz-Peter März blieben den 05ern treu und wurden Amateure. Der Verein suchte für den Neuanfang junge Spieler aus der direkten Umgebung. Zu denen gehörte ich.

flw24: Warst Du gleich in die Mannschaft integriert?

Werner Orf: Ja, das klappte gut. Ich war Stammspieler. Gleich in der zweiten Saison 1977/78 wurden wir Südwestmeister, scheiterten aber in der Aufstiegsrunde. Borussia Neunkirchen stieg in die 2. Bundesliga Süd auf. Wir machten in der Qualifikation hinter Neunkirchen und TUS Neuendorf * den dritten Platz.

flw24: Immerhin hattet Ihr den Titel Südwestmeister. Ein schöner Erfolg.

Werner Orf: Es war mannschaftlich betrachtet mein größter Erfolg. Viele Spieler aus der Meistermannschaft – wir nennen sie die 77er – treffen sich bis heute zweimal im Jahr. Auch unser Trainer Horst Hülß ist dabei. Bald ist das nächste Treffen.

Ins Frankenland nach Fürth

flw24: Nach ein paar Jahren wanderte der Ur-Meenzer Werner Orf nach Franken zur Spvgg. Fürth, ein Jahr 2. Bundesliga Süd, dann ein Jahr eingleisige neue 2. Bundesliga. Für den Rheinhessen eine neue Welt. Wie kam es dazu?

Werner Orf: Mein Freund und Mainzer Mitspieler Gerhard „Bimbo“ Bopp, der übrigens der Rekordtorschütze** in der Geschichte von Mainz 05 ist, stellte die Verbindung her. Er hatte vorher bei Fürth gespielt. Gerhard vermittelte mir ein Probetraining. Das war erfolgreich. Die Konditionen waren in Ordnung. Ein Zweijahresvertrag für die zweite Liga und dazu bot mir Fürth einen zweiten Arbeitsplatz.

flw24: Ihr wart also Feierabendprofis in Fürth?

Werner Orf: Das nicht. Fußball war schon der Hauptjob und der Großhandelskaufmann ein zweites Standbein.

flw24: Großhandelskaufmann?

Werner Orf: Ja, das war mein erlernter Beruf. In Mainz habe ich im Kinderladen Wirth gelernt und lange gearbeitet.

flw24: Wir wollen nicht lange über Geld reden. Aber fußballgeschichtlich ist es interessant. Wie war das in Mainz, wo Ihr ja Amateure wart und dennoch - sagen wir mal ein üppiges Taschengeld verdienen konntet, und wie sah das in Fürth aus?

Werner Orf: In Fürth ging das natürlich auf Steuerkarte, es war ja ein normales Arbeitsverhältnis. Da gab es 1.000 DM Grundgehalt und die jeweiligen Auflauf- und Punktprämien. Pro Punkt 300 Mark. Waren wir also erfolgreich, konnte entsprechend was zusammenkommen. In Mainz kriegten wir die üblichen Kuverts.

flw24: Die Spezialisten nennen das Nettoliga. 

Werner Orf: Ja, kann man so sagen.

flw24: An der Bilanz Deiner zwei Jahre im Frankenland fällt auf: Im ersten Jahr Stammspieler mit 27 Spielen, im zweiten Jahr exakt nur ein Drittel der Punktspiele. Was war los? Hast Du dem Trainer den Hund vergiftet?

Werner Orf: Nein, das nicht. Im ersten Jahr waren das Dieter Schulte und Heinz Lucas. Das lief gut. Ich hatte keine Verletzungen und spielte offensichtlich solide. Im zweiten Jahr waren das Heinz-Dieter Roos und dann Lothar Kleim. Dass ich nur ein Drittel der Spiele machte, lag aber nicht an den Trainern.

flw24: Was steckt hinter dem Rätsel?

Werner Orf: Ich hatte mir in der Sommerpause beim Laufen im Gonsenheimer Wald eine Verletzung zugezogen, die sich dann beim Auftakttraining in Fürth als Einriss im Miniskus herausstellte. Das warf mich dann lange zurück. 

flw24: Das zweite Jahr stand also unter einem schlechten Stern?

Werner Orf: Kann man sagen. Es dauerte natürlich, bis ich wieder zurückkam. Im Rückspiel hatte ich bei Hertha BSC mein Startelfdebüt. 

flw24: Die Archive weisen eine große leere Schüssel in Berlin aus. Knapp 7.000 Zuschauer im Olympiastadion!

Werner Orf: Ja, grandios, und das im Januar. Aber immerhin erreichten wir ein torloses Unentschieden.

flw24: Dann kam für die Restsaison in Fürth ein Auf und Ab, d.h. Einsätze, Bank, selten komplette Spiele. 

Werner Orf: Ich spielte, aber bei Lothar Kleim hatte ich nicht gerade einen Stein im Brett. Interessant ist, dass er mich für die nächste Saison mit zu Union Solingen, wo er Trainer wurde, nehmen wollte. Das habe ich natürlich abgelehnt und ihm entsprechend erklärt.

flw24: Die Zeit bei den Franken war zu Ende. Was gibt es an Erinnerungen?

Werner Orf: Es bestehen noch gute Kontakte z.B. zu Jürgen Baier. Das ist der Papa von Daniel Baier, der beim FC Augsburg spielt. Den kleinen Daniel habe ich bei einem Besuch in Köln, wo Jürgen gerade bei Fortuna spielte als Säugling in den Armen gehabt.

Zurück in die alte Heimat

flw24: 1982 ging es wieder in die alte Heimat.

Werner Orf: Richtig. Eigentlich wollte der SV Wiesbaden mich, aber Mainz 05 besorgte mir einen guten Arbeitsplatz. Ich habe ihn bis heute und bestimmt auch noch die verbleibenden vier Jahre. Das wären dann knapp 40 Jahre!

flw24: Hatte sich die Mannschaft, die Du zwei Jahre zuvor verlassen hattest, verändert?

Werner Orf: Die Mainzer hatte gerade gegen Werder Bremen II die deutsche Amateurmeisterschaft gewonnen***. In die Mannschaft kehrte ich zurück. Vom alten Team waren z.B. Herbert Scheller, Gerhard Bopp oder Jürgen Janz noch dabei. Neu waren u.a. Schorsch Menger und Charly Mähn.

flw24: Gibt es irgendwelche Besonderheiten aus der zweiten Mainzer Zeit? Vielleicht auch aus Fürth? Prominente Gegenspieler? Wer war Dein unangenehmster Gegenspieler?

Werner Orf: Zur Saisoneröffnung 1984 spielten die Bayern bei uns am Bruchweg. Ich musste oder durfte mich mit Matthäus auseinandersetzen. 1977 spielten wir im DFB-Pokal gegen den HSV und verloren 1:4.**** Die hatten alles dabei, was Rang und Namen hatte: Kaltz, Magath, Kargus. Mein Wunschgegenspieler wäre Kevin Keagan gewesen. Dazu kam es leider nicht, weil Horst Hülß mich auf einer anderen Position eingesetzt hatte. Ich musste mich mit Willi Reimann begnügen. Das kriegt der Trainer bei unseren regelmäßigen Treffen bis heute aufs Butterbrot geschmiert (lacht).  

flw24: Sonst noch was Besonderes? Unangenehmer Gegenspieler?

Werner Orf: Lass‘ mich überlegen. Ja, in meiner Frühzeit als Senior. Peter Klag von Wormatia Worms. Ein Linksfuß. Ich war 19. Der hat mich schwindelig gespielt. Ich wollte ausgetauscht werden. Bis heute schaue ich als Trainer immer darauf, ein paar gute Linksfüße zu bekommen.

flw24: Im Archiv erfahren wir, dass Fürth im Ronhof Hessen Kassel eine Klatsche verpasst hat. Acht Tore! Warum hast Du nicht getroffen?

Werner Orf: Ich hatte die falschen Schuhe an… Nein, Scherz beiseite. Aber Kassel hatte die falschen Schuhe an. Beim Warmmachen vor dem Spiel haben wir, da der Platz noch gefroren war, Tausendfüßler angezogen. Die Kasseler taten uns das nach. Aber wir wechselten dann kurz vor Spielbeginn auf Lederstollen. War quasi ein böser Trick von uns. Kassel blieb bei den Multinocken und kam mit dem inzwischen weichen Untergrund überhaupt nicht zurecht.

Auf der Zielgeraden zum SV Wehen

flw24: Werner, unser Marathon biegt in die Zielgerade ein. Erzähl‘ doch was zu Wehen.

Werner Orf: Es waren auf dem Halberg als aktiver Spieler  zwar nur zwei Jahre, als Trainer insgesamt mehr. Eine tolle Zeit. Vielleicht die schönste. Familiär ging es zu. Mit Heinz Hankammer war der Aufstieg des Vereins gekommen. Eine tolle Mannschaft mit Bruno Hübner, Jürgen Menger, Rudi Collet oder Steffen Vogler. 

flw24: Was ist außer Erinnerungen an den Fußball von Wehen oder Mainz hängen geblieben?

Werner Orf: Eine ganze Menge. Ich durfte mit der Amateurmeistermannschaft, obwohl ich ja aus Fürth frisch dazu stieß, eine Ostasienreise mitmachen. Hongkong, Südkorea, die Philippinen. Es gab da Spiele gegen Olympiaauswahlen. Das hatte der Verein der Meistermannschaft als Belohnung geschenkt. Mit Wehen waren wir über Silvester in Südafrika. Ein Geschenk von Heinz Hankammer. Für Frauen und Kinder mussten wir allerdings bezahlen.

flw24: Werner, dass Du ins Trainerfach gegangen bist, wissen die einheimischen Fußballspezialisten. Frauenstein, Wehen II und aktuell Eltville sind nur Beispiele. Aber Du trainierst auch Jugendmannschaften. Ich weiß, dass Du nach unserem Gespräch wieder auf dem Sprung bist.

Werner Orf: Mit den Kindern und Jugendlichen macht das viel Spaß. Besonders ans Herz gewachsen ist mir der 1993 Jahrgang in Frauenstein. Und jetzt mit den Eltviller Buben ist das auch prima.

flw24: Und da ist da auch noch die Traditionsmannschaft von Mainz 05.

Werner Orf: Ja, ich darf das organisieren. Wir machen ein paar Benefizspiele im Jahr. Was reinkommt, wird gespendet für einen guten Zweck. Spieler muss ich manchmal etwas suchen. Zuletzt hat Christian Hock mitgemacht, der ja lange am Bruchweg gespielt hat. 

flw24: Werner, wenn Du einen Strich ziehst unter die Karriere als Spieler: Alles richtig gemacht?

Werner Orf: Vielleicht habe ich in Fürth zu früh unterschrieben…Drei Tage nach der Unterschrift kam eine Einladung zum Probetraining nach Gladbach. Aber nein….ist schon alles ok, wie es gelaufen ist. 

flw24: Werner, herzlichen Dank für das offene Gespräch. Alles Gute für Dich. 

Anmerkungen der Redaktion:

*     heute TUS Koblenz

**   177 Tore

***  Mainz Bruchwegstadion 8.000 Zuschauer

****Mainz Bruchweg-Stadion 11.000 Zuschauer